sturer Bock °✨° So. 13.12.2020

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Ich gehe heute am Vormittag ins Büro, damit ich am Nachmittag Minseok bespaßen und die beiden dann nach Hause fahren kann. Ich sitze heute mal ganz alleine hier, alle anderen haben ihr verdientes Wochenende. Aber ich habe in den letzten acht Tagen so viele Ideen ausgespuckt, so viele Entscheidungen getroffen und so viele Gespräche mit Mitarbeitern, Kunden und Zulieferern geführt, dass ich jetzt mal dringend sortieren muss. Die Wand unseres Besprechungsraumes ist gepflastert mit Organigrammen, Kontakten, Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten. Ich sehe schon nur noch Zahlen und Buchstaben vor Augen. Aber immerhin: mit Hilfe einiger Kleinaufträge sind nicht alle Zahlen rot. Mit dem guten Namen von Woosung konnten wir locken, also sind nicht alle alten Kontakte weggebrochen. Manche sind bereit, wieder mit uns zu arbeiten.

Die Gewerbegemeinschaft der JEONWON SANGA zum Beispiel. Ich hab mich vor Lachen fast verschluckt, als ich kapiert habe, dass der Flyer-Auftrag, den wir wegen der dusseligen 300.000 Apothekenkalender nach hinten geschoben haben, genau der Flyer war, den Jimin dann drei Wochen lang anderen Leuten in die Taschen gequatscht hat. Patrick musste allerdings ein bisschen nachhelfen, damit wir den nächsten Auftrag wieder gekriegt haben.

Ich drehe mich dreimal um mich selbst im Kreis und beschließe, dieses Chaos auf meine Weise zu sortieren. Ich hole aus dem Materiallager einen dicken Block mit Post Its und fange an, jeden Kontakt, jede Idee, einfach alles einzeln auf diese Zettel zu schreiben. Ich schiebe alle Tische im Konferenzraum zu einer großen Fläche zusammen und befestige einen langen Streifen Papier an der linken Seite. Darauf schreibe ich die nächsten sechzig Wochen untereinander, trage ein paar nationale und internationale Feiertage ein und klebe die wenigen Aufträge, die wir in nächster Zeit sicher haben, daneben. Eine Reihe weiter rechts kommen alle Aufträge, die in der Schwebe sind, angefragt sind, an denen wir noch rumgraben. Sofern ich sie datieren kann, ordne ich sie einer Kalenderwoche zu. Ganz rechts an der anderen Tischkante fange ich an, die vielen Ideen in Handlungsstränge zu bringen.
Wenn, dann.
Was ist Voraussetzung, damit ...
Welche Strukturen müssen wir schaffen, bevor ...
Auf einem weiteren Tisch pappe ich alle Kontakte in Lieferketten, eine Gruppe fester Kunden, eine Gruppe potentieller Kunden, gebündelt nach Ideen, ...

Puh – das ist viel. Aber nicht unmöglich. Ich steige auf einen Stuhl und schaue mir den Zettelsalat von oben an. Ich kann jetzt erkennen, wann die Stoßzeiten im Jahr sind. Da sind aber auch Aufträge, die nicht termingebunden sind und darum in die Lücken geschoben werden können. Entscheidend ist aber, dass die vielen Ideen und Möglichkeiten im Laufe des nächsten halben Jahres von der Pläne-Seite auf die Termin-Seite des Tisches wandern. Denn die allerbesten Pläne nützen nichts, wenn daraus keine Aufträge werden.
Zufrieden gehe ich wieder in mein Büro, fahre den PC runter und gehe zur Tiefgarage. Feierabend. In meinem Kopf herrscht jetzt viel mehr Klarheit, ich weiß, wie ich nächste Woche weitermache. Und ich kann mich jetzt guten Gewissens auf Jimin und seinen Zwerg freuen.

Minseok kommt mir schon an der Tür von Patricks Wohnung entgegen gerannt und hüpft an mir hoch.
„Hallo TaeTae. Können wir nachher alle Vier zusammen spielen? Ich mag mal gegen euch alle gewinnen."
Na, da brat mir doch einer 'n Storch. Der Knabe hat Selbstbewusstsein!
„Ich weiß nicht, wie schnell Jimin nach der Arbeit weg will. Hat er grade Mittagspause, oder schiebt er draußen Wache?"
Patricks Kopf schaut um die Ecke.
„Der müsste gleich Pause haben. Wir sind schon am Kochen."

Ich gehe mit dem kleinen Hampelmann auf dem Arm in die Küche.
„Wollen wir schonmal den Tisch decken, Minnie?"
Minseok fängt an zu zappeln und rutscht dann an mir runter.
„Patrick, wo sind denn die Teller?"
Der Ire zeigt auf den entsprechenden Schrank. Gemeinsam zählen wir das Geschirr und das Besteck ab und decken den Tisch. Ich zeige Minnie, wie man für ganz feine Leute deckt, und er macht es mir mit Feuereifer nach.
„Aber dann brauchen wir auch Servietten. Und eine Kerze!"
„Gut aufgepasst!"

Mensch, ärgere dich nicht - Adventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt