Elterngespräch

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Drei Wochen später...



Charlottes Sicht:


Es sind schon wieder drei Wochen vergangen und es wieder wenig passiert. Die Sedierung wird schrittweise heruntergefahren und es dauert halt ein bisschen. Frederiks Körper muss sich erstmal wieder daran gewöhnen, selbstständig zu arbeiten. Heute soll aber der erste Tag sein, an dem die Sedierung komplett weggelassen wird. Vor ein paar Tagen wurde er schon extubiert und es gab keine Schwierigkeiten. Frederik ist auf einem sehr gutem Weg, was mich natürlich auch freut. Im Anschluss an seinen Klinikaufenthalt wird er eine Reha machen und kann nach Hause. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr ich mich auf diesen Tag freue.

Wir haben uns zu Hause zwar dran gewöhnt, unseren Alltag ohne ihn zu meistern, aber ich bin wirklich froh, wenn Frederik wieder zu Hause bei uns ist.

Die Kinder fragen auch jeden Tag nach ihm und es ist ein schönes Gefühl, ihnen sagen zu könne, dass es ihm schon wieder ein bisschen besser geht. Allerdings macht es mich sehr traurig, dass die Kinder ihn nicht besuchen dürfen auf der Intensivstation. Das ist vielleicht auch besser so, denn er ist noch nicht mal wach und die ganzen Geräte könnten die Kinder sicherlich erschrecken. Und außerdem könnte es ja auch sein, dass sie auf einmal an irgendwelchen Geräten spielen... was dann passieren würde will ich mir gar nicht ausmalen. Wenn er auf Normalstation liegt werden ihn die Kinder auf jeden Fall besuchen.

Ich bin schon ganz aufgeregt, kann aber leider heute nicht zu ihm in die Klinik, weil ich bei Levi in der Kita Elternsprechtag habe. Ich werde es weder vor, noch nach dem Termin schaffen noch zur Klinik zu fahren. Ich kann mir glaube ich auch schon denken, worum es gehen wird. Also zum einen halt, wie er so entwickelt ist und zum anderen wird Frau Meyer sicherlich auch auf Levis Bindungsverhalten eingehen. Ich hoffe sehr, dass es nicht allzu schlimm wird, aber ich kenne Frau Meyer auch schon lange und denke mal, dass es nicht sooooo schlimm werden wird. Sie weiß ja auch, was bei uns los ist.

Nachdem ich mit Lola im arm mal wieder den üblichen Haushaltskram erledigt habe mache ich mich auf den Weg zu Malias Kindergarten und hole sie dort ab. Ich glaube, dass das Gespräch länger dauert und ich möchte nicht, dass se die letzte in der Kita ist. Zu dem Termin nehme ich sie mit. Ich habe das heute morgen mit den Erzieherinnen abgesprochen und sie freuen sich auch schon auf Malia. Sie wird dann in der Gruppe ein wenig spielen.

Malia ist auch schon aufgeregt, denn sie freut sich immer, wenn sie Levi mit abholen kann und dann wieder in ihre alte Gruppe kommt.

Malia und ich kommen in der Krippe an und wie es zu erwarten war, rennt sie sofort los und ist direkt auf die Erzieherinnen konzentriert. Da sie sie ja noch so oft sieht, kann sie sich natürlich noch an sie erinnern. Das ist sehr schön.

Frau Meyer und ich gehen in einen separaten Raum, um dort unser Gespräch zu führen.

„So, Frau Seehauser. Wie geht es Ihnen denn?", fragt Frau Meyer und steigt so in das Gespräch ein.

„Naja, mir selber geht es wieder gut. Mein Mann liegt allerdings noch immer im Koma."

„Haben Ihre Kollegen denn schon etwas gesagt, wann er aufwachen wird?"

„Es kann nicht mehr allzu lange dauern, denn die Sedierung wurde in den letzten Wochen reduziert und heute ist der erste Tag, an dem diese komplett weggelassen wird."

„Na dann wünsche ich Ihrem Mann gute Besserung."

„Danke"

„Da ist aber auch immer etwas los bei Ihnen."

„Ja allerdings..."

„Okay, kommen wir mal zu Levi... also, ich beginne mal mit seiner Sprache. Levi kann sich schon mit Zweiwortsätzen gut ausdrücken und sein Wortschatz vergrößert sich stetig. Das merkt man daran, dass er immer mehr Wörter lernt und diese auch anwendet. Er kann schon einiges benennen. Er macht och einige Fehlerchen bei Pluralformen, der Steigung von Adjektiven, Verbformen und er erfindet auch neue Wörter. Das ist für sein Alter aber absolut normal. Aktuell merkt man, dass er ganz langsam auch unsere Grammatik übernimmt. Was die Sprache betrifft bin ich also sehr zufrieden mit ihm. Haben Sie bis hier noch Fragen?"

„Nein, bisher nicht. Das hört sich ja ganz gut an."

„Kognitiv ist er auch zeitgemäß entwickelt. Er kann auf bereits gelernte Verhaltensmuster zurückgreifen und wird in seinem Denken zunehmend flexibler. Er steht noch am Anfang dieser Entwicklungsphase und kann deswegen beispielsweise noch nicht zwischen sich und der Außenwelt unterscheiden, was er aber noch lernen wird. Hier ist aktuell auch alles im Normbereich. Motorisch ist auch alles normal und altersgerecht."

„Okay, super."

„Ja, jetzt würde ich gerne mit Ihnen über die psychosoziale Entwicklung sprechen. Das Stadium, indem er sich aktuell befindet ist gekennzeichnet durch einen Konflikt zwischen Autonomie sowie Scham und Zweifel. Man merkt, dass Levi so langsam einen freien Willen entwickelt und diesen auch durchsetzen möchte. Hier kommt er allerdings ja auch zunehmend mit den Regeln in Kontakt und... joa... das gefällt ihm natürlich nicht so. Das ist aber auch normal. Jetzt wäre mir aber wichtig zu wissen, wie es bei Ihnen mit Regeln aussieht?"

„Naja, zunehmend möchte ich Levi natürlich auch daran gewöhnen, dass es Regeln gibt. Wenn er etwas macht, was so nicht in Ordnung ist, sagen wir ihm das auch und versuchen ihm das auch mit Gestik und Mimik zu zeigen."

„Das finde ich super."

„Ansonsten finde ich es noch wichtig über das Bindungsverhalten Ihres Kindes zu sprechen. Sie haben ja sicherlich gemerkt, dass der Abschied von Levi oftmals mit Wut, Trauer und vor allem Sehnsucht einhergeht."

„Ja, das habe ich gemerkt."

„So langsam sollte das aber abnehmen. Ich habe so die Vermutung, dass das ein wenig mit Ihrer privaten Situation zusammenhängt."

„Das denke ich auch. Ich weiß halt leider nicht, wie man das ändern sollte."

„Ich hätte da eine Idee. Wir könnten quasi eine neue Eingewöhnung machen, sodass er merkt, dass Sie auch wiederkommen und er sich nicht zu alleingelassen fühlt."

„Und wie sieh das aus?"

„Ich möchte da jetzt ungerne ganz von vorne anfangen, weshalb ich vorschlage, dass Sie einfach nur die Zeit, die Levi hier verbringt, vorrübergehend verkürzen und dann schrittweise wieder verlängern."

„Okay..."

„Schaffen Sie das denn mit den ganzen anderen Sachen drum herum?"

„Ich denke schon. Das wird schon irgendwie funktionieren. Das Problem ist halt, dass ich Ihn dann genau wie meine kleine Tochter im Krankenhaus bei der Schwester abgeben müsste."

„Kennt er die denn?"

„Nein, aber ich kann mal seine Patentante fragen, sie arbeitet auch in der Klinik."

„Das wäre gut. Hat er denn eine gute Bindung zu ihm."

„Ich denke schon. Bisher hat es da keine Probleme gegeben."

Nach einem kurzen Smalltalk beenden wir das Gespräch und ich fahre mit den Kindern nach Hause. Dann mache ich ihnen Abendessen und telefoniere dabei mit Birgit. Sie kann die Kinder zum Glück betreuen und jetzt lässt sich nur hoffen, dass Frederik schnell auf Normalstation kommt. Ich hoffe, dass ich jetzt noch mit den ganzen anderen Pflichten, welche ich hier zu Hause habe noch hinterherkomme, aber Levi ist wichtiger.

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Sorry, dass hier so viel Entwicklungsgedöns ist. Das habe ich einfach nur so ausführlich gemacht, damit ich einen Grund habe, mir meine Unterlagen nochmal anzugucken, wegen dem Abi...

Die Geschichte von Team EngelhauserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt