'Vergiss ihn, den kriegst du nie.'
Überrascht blicke ich sie an, aber wenn ich genauer darüber nachdenke, dann ist er echt süß. Er sieht auf jeden Fall gut aus.
'Grins nicht so blöd, sonst verlierst du noch deinen Ruf als Depri - Mädchen.'
Sagt sie und unterdrückt ein Lachen.
Im Moment passieren einfach zu viele Dinge, die ich nie erwartet hätte.
*
Die Schule ist endlich vorbei. Natürlich ist die gute Laune von heute Morgen wie weggeblasen.
Ich fühle mich einfach nur leer in meinem Inneren. Die Worte meiner Lehrer und Mitschüler sind zum einen Ohr rein und zum anderen Ohr raus gekommen.
Ich kann mich an nichts erinnern, was irgenwer gesagt hat. Außerdem muss ich im Heim noch mit Frau Spießgart reden, wegen letzter Nacht.
Ich sitze auf dem Pausenhof auf einer Bank, friere mir den Arsch ab und warte auf Johanna.
Mein Blick geht ins Leere.
*
Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt sie endlich. Total außer Atem.
'Sorry, wir hatten gerade Sport und Frau Essep hat uns nicht früher raus gelassen.'
Keucht sie. Ich nicke bloß.
'Was ist los?'
Fragt sie besorgt. Respekt, dass sie es so schnell gemerkt hat. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich nicht darüber reden will.
'Nichts.'
Sie glaubt mir nicht, das kann ich in ihren Augen sehen. Aber ich bin ihr dankbar, dass sie nicht weiter nachfragt.
*
Nach dem Mittagessen mache ich mich auf den Weg zu Frau Spießgart. Vor ihrem Büro bleibe ich einen Moment stehen. Ich atme noch einmal durch. Dann klopfe ich.
'Herein'
Ich öffne die Tür. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch und sieht mich erwartungsvoll an.
'Wo warst du gestern Nacht?'
Ihre Stimme ist ruhig und sie klingt fast schon nett. Doch ich habe nicht vor zu antworten. Niemand kann mir meinen Ort wegnehmen.
'Wenn du mir nicht sagst, wo du warst, bekommst du mächtigen Ärger.'
Droht sie mir gerade? Aber das wird auch nichts bringen, ich werde es niemandem erzählen.
Ich höre, wie sie aufsteht und langsam zu mir gelaufen kommt, doch ich schaue sie nicht an.
'Sag mir wo du warst.'
Bedrohlich steht sie vor mir.
'Das ist jetzt wirklich das letzte Mal, du fliegst sonst aus dem Heim.'
Ihre Drohungen werden ihr nichts bringen. Mir ist egal, wo ich hin komme. Ich habe nichts, was mich hier hält.
Mit einem kraftlosen Seufzer beendet sie das Schweigen.
'Wir wollen dir doch nur helfen, aber du musst uns sagen, was deine Probleme sind.'
Sie erwartet wohl, dass ich sofort anfange ihr alles zu erzählen.
'Du musst uns dir helfen lassen.'
Aber ich will ihre Hilfe nicht.
Enttäuscht dreht sie sich um.
'Was willst du für eine Strafe? Morgen soll es viel Schnee geben. Du wirst um 5:00 Uhr aufstehen und die Wege frei schippen.'
Schweigend warte ich darauf, dass ich endlich gehen darf.
'Hast du mich verstanden?'
Ich nicke.
'Gut, du kannst jetzt gehen.'
Ich drehe mich um und verlasse den Raum wieder. Sobald ich draußen bin, renne ich los. Ich will weg von hier. Möglichst weit weg.
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Wieso ich?
Teen FictionMia hat eine schreckliche Vergangenheit: Von ihren Eltern misshandelt, von den Freunden verlassen und durch den Tod ihres geliebten Großvaters gezeichnet, landet sie im Kinderheim. Sie lässt nichts mehr an sich heran, lässt sich von niemandem helfen...