ein Herz und eine Seele °💖° So. 20.12.2020

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Ich könnte mich grade kringelig lachen. Das hätte auch ganz schön in die Hose gehen können, wenn Jimin sich mal wieder bevormundet gefühlt hätte. Stattdessen sitzt er neben mir und hibbelt und strahlt und starrt den Tacho schneller, weil er sich so irre auf einen eigenen Hund freut. Das Navi lotst uns in die Pampa nördlich von Busan. Vor einem Dorf biegen wir nach rechts in einen Feldweg ein. Dort steht auch das erste Hinweisschild zu der Farm.

Als wir bei der Farm ankommen, sehen wir zunächst einen traditionellen Bauernhof und mehrere Ställe. Um die Anlage drumrum sind überall größere Auslaufflächen mit Unterständen angelegt. Alles ist sauber und großzügig. Auf einem Paddock stehen zwei Shetland Ponys und grasen ganz gemütlich. Auf mehreren Flächen haben Hunde ein abwechslungsreiches Gelände. Jimin starrt wie hypnotisiert in diese Richtung.

Einen Esel sehe ich, der mit Schafen und Ziegen auf einer großen Weide steht. Auf einmal habe ich eine solche Sehnsucht nach den grünen Weiten Irlands, dass ich am liebsten auf der Stelle in den nächsten Flieger steigen würde. Vor meinem geistigen Auge tauchen Wanderhirten mit riesigen Herden auf, die rund um die Ruinen von alten Burgen grasen. Und das Meer. Ich vermisse den Wind und die Steilküsten und das Rauschen des weiten Meeres. Es ist seltsam. Diese Jungs wecken auch in mir Träume, die ich längst ausgeträumt geglaubt hatte.

Ich stelle den Transporter an den Rand des Feldweges. Aus dem Hofgebäude kommt eine junge Frau auf uns zu. Jimin steigt aus, und er ist die Sehnsucht auf zwei Beinen.
„Mr. O'Brien? Sie hatten angerufen. Ist das der junge Mann, für den sie einen Hund erstehen wollen?"
„Ja. Das ist Park Jimin. Er weiß erst seit heute, dass wir einen Hund kaufen wollen. Und er freut sich wie wild darauf."
Jimin nickt nur und verbeugt sich höflich.
„Mein Name ist Cheong Mi-Na. Dann kommen Sie doch bitte mit hinein. Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten, damit ich abschätzen kann, welche Tiere für Jimin in Frage kommen."
Wir folgen der Frau ins Haus, und Jimin kuckt fast enttäuscht, dass er nicht gleich zu den Hunden darf. Das ändert sich aber schnell, als wir in einem gemütlichen Wohnzimmer bewirtet werden. Da wuseln nämlich auch drei Hunde rum, und einer der drei ist schneller mit Jimin ineinander geknäult, als der sich hinsetzen kann. Ich fange einen interessierten Blick der Frau auf.

Vermutlich sind diese drei Hunde Testtiere, die bereits Hinweise über Jimin geben.

„Ich bin neugierig. Erzählen Sie mir doch bitte, warum Sie nicht irgendeinen sondern einen Therapiehund haben wollen."
Jimin hat den hellbraunen, kniehohen Mischling mit dem weißen Klecks links im Nacken ziemlich schnell auf dem Schoß gehabt, wo der es sich entspannt gemütlich gemacht hat. Jimin hat seine Arme um das Tier gelegt und ohne Angst oder Misstrauen erzählt. Das ist für mich schonmal ein Wunder. Wir unterhalten uns eine ganze Weile über die Lebensumstände der beiden Jungs.
„Gut. Dann erzähle ich Ihnen jetzt einfach mal, wie tiergestützte Therapie funktioniert und wo die Grenzen sind. Was kann das Tier leisten, was nicht. Was braucht das Tier, damit es ihm mit diesem verantwortungsvollen ‚Job' selbst auch gut geht."
Jimin sitzt entspannt da, hört aufmerksam zu, stellt viele Zwischenfragen und ist ... ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Jimin ist ... der, der er ohne die ganze Tragödie sein könnte?

Ich habe die Uhr im Blick, denn wir hatten den Eltern von Chen versprochen, dass wir nach drei Stunden wieder da sind. Wenn ich die Rückfahrt abziehe, bleibt uns eigentlich nur noch eine halbe Stunde, und das ist viel zu wenig. Die Frau fängt meinen Blick auf und nickt. Ich hatte ihr am Telefon bereits gesagt, dass wir nur begrenzt Zeit haben.
„Jimin, wie geht es Ihnen mit Hinsaek?"
„Heißt der Hund so? Weiß?"
„Ja genau. Er hatte schon als Welpe diesen weißen Fleck hinter dem linken Ohr, darum der Name."
Jimin krault den Hund hinter den Ohren, und der schaut ihm daraufhin in die Augen.
„Ich weiß keine Worte dafür. Hinsaek ... es fühlt sich so an, als ob der Hund MICH ausgewählt hat und nicht umgekehrt. Ich könnte hier jetzt noch fünf Stunden sitzen und einfach nur die entspannte Ausstrahlung dieses Tieres genießen. In mir taucht eine vage Erinnerung auf, dass ich mich als Kind bei meinen Eltern genau so gefühlt habe. Ich ... das ... Ich glaube, das richtige Wort dafür ist Geborgenheit."

Mensch, ärgere dich nicht - Adventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt