Wie in Trance wende ich den Blick ab. Geschockt blicke ich zur Leiter. Da steht jemand.
Doch nicht irgendjemand, sondern der gut aussehende Typ, in den ich heute Morgen reingerannt bin.
Wie lange steht er schon da? Ich sehe wahrscheinlich schrecklich aus. Mein Gesicht ist total verheult.
Ich kann wegen der Tränen die immer noch in meinen Augen sind, sein Gesicht kaum erkennen.
Plötzlich knicken mir die Beine weg und ich breche zitternd zusammen. Mir ist gar nicht aufgefallen, wie kalt es ist.
Mit ein paar Schritten ist er bei mir. Er kniet sich neben mich und legt mir schnell seine Jacke um.
'Du bist ja total unterkühlt.'
Sein besorgter Blick liegt auf mir. Ich will nicht, dass er mich so sieht, ich will nicht, dass mich irgendwer so sieht.
Ich drehe den Kopf weg. Ich bin ihm zwar dankbar, dass er mir die Jacke gegeben hat, aber ich bin bloß ein Heimkind, ein Niemand.
'Was ist los? Schau mich bitte an.'
Der Klang in seiner Stimme lässt mich aufhorchen. Langsam drehe ich den Kopf.
'Was soll schon los sein? Ich bin ja bloß ein dummes kleines Heimkind.'
Trotz der Schwäche und des Zitterns in meiner Stimme hört man den Sarkasmus deutlich heraus.
'Du bist ein Mensch, genau wie ich. Sagst du mir was los ist?'
'Was interessiert dich das?'
Er antwortet nicht. Die plötzliche Stille verwirrt mich.
Langsam hebe ich den Blick. Seine Augen sehen so ehrlich aus. So unbeschädigt, wie die eines Kindes. Meine Wut auf ihn ist wie weggeblasen.
'Es gibt eben Gründe, weshalb ich im Heim bin.'
Ich senke den Blick wieder. Ich schäme mich. Ich schäme mich für meine Vorgeschichte, für mein Leben.
'Hast du schon mal mit jemandem darüber gesprochen?'
Langsam schüttele ich den Kopf.
'Willst du es mir erzählen?'
In meinem Inneren tobt ein bitterer Kampf. Die eine Hälfte will ihm alles erzählen, sich alles von der Seele reden, doch die andere Hälfte hat Angst davor. Davor, es zu erzählen und davor, dass er mich vielleicht nicht mehr mögen wird.
'Du musst es mir ja nicht jetzt erzählen. Ich kann dir nachher meine Adresse und meine Telefonnummer geben, dann kannst du dich immer melden. Aber jetzt solltest du zuerst einmal ins Warme.'
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Wieso ich?
Teen FictionMia hat eine schreckliche Vergangenheit: Von ihren Eltern misshandelt, von den Freunden verlassen und durch den Tod ihres geliebten Großvaters gezeichnet, landet sie im Kinderheim. Sie lässt nichts mehr an sich heran, lässt sich von niemandem helfen...