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„Fertig.", teilte mir Severus keine Stunde später mit. Bei ihm hatte es so leicht ausgesehen, obwohl es sich um einen der schwierigsten Tränke überhaupt handelte. Ich hatte ihm bei jedem Schritt genau beobachtet, sodass ich es beim nächsten mal alleine machen konnte. Er hielt mir die Flasche mit dem tiefschwarzen Inhalt hin, doch bevor ich sie nehmen konnte, zog er sie wieder weg. „Ich weiß nicht, was du damit willst, aber der Trank hat es in sich. Das Zeug ist kein Spiel."

Ich schluckte. „Das weiß ich."

„Ich werde dich jetzt nicht fragen, was du damit willst, aber mach nichts dummes."

„Vielen Dank, Severus. Wenn ich irgendetwas für dich tun kann, dann sag Bescheid. Ich schulde dir etwas."

Er schüttelte den Kopf. „Nein, du hattest ja recht. Du hast mir mehrmals geholfen, wenn diese Arschlöcher irgendetwas getan haben. Wir sind jetzt quitt."

„Vielen vielen Dank!", wiederholte ich, nahm die Flasche und verzog mich nach draußen auf den Hof.

Keiner verbrachte die Freistunden draußen. Sie sagten immer, es sei zu kalt, aber davon spürte ich nichts. Ich zögerte einen kurzen Moment bis ich die Flasche aufdrehte und einen Schluck nahm. Die Wirkung setzte augenblicklich ein. Das lodernde Feuer erlosch gemeinsam mit der Wut und der Enttäuschung.

Ich steckte die Flasche ein und lief in die große Halle. Wieder begannen alle zu tuscheln, wenn sie mich sahen, aber ich reagierte nicht. Ich setzte mich einfach an den Tisch und nahm mir etwas zu essen, als sich Lily hinter mir auftauchte. „Lina, wir sitzen da vorne. Hast du uns nicht gesehen?"

„Doch habe ich.", antwortete ich schlicht.

Sie runzelte die Stirn. „Und warum setzt du dich nicht zu uns?"

„Ist doch egal, wo ich sitze. Hier ist genauso gut wie dort."

„Was?", fragte sie.

„Was was?", wiederholte ich ihre Frage. „Ich bin hier zum Essen. Genau das tue ich."

„Bist du sauer auf uns?"

„Ich bin nicht sauer.", antwortete ich ehrlich.

„Du bist sauer.", stellte sie fest.

„Ich bin nicht sauer.", wiederholte ich.

„Wenn du nicht sauer wärst, würdest du dich zu uns setzen.", fuhr sie an. „Und du würdest mich ansehen, wenn ich mit dir spreche. Du würdest ein Lächeln auf dem Gesicht tragen. Ich hab noch nie erlebt, dass du so lange nicht lachst!"

„Es gibt keinen Grund für mich zu Lachen oder zu lächeln.", gestand ich. „Sauer bin ich aber trotzdem nicht. Ich bin hier zum Essen und genau das tue ich. Wenn ihr euch zu mir setzen wollt, dann tut das. Ist mir egal."

„Was ist los mit dir Lina?", wollte sie wissen. „Und wo warst du heute Nacht?"

„Draußen."

„Was meinst du mit Draußen?", fragte sie und sah mich mit großen Augen an. „Es ist scheiß kalt."

„Mir war nicht kalt."

„Was ist los?"

„Es ist nichts. Ich bin nicht sauer und auch sonst nichts."

„Ach und du denkst, dass ich dir das abkaufe?", wollte sie wissen.

„Ist mir egal, ob du mir glaubst.", stellte ich fest.

Lily setzte sich neben mich und zwang mich sie anzusehen. „Lina? Mit dir stimmt doch was nicht. Es tut mir leid wegen gestern. Es geht uns nichts an mit wem du was hast. Wenn du diesen Mann... liebst... dann ist das deine Sache. Wir haben kein Recht, uns einzumischen. Du kannst küssen wen du willst!"

„Ich habe niemanden geküsst.", erwiderte ich. „Es ist mir außerdem egal, was ihr gestern sagtet. Ihr könnt sagen und denken, was immer ihr wollt. Es interessiert mich nicht."

Lily runzelte die Stirn. „Was hast du, Lina?"

„Ich habe gar nichts."

„Hast du was genommen?", fragte sie und sie schaute mich besorgt an.

„Lina, da bist du ja!", rief plötzlich Remus und kam auf uns zugeeilt. Er umarmte mich stürmisch. „Geht's dir gut? Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Lily meinte, du wärst heute Nacht nicht im Zimmer gewesen! Wo warst du?"

„Ich war draußen.", wiederholte ich die Antwort, die ich auch Lily gegeben hatte.

„Draußen? Es ist Winter!", erwiderte er und schaute abwechselnd mit einem fragenden Blick zu mir und zu Lily, dir nur mit den Schultern zuckte.

„Ja. Es ist Winter."

„Geht es dir gut?", fragte er und schaute mich eindringlich an. „Stimmt etwas nicht?"

„Alles okay."

„Irgendetwas stimmt doch nicht!", bemerkte er. „Ist es wegen gestern? Das war nicht in Ordnung von uns! Tatze, du schuldest ihr eine Entschuldigung!"

Die Rumtreiber und auch Alice und Marlene hatten sich mittlerweile ebenfalls zu uns gesellt.

„Ist schon okay. Alles okay.", meinte ich und wandte mich wieder dem Essen zu.

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie besorgte Blicke wechselten und hörte, wie Lily flüsterte: „Ich fürchte, dass sie irgendetwas genommen hat. Siehst du ihren glasigen Blick?"

Ohne ein weiteres Wort, stand ich auf und ging. Dabei ignorierte ich die Worte, die sie mir hinterherriefen.

Slughorn und McGonagall hatten heute die Stunden getauscht, sodass ich mich auf den Weg in das Klassenzimmer für Verwandlung begab, wo ich mich auf meinen Stuhl setzte und wartete bis nach und nach alle Schüler kamen und der Unterricht begann. Währenddessen kamen Lily und die anderen und redeten wieder auf mich ein. 

Eisphönix (Harry Potter - Rumtreiber - FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt