Fieber °🎲° Mo. 14.12.2020 mitten in der Nacht

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Irgendwann tut mir mein Nacken so weh vom schief im Sitzen schlafen, dass ich wieder wach werde. Ich versuche, den Kleinen wieder hinzulegen. Doch dabei wimmert er. Er bekommt kaum Luft. Deshalb fühle ich seine Stirn. Und erstarre. Seokie hat hohes Fieber. Ich habe keine Ahnung, was das heißt. Aber eins ist mir klar: das ist die Reißleine, an der ich ziehen muss!

Mein Handy sagt 3.00 Uhr morgens, als ich Patricks Nummer wähle. Es dauert eine Weile, bis ich ihn aus dem Schlaf geholt habe, aber als er meine Stimme hört, ist er sofort hellwach.
„Patrick? Hier ist Jimin. Seokie hat hohes Fieber und kriegt schlecht Luft. Ich .. es tut mir leid, dass ich dich wecke, aber ..."
„Genau richtig. Ich bimmele Taehyung raus, und einer von uns meldet sich gleich wieder."

Auch Taehyung ist wahrscheinlich grade im Tiefschlaf, aber er meldet sich erstaunlich schnell bei mir.
„Jimin, hast du schon alles gepackt?"
„Ja, soweit alles fertig."
„O.K., dann pass auf. Ich mache mich sofort auf den Weg. Stell bitte alles bereit, ich fahre in den Hof rein. Pack den Kleinen gut ein. Ich bin in zwanzig Minuten da."
„Ja, mach ich. Bis gleich."

Kaum habe ich aufgelegt, rührt sich Minseok in meinen Armen. Er röchelt, weint und strampelt.
„Hyung, mir ist so heiß. Und ich krieg keine Luft. ... Hilf mir. Das tut so weh!"
Allmählich bekomme ich Panik. Es dauert bestimmt noch eine Viertelstunde, bis Taehyung hier ist, es herrscht eine Affenkälte draußen und ist total windig. Und der Kleine ringt um Luft.

Kann ich das nicht irgendwie beschleunigen?
Es ist kaum möglich, Seokie wegzulegen, damit ich die Hände frei habe. Ich ziehe meine Schuhe an, da kriecht er schon wieder stöhnend auf meinen Schoß. Jetzt ist mir alles egal. Ich setze den Rucksack auf, wickele den Kleinen in alles Mögliche ein, setze ihn mir auf die Hüften, damit ich ihn umarmen kann, und laufe los. Taehyung entgegen.

Es ist nicht nur windig, es schneit auch heftig. Aber das ist mir grade alles egal. Ich spüre die Kälte nicht, ich spüre das Gewicht auf meinem Rücken nicht. Ich spüre nur das glühende Kind in meinen Armen und laufe immer weiter in Richtung Stadt.

Nach ein paar Minuten sehe ich die erste Straßenlaterne aufschimmern, die am Beginn der Asphaltstraße steht. Ich eile darauf zu. Aber kurz vorher stolpere ich über ein Schlagloch unterm Schnee und kann mich grade noch abrollen, damit ich nicht auf Seokie drauffalle.
Und dann kann ich nicht wieder aufstehen. Mein linker Fuß brennt wie Feuer, und der Kleine ist auf einmal zu schwer, obwohl er doch so spiddeldürr ist. Also gehe ich in die Hocke, hebe ihn irgendwie auf den Rucksack auf meinem Rücken und krieche auf allen Vieren zur Laterne.

Aber dann verlassen mich endgültig die Kräfte. Erst jetzt merke ich, dass ich ohne Jacke losgelaufen bin und am ganzen Körper zittere wie Espenlaub. Ich lehne mich an die Laterne und versuche, uns beide so gut wie möglich in die Decken zu wickeln, bis Taehyung kommt. Aber es hilft nichts. Ich friere mich halb zu Tode, und der Kleine glüht. Es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis ich schließlich die Lichter eines Autos auf uns zukommen sehe. Ich kann kaum noch die Augen offen halten. Ich muss mich richtig zwingen zu winken, damit Tae auf uns aufmerksam wird und nicht vorbei fährt.

Zum Glück sieht er uns gleich und hält neben mir an. Er springt aus dem Auto, läuft zu uns herum und nimmt mir den Kleinen ab.
„Steh auf, dass wir los können. Wir dürfen keine Minute verlieren."
Aber ich kann nicht aufstehen. Ich möchte nur noch schlafen. Seokie ist in Sicherheit. Jetzt kann ich schlafen.
„Jimin! Um Gottes Willen, was ist ... Du hast ja keine Jacke an. Komm, ich helf dir."
Ich fühle mich getragen. Tae setzt mich auf die Rückbank und drückt mir das Kind wieder in die Arme. Dann springt er hinters Steuer und gibt Gas.

