Ich hab wenig geschlafen in der Nacht, weil ich immerzu über dieses Handy nachdenken musste. Es ist ein so verlockendes Angebot. Und würde uns beiden ein Gefühl von Sicherheit verschaffen. Das haben wir beide so dringend nötig nach acht Monaten auf der Straße.
Heute nimmt Seokie eine Mandarine mit in die Schule und zwei Kekse. Es ist rührend, wie wertvoll ihm die Gaben von Patrick sind. Er genießt ganz bewusst jeden Krümel. Und bei den Äpfeln muss ich ihn daran hindern, den Appelkitschen auch noch mit zu essen, weil er nichts verschwenden will. Aber viel mehr als den Stiel lässt er wirklich nicht übrig.
Ich gehe wieder früher los und direkt zu Patricks Hintertür. Er ist schon wieder mit Handwerkern zu Gange. Ein Mann im Anzug misst genau die Räume aus und fertigt eine Zeichnung an. Ein anderer hat einen fetten Katalog da und diskutiert mit Patrick über Fenster und Rahmen und Rolläden. Ein Dritter inspiziert das alte Parkett in den beiden großen Wohnräumen.
Also geht es heute schon um Verträge und Termine und konkrete Aufträge. Der gibt ja richtig Gas!„Hallo, Nikolaus. Ich ... nehme dein Angebot gerne an. Die Vorstellung, dass Seokie sich sicherer fühlen kann, ist einfach zu verlockend."
Wir müssen beide lachen, und er nimmt mich vor lauter Erleichterung einmal kurz in die Arme.
„Puh, da bin ich froh. Willst du heute Nachmittag gleich die Karte besorgen?"
Ich überlege nur kurz.
„Ich hab es verlernt, aber ich sollte es wieder üben. Das Vertrauen. Hättest du ... heute Zeit, eine Karte für mich zu besorgen?"
Er strahlt.
„Das mache ich sehr gerne. Dann kann ich auch einfach meine Adresse angeben. Das ist gut so. ... Danke!"Ich weiß genau, wofür er sich bedankt hat, als ich über die Straße zum Lager gehe, um die Tasche einzusammeln und mich zusammen mit Hansoo an die Arbeit zu machen. Bevor ich zurück auf meine Seite gehen kann, hält er mich noch am Ärmel zurück.
„Jimin, du kriegst doch noch das Geld von letzter Woche. Warte."
Ein kurzer Glücksmoment durchzuckt mich.
Er ist also doch ehrlich. Danke!
„Hei, prima. Danke dir."
Ich nehme den Briefumschlag mit dem Geld entgegen und stecke ihn in die Innentasche meiner Jacke.„Ahnen deine Eltern immer noch nichts?"
„Ich bin mir nicht sicher. Aber seitdem sitze ich ja immer den ganzen Nachmittag und Abend über den Büchern und Hausaufgaben. Und das kennen sie von mir nicht. Vielleicht haben sie das schon längst gerafft oder sogar noch einen Brief bekommen, den ich nicht abfangen konnte, und sie halten nur still, weil sie sich so über meinen Lerneifer freuen. Eigentlich egal. Hauptsache, wir zwei können weitermachen."
Wir schlagen ein und grinsen.
„Hat was."
"Und ich denke, ich werde hinterher auch nicht wieder zurückfallen in die alte Idiotie. Denn jetzt bin ich mit dem Stoff langsam auf der Höhe. Und das macht es echt leichter. Das wird mich zwar in der Clique nicht beliebter machen. Aber ... irgendwie bin ich damit durch."Bereits in der Mittagspause drückt mir Patrick das Handy in die Hand, dazu die Karte und den Handy-Vertrag.
"Sollen wir die Verträge bei mir lagern? Dann musst du die nicht durch Korea schleppen. In der Hoffnung, dass du sowieso nie wieder was durch Korea schleppen musst ..."
Meeeeensch, Patrick! Erschreck mich nicht so. Ich kann und werde nicht immer hier bleiben! Das ist eine wunderschöne Utopie ...„So, pass auf. Wir müssen jetzt das alte Handy einrichten für Minseok und das neue für dich."
Wir essen schnell und nehmen uns dann die Zeit, alle Daten von meinem auf das andere Handy zu übertragen. Dann mache ich im Alten für Seokie einiges platt, was nicht für ihn bestimmt ist. Patricks Nummer landet in beiden Handys, und er sieht dabei sehr zufrieden aus.„Du, Patrick. Minseok kennt dich doch überhaupt nicht. Ich weiß nicht, ob er sich überhaupt trauen würde, bei dir anzurufen."
Er zuckt mit den Schultern.
„Ich weiß. Aber solange du es brauchst, dass ich nicht weiß, wo ihr wohnt, kann ich schlecht sagen: bring ihn am Wochenende mal mit, ich fahr euch dann auch nach Hause. Ich habe einfach den Verdacht, dass du ziemlich lang laufen musst und das für deinen Bruder einfach zu weit ist. Vor allem abends zurück."Ich bin mal wieder verblüfft, wie weit er mitdenkt. Denn genau das ist meine Hürde. Ich müsste ihm verraten, wo wir wohnen. Und das will ich noch nicht.
Aber Seokie hier mal tagsüber bei Patrick zu lassen am Wochenende, in Gesellschaft statt allein, im Warmen statt im Transporter – das ist schon ziemlich verlockend.
„So, und jetzt raus mit dir. Ich erkläre dir nachher in Ruhe, wie das Ding funktioniert, ich habs ja selbst zwei Jahre lang benutzt."
Am Nachmittag weist er mich ein in die wichtigsten Funktionen meines neuen Handys und schickt mich dann mit Essen nach Hause. Es wird jeden Tag ein bisschen mehr. Patrick freut sich, dass Soekie so drauf achtet, dass ich auch genug esse.Ich schaue bewusst auf die Uhr und merke mir den Weg. Ziemlich schnell ist klar: Seokie wäre nicht in der Lage, sich diesen Weg einzuprägen, oder gar, ihn zu laufen. Ab der Straße, wo ich den reichen Altkleidersammlungssegen gefunden hatte, lese ich bewusst die Straßenschilder und mache ein paar Bilder von den charakteristischen Ecken.
Am Ende muss ich jedoch feststellen, dass unsere Bauruine gar keine Adresse hat, weil das letzte Stück meines Weges aus noch nicht benannten Straßen besteht, die dann wohl wieder aufgegeben worden waren. Die sind am Ende nichtmal asphaltiert, im Grunde nur Kartoffelacker mit Schlaglöchern. Genau das hatte mich ja auch hierher gelockt. Hier springt echt keine einzige Menschenseele rum.Als ich mich dem Gebäudekomplex nähere, sehe ich, dass über dem einen der Gebäude eine riesige, nicht leuchtende Schrift angebracht ist. Es ist schon dämmrig, aber ich kann das Wort noch erkennen. Paradise. Wenn es nötig sein sollte, kann Patrick damit ja vielleicht was anfangen. Ich mache davon ein Bild. Wenns mal brennt im wörtlichen oder übertragenen Sinne, dann kann ich ihm einfach das Foto schicken und muss nicht viele Worte machen. Ich habe den Verdacht, dass diese Gegend und diese Bauruine zwar völlig ignoriert werden, aber durchaus bekannt sind in der Stadt.
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8.12.2020 - 14.1.2021
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Mensch, ärgere dich nicht - Adventskalender 2020
FanfictionDer Ire Patrick O'Brien strandet in Südkorea und zieht in einer gut besuchten Einkaufsstraße eine irische Esskneipe auf. Als die Gewerbegemeinschaft beschließt, im Advent in allen Geschäften Sonderaktionen anzubieten, muss Patrick mitziehen. Er biet...