der Panzer bricht °🎲° Mi. 16.12.2020

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Ich bin total aufgeregt. Ich kann es kaum glauben, dass ich schon zu Seokie darf. Ich will ja einfach nur bei ihm sein. In Windeseile ziehe ich mich frisch an, und Patrick hilft mir in die eine Socke. Ein Schuh passt auf den verbundenen Fuß nicht drauf. Stattdessen zieht er mir eine riesige geringelte Wollsocke an.
Sowas hab ich echt noch nie gesehen!
Ich muss grinsen, weil das Teil so witzig und doch irgendwie schick aussieht.

„Jimin, hast du die Akten von euch eigentlich noch?"
„Ja, klar. Die hab ich fast so gut gehütet wie meinen Seokie."
„Denkst du, es wäre gut, die jetzt mitzunehmen?"
Ich erstarre. Es fühlt sich an, als ob ich die Macht über uns abgeben würde.
„Was kann dann passieren?"
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber mehr, als die Akten mitzunehmen, können sie ja nicht tun. Ich hoffe einfach, dass das geschulte Beamte sind, die wirklich freundlich und sensibel mit euch umgehen werden."
„Hm. Ich auch."

Ich lasse mir in die Jacke helfen und setze mir meine Mütze auf. Aus dem Rucksack hole ich die beiden Akten und gebe sie Patrick.
„Halt sie selbst fest, Jimin. Dann fühlst du dich sicherer."
Patrick stützt mich auf dem Flur und trägt mich schließlich runter zum Auto. Eine halbe Stunde später sind wir im Krankenhaus. Während der Ire sich nach Minseoks Zimmer erkundigt, setzt er mich ab. Der Blick in lange, kahle weiße Flure und der Geruch von Desinfektionsmittel lassen mich zögern. Ich schließe die Augen.
„P... Patrick, trägst du mich weiter? Dann kann ich nicht weglaufen."
Kann ich ja sowieso nicht. Aber dann fühle ich mich einfach geborgener.

Eine Krankenschwester kommt zu uns, um uns zu führen. Ettliche Fahrstühle und Flure später kommen wir auf die Intensivstation. Wir müssen uns die Hände desinfizieren und einen Mundschutz tragen. Dann kommt uns auch schon der Arzt entgegen. Ich kann mich vage an sein Gesicht erinnern.
Der Rest muss wohl in meiner Panik abgesoffen sein ...

„Mr. O'Brien, Jimin. Schön, dass Sie da sind. Ich glaube, ich habe mich heute Nacht gar nicht vorgestellt in der Hektik. Mein Name ist Dr. Kim.
Kommen Sie. Minseok ist noch nicht wach geworden, aber er stabilisiert sich kontinuierlich. Du hast rechtzeitig reagiert, Jimin, das hast du gut gemacht."
Und wenn ihr das noch fünftausendmal sagt, glaube ich euch das vielleicht auch.
Das schlechte Gewissen reißt mich schier in Stücke. Ich bin nur viel zu erschöpft, um das noch zu zeigen. In mir tobt dermaßen das Chaos vor lauter Informationen und sich überschlagender Ereignisse, dass ich fast nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Wem ich glauben soll. Was das alles jetzt heißt. Was als nächstes auf uns zukommt. Mein Kopf weiß: die Schlacht ist siegreich geschlagen. Aber mein Körper und meine Seele hängen fest in dem dreijährigen Dauer-Adrenalin-Kick.

Der Arzt führt uns zu einer Tür, schaut rein und lässt uns durch. Und da liegt mein Minseokie. Ganz klein und blass in dem großen Bett, total verkabelt und mit der Sauerstoffmaske. Neben ihm fauchen und piepen mehrere Kontrollgeräte. In der Hand mit der Kanüle hält er seinen kleinen Hund ganz fest, die andere Hand hält Taehyung, der direkt neben ihm sitzt.

„Setzt du mich bitte zu ihm aufs Bett? Ich passe auch auf mit dem ganzen Kabelsalat."
Zum Glück nickt Dr. Kim gleich, und Patrick setzt mich hinter Seokie, weil vorne die ganzen Maschinen dran hängen. Ich lege mich einfach dazu und nehme ihn in die Arme.
„Hallo, Seokie. Hörst du mich? Ich bins, Jimin. Ich bin da. Ich hab dich ganz dolle lieb. Du bist wunderbar. Du und ich – wir haben es geschafft. Wir sind jetzt in Sicherheit. Und wir haben Freunde. Und wir haben bald die schöne Wohnung bei TaeTae und Patrick. Jetzt darf es uns endlich wieder gut gehen."

Und dann starren wir alle auf Seokies Hände. Denn die kleinen Hände fangen an zu suchen, bis sie meine Hand finden und sich festhalten. Sofort wird er wieder ruhig und murmelt nur noch was.
„Jiminie."
Ich fange vor Glück an zu heulen, und den anderen geht es genauso. Tae deckt uns zusammen zu, und Patrick schiebt die beiden Akten unter das Kopfkissen bis unter mich drunter. Ich summe einfach Lieder in Seokies Ohr, und er entspannt sich weiter.

Mensch, ärgere dich nicht - Adventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt