30.

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Die Erinnerung öffnet ihre Klauen und lässt mich frei. Ich schnappe nach Luft und löse meinen Blick vom Fenster.

Alle starren mich an. Mein Atem geht schnell und die Tränen laufen in Strömen meine Wangen hinunter.

Da ich aufgrund meines Beines nicht aufspringen und rausrennen kann, wie ich es gerne getan hätte, verberge ich mein Gesicht in meinen Armen, um den Blicke zu entkommen.

Mein Inneres schmerzt, wie jedes Mal nach solchen Erinnerungen. Die Scherben meines Herzes bewegen sich und schneiden noch tiefere Wunden in das umliegende Fleisch.

Die Klasse ist still und selbst Frau Pfau spart sich ihre blöden Sprüche. Sie räuspert sich nach einigen Sekunden betroffener Stille.

'Vielleicht solltest du raus gehen, ich denke nicht, dass der Unterricht in diesem Zustand viel bringt. Außerdem lenkst du die anderen ab.'

Den letzten Satz hätte sie sich auch sparen können. Aber besser als gar nichts. Langsam stehe ich auf und humple zur Tür.

Alle Blicke folgen mir. Es kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit, bis ich endlich draußen stehe.

Unschlüssig, wo ich hingehen soll, humpel ich durch die Flure. Ich gehe in Richtung der Mädchentoiletten.

Als ich einen Blick in den Spiegel werfe, sehe ich ein blasses Mädchen, deren Haare zerzaust um ihren Kopf hängen und deren Gesicht nass ist von den Tränen. Ich könnte in einem Horrorfilm mitspielen.

Doch das ist nicht das schlimmste. Das schlimmste sind die Augen. Durch sie sieht man direkt in die Seele. Sie ist gebrochen. Jeder Glanz von Hoffnung ist verschwunden, man sieht die gesamte Verzweiflung. Und man sieht, dass sie aufgegeben hat.

Mühsam reiße ich mich von meinem Spiegelbild los und beschließe ins Heim zurück zu gehen. Ich mache mich auf den Weg zum Sekretäriat, da ich nicht noch mehr Ärger will.

Ich denke nicht daran, dass ich an der Sporthalle vorbei muss. Und als ich realisiere, dass mir alle Blicke der Sportgruppe durch die Scheibe hindurch folgen, ist es bereits zu spät.

Ich wende mich schnell ab und ziehe hastig meine Kaputze über den Kopf. Bei der Vorstellung, was für ein trostloses Bild ich wohl abgebe, zieht sich mein Innerstes zusammen.

Endlich erreiche ich das Sekretäriat und die Sekretärin schickt mich gleich von alleine ins Heim zurück.

Langsam humpel ich vom Pausenhof und lasse mich sobald ich das Heim erreicht habe, in meinem Zimmer auf meine Bett fallen und verberge mein Gesicht in dem Kissen.

Wieso ich?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt