Mein väterlicher Freund hatte recht. Rim Jong-Yul hat gar nicht bis zum nächsten Tag gewartet. Er kam schon vier Stunden später wieder in mein Büro und bat um Gehör. Völlig offen beichtete er uns, wann und wieviel Geld er einmal beiseite geschafft hatte, und legte uns sogar die entsprechenden Notizen vor. Wir haben ihm gesagt, dass er die Chance bekommt, sich zu bewähren. Und dann wurde er sofort feste eingespannt. Jahrzehntelange Erfahrung und modernes Knowhow verbanden sich im Handumdrehen zu einer Ideenmaschine, und Rim Jong-Yul mutierte zum absoluten Arbeitstier. Er legte uns binnen weniger Stunden die grundlegende Struktur für eine Marktanalyse vor, die am Ende ziemlich aussagekräftig zu werden versprach.
Ich hatte viel mehr Misstrauen als Woosung. Darum war es wohl ganz gut, dass die beiden nun zusammengespannt waren. Ich konnte sehen, wieviel Mühe Rim Jong-Yul sich gab, unser Vertrauen zurückzugewinnen, indem er gute Arbeit ablieferte. Das hat mich dann innerlich doch auch weichgeklopft. Schon am Montag war die veränderte Atmosphäre für alle zu spüren. Alle leitenden Angestellten wirkten am Ende des Tages wieder motivierter und zufriedener. Die Erleichterung, dass endlich ein tragfähiges Konzept zur Rettung der Firma gestrickt wird, war ihnen allen anzumerken.
Mein Geistesblitz ist jetzt grademal drei Tage her, aber wir sind in den Büros und der Druckerei dermaßen am Rödeln, dass unsere Ideen schon jetzt Formen annehmen. Wirtschaftliche Sicherheit und ein solider Kundenstamm sind was anderes. Aber die Stimmung ist besser, und das ist die halbe Miete.
Und dann kam gestern dieser Knall in der Kneipe. Haut der Mistkerl einfach meinen Namen raus und versucht, mich schlecht zu machen. Als Rim für mich in die Bresche gesprungen ist, ist mir nur noch die Kinnlade runtergefallen. Ich hatte danach überhaupt nicht das Gefühl, dass irgendjemand im Raum mich irgendwie anders angesehen hat als vorher. Und das tat verdammt gut!
Da ich heute Nachmittag ein bisschen Zeit rausschinden kann, will ich gleich heute zu Patrick, um diesen Jimin kennen zu lernen. So ganz verstehe ich das alles noch nicht. Patrick ist eigentlich ein bodenständiger, realistischer Typ. Aber wenn er von Jimin redet, kriegt er glänzende Augen und verliert jede Bodenhaftung. Ich muss aus der Villa raus, und ich finde diese Wohnung und die Lage bei Patrick so klasse, dass ich mich wohl drauf einlassen werde.
Aber was an dem Knaben so besonders sein soll – davon wird er mich noch überzeugen müssen.Um 14.00 Uhr verabschiede ich mich von den anderen und mache mich auf den Weg zum Irish Pub. Er hat gesagt, dass Jimin immer vorne reinkommt. Also parke ich meinen „gebrauchten Kleinwagen" im Hof und klingele hinten. Patrick lässt mich rein.
„Ich dachte mir, du könntest dich hinterm Tresen beschäftigen. Ich setze mich mit Jimin in die Nähe vom Fenster, dann hast du ihn besser im Blick als er dich."
„O.K. kein Problem, mach ich."Ein paar Minuten später ruft Patrick mich ans Fenster.
„Schau, das ist er. Er bringt jetzt seine Tasche drüben ins Lager und kommt dann her zu mir."
Ich sehe einen zierlichen jungen Mann über die Straße gehen und drüben in einem Liferanteneingang verschwinden. Als er wieder auftaucht, begebe ich mich eilig hinter den Tresen und fange an, die Getränke, die Patrick mir hingestellt hat, in die Kühlschränke zu räumen.Die Türklingel ertönt, die Tür öffnet sich. Ich höre eine helle Stimme.
„Hallo Patrick! Ich muss heute gleich los. Seokie hat gedrängelt, weil wir ..."
Ich stehe auf, um eine Kiste beiseite zu heben. In dem Moment verstummt er und schaut mich direkt an. Ich lächele ihn an und sage möglichst lässig „Hi!", bevor ich wieder in die Hocke gehe und den nächsten Kühlschrank aufräume. Einen Moment ist es ganz still im Schankraum.„Ich ... geh dann mal."
„Gib dir fünf Minuten zum Aufwärmen, Jimin. Das ist nur Tae, der ab und zu hinterm Tresen hilft."
Stille. Stühlerücken. Ich tauche wieder auf und beginne, die Regale mit den Gläsern abzustauben. Dabei kann ich gut immer wieder rüberschauen. Jimin hat sich allerdings so gesetzt, dass er mich gut im Blick hat.
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Mensch, ärgere dich nicht - Adventskalender 2020
FanfictionDer Ire Patrick O'Brien strandet in Südkorea und zieht in einer gut besuchten Einkaufsstraße eine irische Esskneipe auf. Als die Gewerbegemeinschaft beschließt, im Advent in allen Geschäften Sonderaktionen anzubieten, muss Patrick mitziehen. Er biet...