„Jimin, du bist halb erfroren. Du darfst jetzt nicht schlafen, hörst du? Du musst wach bleiben. Erzähl mir, wie du bis da gekommen bist. Rede einfach, damit du nicht schläfst."
Ich höre seine Worte von Ferne und will nur noch schlafen. Aber ein panischer Unterton in seiner Stimme erreicht doch noch mein Gehirn und sagt mir, dass ich jetzt tun sollte, was er von mir verlangt. Ich zwinge mich, die Augen zu öffnen und in die Lichter zu schauen. Dann erzähle ich ihm Zähne klappernd und stockend, dass es Seokie auf einmal so schlecht ging, dass ich dem Auto entgegen laufen wollte.
"Und dabei habe ich wohl die Jacke vergessen."

„Hast du lange da gesessen?"
„Ich weiß nicht. Ich bin so müde. Ich habe kein Zeitgefühl mehr. Und mein Fuß tut so weh."
„Was ist damit? Hast du dir weh getan?"
Taehyung rast trotz Schneetreiben und glatter Straßen durch die Nacht.
„Ich bin in einem Schlagloch hängen geblieben und gestolpert. Wahrscheinlich ... Ich kann jedenfalls nicht auftreten."

Seokie ringt in meinen Armen um Luft und wimmert immer wieder meinen Namen. Tae greift nach seinem Handy, aktiviert die Gesichtserkennung und reicht mir das Gerät nach hinten.
„Ruf Patrick an. Wir brauchen sofort einen Arzt. Ich fürchte, dass Minnie eine Lungenentzündung hat."
Mir bricht der kalte Angstschweiß aus, und meine Hände zittern so sehr, dass ich kaum nach der Nummer suchen kann. Doch schließlich finde ich sie und drücke auf den grünen Hörer.

„Hier ist Patrick, alles in Ordnung, Tae?"
„Hier ... ist Jimin. Ich ... Tae sagt, dass wir einen Arzt brauchen. Er vermutet eine Lungenentzündung. Und mein Fuß ist verknackst."
„Oh Gott. Mach die Leitung frei. Ich versuche, jemand hierher zu kriegen."
Schnell legen wir auf, und Tae gibt noch mehr Gas, kaum dass wir auf den größeren geräumten Straßen in der Stadt sind. Mir laufen inzwischen die Tränen übers Gesicht vor lauter Angst um den Kleinen und Schmerzen in meinem Fuß. Dann sind wir endlich da. Patrick steht schon im Hof und nimmt mir sofort Minseok aus den Armen. Auch ihm entfährt bei meinem Anblick ein entsetztes „Oh Gott!"
Ich kann nicht mehr richtig denken, aber ich habe den Verdacht, dass ich ziemlich Scheiße gebaut habe. Taehyung hebt mich hoch und trägt mich ins Haus.

Kurz darauf liegen wir beiden in dem großen Bett im Gästezimmer, und um uns drumrum bricht Hektik aus. Wir werden aus unseren Klamotten geschält und warm abgerubbelt. Minnie weint laut und japst nach Luft, also setzte ich mich wieder, damit ich ihn hochhalten kann. Jemand kühlt meinen Fuß, der Rest von mir wird in angewärmte Decken gehüllt. Allmählich setzt zum Glück mein Verstand wieder ein.

Kurz darauf klingelt es, Patrick geht zur Tür, und dann stürmt ein Mann mit typischer Arzttasche den Raum. Er mustert mich und den Kleinen. Sofort erteilt er Befehle.
„Geben Sie dem Großen was Heißes zu trinken, und testen Sie bitte, ob er überall Gefühl drin hat. Ich möchte Erfrierungen ausschließen. Und Sie halten mir bitte den Kleinen so, dass er atmen kann und ich ihn untersuchen kann."

Patrick kümmert sich um mich, während Tae meinen armen Minseok übernimmt. Auf Patricks Kommandos reagiere ich nur völlig mechanisch, weil meine ganze Aufmerksamkeit bei dem Kleinen ist. Der Arzt misst Puls und Fieber und hört ihn dann ab. Als er ihn rumdreht, um ihn auch hinten abzuhören, erstarrt er, und Tae wird käseweiß im Gesicht. Ich brauche einen Moment, um zu kapieren, was grade passiert ist. Der Arzt hat die Narben entdeckt.

Jetzt sind wir geliefert!

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Wenn Ihr mich jetzt umbringt,
dann erfahrt Ihr nicht, wie es ausgeht ...

14.12.2020    -    15.1.2021

Mensch, ärgere dich nicht - Adventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt