Kapitel 14

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Kapitel 14

St. Petersburg, Russland

Mittwoch, 13. Februar 2019

„Puh!", stöhnt Mila erschöpft auf.

Yuri beobachtet sie dabei, wie sie sich auf den beigen Teppich im Wohnzimmer setzt und ihre Beine von sich streckt. Mit ihren Armen stützt sie sich am Boden ab.

„Das ist der schnellste Umzug gewesen, bei dem ich je geholfen habe", verkündet sie in einem lieblichen und zugleich etwas trägen Tonfall, bevor sie zuerst ihm, dann Daria ein zufriedenes Lächeln schenkt.

Diese kehrt mit einem weißen Tablett, auf welchem sich drei Bierflaschen und Gläser befinden, aus der Küche zu ihnen ins Wohnzimmer zurück. Die Gläser sind frisch gewaschen. An ihrer Oberfläche haften noch einzelne Wassertropfen, die sich langsam einen Weg nach unten bahnen.

„Wir haben auch nicht besonders viele Sachen gehabt", entgegnet Yuri und lässt sich in seinen gepolsterten Sessel mit Tigermuster fallen.

Daria und er haben heute Morgen, noch bevor irgendjemand aus dem Eislaufteam eingetroffen ist, um ihnen beim Umzug zu helfen, dem Fauteuil gleich als erstes einen Platz im Wohnzimmer zugewiesen. Um alles andere, wie ein farblich zum Tigermuster passendes Ausziehsofa, einen Couchtisch aus dunklem Holz sowie das Mobiliar in seinem und Darias separaten Schlafzimmern haben sie sich erst gekümmert, als Yakov, Mila und nach dem Mittagessen sogar Georgi gekommen sind, um ihnen beim Aufbau zu helfen.

Während Yakov und Georgi die neuen Betten und Schränke zusammengeschraubt haben, hat Mila die Wohnung geputzt. Daria und er hingegen haben ihre Kleidung und Wertgegenstände aus dem Hotel geholt. Für ihren Koffer und eine zusätzliche kleine Tasche sind sie nur einmal in die Innenstadt gefahren. Denn besonders viel hat seine neue Trainerin aus ihrem Heimatland nicht mitgenommen. Lediglich genügend Kleidung für einen Monat und einige Kleinigkeiten, die sie sich in den vergangenen Wochen in St. Petersburg gekauft hat.

Dafür aber mussten er und Mila, die mit Daria den Putzdienst in der Wohnung getauscht hat, sogar drei Mal ins Studentenheim fahren, um all seinen Besitz aus diesem Drecksloch zu holen. Yuri ist über die vielen Kartons, die er für den Umzug benötigt hat, selbst ein wenig überrascht gewesen. Denn er hat nicht damit gerechnet, dermaßen viel Kleidung und sonstigen Krimskrams zu besitzen, welchen er schon einige Tage zuvor in Kartons gepackt hat. Doch er hat versucht, sich seine Verwunderung über das mehrmalige Hin- und Herfahren zwischen dem Heim und der neuen Wohnung nicht anmerken zu lassen. Ansonsten hätte ihn Mila vermutlich aufgezogen, worauf er zumindest am heutigen Tag getrost verzichten kann. Seine Nerven sind ohnehin schon angespannt und von all den vielen Kisten, Kartons und gestressten Menschen in der neuen Wohnung strapaziert.

Mittlerweile ist der Umzug glücklicherweise abgeschlossen. Sämtliche Dinge, die Daria und er besitzen, befinden sich in der Wohnung. Die meisten Sachen sind noch in den Umzugskartons verstaut. Doch Yuri ist sich sicher, dass sie sich dieser Kartons in den nächsten Tagen entledigen und allen Gegenständen ihren rechtmäßigen Platz in der Wohnung zuweisen werden. Fürs erste allerdings brauchen Daria, Mila und er eine Pause. Yakov und Georgi sind schon nach Hause gegangen. Sie haben sich bereits vor einer Stunde von ihnen verabschiedet, nachdem sie seinen neuen Kleiderschrank aufgebaut haben.

„Das stimmt. Daria hat ja nur einen großen Koffer aus dem Hotel holen müssen. Ich frage mich wirklich, wie du daraus leben kannst! Ich würde wesentlich mehr Kleidung benötigen!", sagt Mila. Sie beobachtet Daria dabei, wie sie jedem eine Bierflasche und ein Glas reicht. Während Mila und sie das Bier zivilisiert in ihre Gläser füllen, lehnt Yuri es ab und trinkt direkt aus der Flasche.

„Man gewöhnt sich daran. Und jetzt, da ich einen eigenen Schrank habe, kann ich mir das ein oder andere Kleidungsstück noch zulegen", erklärt Daria mit ruhiger Stimme. Sie setzt sich ihm gegenüber auf das neue Ausziehsofa. Potya ist von der Tatsache, dass noch eine Folie über dem Sofa liegt, nicht gerade begeistert. Sie hat bereits damit begonnen, die Folie mit ihren Krallen zu zerreißen. Daria scheint das wenig zu stören. Sie streichelt seiner Katze wie mechanisch über den Kopf.

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