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An der Schule angekommen steigen wir als letztes aus. Die Polizisten empfangen Fabian. Inzwischen ist auch ein Streifenwagen der örtlichen Polizeistelle eingetroffen.

Ich verabschiede mich mit einer stillen Umarmung von ihm, dann nehmen die Polizisten ihn mit.

Wie in Trance starre ich auf die Stelle, an der der Polizeiwagen aus meinem Sichtfeld verschwunden ist.

Vollkommene Stille lastet auf allen. Johanna tritt langsam hinter mich und legt mir einen Arm um die Schulter.

Langsam lehne ich meinen Kopf an ihre Schulter. Mein ganzer Körper fühlt sich schwer an. So schwer, als könnte ich nie wieder einen Schritt gehen.

So schwer, dass ich mich am liebsten einfach auf den Boden gelegt und in den grauen Himmel gestarrt hätte.

Nach einer Weile höre ich, wie sich hinter mir einer nach dem anderen auf den Heimweg macht.

Irgendwann gehen auch Johanna und ich. Wir gehen langsam und bis zum Heim sprechen wir kein Wort.

Das einzige, was mir die Kraft gibt, bis zum Heim zu kommen, ist ihre Anwesenheit.

Woher weiß sie bloß immer, was ich brauche? Kennt sie all diese Gefühle etwa? Erneut frage ich mich, was ihre Geschichte ist. Ihre Geschichte, die sie ins Heim gebracht hat.

*

Die gesamte Nacht liege ich wach. Ich starre die Decke über mir an und liege ganz ruhig da. Man hätte meinen können, ich würde schlafen, wenn da nicht meine offenen Augen mit dem leeren Blick gewesen wären.

Irgendwann klingelt mein Wecker und ich stehe langsam auf. Jede meiner Bewegungen ist wie in Zeitlupe.

Auch beim Frühstück schweigen wir und der Schulweg zieht sich in die Länge. Wir laufen langsam, weshalb wir zu spät kommen.

Mich interessiert es nicht wirklich, was meine Lehrer dazu sagen. Ich laufe wie in Trance durch den Klassenraum an meinen Platz. Dort richte ich den Blick nach draußen.

Heute Mittag gehe ich zur Polizeistelle und sehe hoffentlich Fabian wieder. Er ist mein einziger Lichtblick.

*

Ich trete ein und ein freundlich lächelnder Polizist begrüßt mich.

'Könnte ich vielleicht Fabian sehen?'

Er zögert einen Moment.

'Ich werde jemanden holen, bitte setzen sie sich einen Moment hin.'

Er weist auf einen Stuhl links von mir und verschwindet durch eine Tür in den hinteren Teil des Gebäudes.

Ich setze mich hin und lasse meinen Blick über die Wände gleiten.

Gegenüber von mir hängt ein Bild, auf dem einige Polizisten in Uniform zu sehen sind. Vor ihnen liegen Polizeihunde.

Bevor ich mich weiter umsehen kann, geht die Tür schon wieder auf und der Polizist kommt in Begleitung einer jungen Polizistin wieder.

Sie begrüßt mich lächelnd.

'Du bist wegen Fabian hier, oder?'

Ich nicke.

'Gut, also erstmal ist er der Sachbeschädigung und der versuchten Körperverletzung beschuldigt.'

Ich seufze. Wo hat er sich da nur wieder reingeritten.

'Wie dir sicherlich bekannt ist, ist er schon mehrfach vorbestraft. In drei Tagen ist seine Verhandlung, bei der er sich vor Gericht verantworten muss. Einen Verteidiger bekommt er gestellt, aber es sieht nicht gut für ihn aus.'

Ich nicke. Nach einer kleinen Pause frage ich sie:

'Kann ich jetzt zu ihm?'

'Wenn du versprichst, keinen Ärger zu machen.'

Sie zwinkert mir zu. Innerlich verdrehe ich die Augen, aber äußerlich lasse ich mir nichts anmerken. Ich nicke nur und folge ihr dann durch die Tür und mehrere Gänge entlang.

Dann kommen wir zu einer Tür, vor der sie stehen bleibt. Ich tue es ihr gleich und warte, bis sie endlich aufgeschlossen hat.

In dem Moment, als die Tür offen ist, fällt mir Fabian um den Hals.

Wir umarmen uns eine Weile und setzen uns dann rein und unterhalten uns. Wir haben uns viel zu erzählen.

'Was genau ist eigentlich passiert, dass du jetzt hier gelandet bist?'

Er seufzt.

'Nachdem du weg warst ging alles bergab. Uns ging das Geld aus und wir haben dich beide schrecklich vermisst.'

Er schluckt.

'Ich kam auf dumme Ideen um irgendwie wieder an genug Geld zu kommen und es war keiner da, der mich davon abhalten konnte.'

Er wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu.

'Naja, ich habe eine Tankstelle ausgeraubt, oder es zumindest versucht. Tom hat irgendwie davon Wind bekommen und ist mir gefolgt.

Als die Bullen kamen, hat er versucht, mir zu helfen, aber dieser Drecksbulle hat ihn einfach abgeknallt!'

Tränen füllen seine Augen und Schluchzer brechen aus ihm heraus.

Ich lege meine Arme um ihn herum und wir weinen gemeinsam um unseren geliebten Tom.

Ich kann einfach nicht fassen, wie das passieren konnte. So schnell wurde ihm sein Leben genommen. So plötzlich und so unerwartet war er tot.

Wieso ich?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt