21.

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Als ich die Augen öffne ist es stockdunkel. Es fällt mir wirklich schwer aufzustehen, aber ich muss den Schnee wegschippen.

Also ziehe ich mich an und mache mich dann auf den Weg nach draußen. Meine Schritte hallen in den lehren Gängen.

Als ich die Tür öffne sehe ich bloß noch weiß. Es liegt mehr Schnee, als ich gedacht hätte, es ist mindestens ein halber Meter.

Mit einem Seufzen hole ich mir die Schneeschaufel und fange mit dem Eingang an. Das werde ich niemals schaffen, selbst wenn ich nur den Hauptweg frei mache, werde ich Stunden brauchen.

Aber das ändert nichts daran, dass ich es tun muss. Wenn ich es nicht wenigstens versuche, schmeißen sie mich womöglih doch noch raus.

Schon nach ein paar Minuten sind meine Finger steif vor Kälte. Ich bereue es, dass ich nicht schon lange Handschuhe gekauft habe.

Es ist stockfinster und nur die Lampe am Eingang spendet ein wenig Licht. Am Wegrand stehen zwar Laternen, aber die sind um die Uhrzeit noch nicht an.

Zentimeter für Zentimeter arbeite ich voran. Mein Atem bildet weiße Wölkchen und ich frage mich, ob ich aufhören darf, wenn es Zeit ist zur Schule zu gehen, oder ob sie mich einfach entschuldigen und ich weiterarbeiten muss.

Ich bin gerade mal ein paar Meter voran gekommen und habe jegliches Gefühl in meinen Fingern verloren. Langsam verlasse ich den Lichtkegel der kleinen Lampe.

Es ist so dunkel, dass ich kaum sehe, wohin ich trete. Vorsichtig mache ich einen Schritt nach vorne und stoße gegen den Schnee.

Nach einer weiteren halben Stunde schuften, stütze ich mich erschöpft auf die Schneeschaufel. Ich kann nicht mehr, meine Arme fühlen sich an, als würden sie gleich abfallen und mein Atem geht schnell.

Langsam stehen die Ersten auf. In ein paar Zimmern brennt schon das Licht.

Plötzlich höre ich ein seltsames Geräusch über mir. Als ich nach oben blicke, sehe ich eine weiße Masse auf mich zu rasen.

Mir entfährt ein Schrei und ich hechte mich möglichst weit weg. Als auch schon die Lawine auf den Boden kracht. Ich bin nicht weit genug weg, deshalb kracht ein Teil des Schnees auf meine Beine.

Ich schreie ein zweites Mal auf und hebe meine Hände schützend vor mein Gesicht. Die Scheebrocken fliegen durch die Luft und mehrere Treffen mich am ganzen Körper.

Das Gewicht auf meinen Beinen wurde immer schwerer und läge ich nicht auf dem weichen Schnee, hätte ich mir sicher schon etwas gebrochen.

Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie die Türe aufschwingt und mehrere Leute heraustreten. Aber ich kann nicht erkennen, wer es ist.

Als die Lawine endlich aufhört, ist es still. Wahrscheinlich sind die anderen genauso geschockt, wie ich.

Johanna hat sich wohl als erste wieder gefangen, denn sie stürmt auf mich zu und beugt sich besorgt über mich.

'Bist du okay?'

Ich kann bloß nicken. Ich glaube nicht, dass ich ernsthaft verletzt bin, aber ich bin immer noch geschockt und vom Schneeschippen total fertig.

Endlich bewegen sich auch die anderen wieder und Frau Spießgarts Gesicht taucht neben Johannas auf.

'Geht es dir gut?'

Das kann ich eigentlich nicht wirklich bestätigen, aber ich nicke trotzdem.

'Kann bitte jemand den Schnee von meinen Beinen wegmachen?'

Einen Moment schaut mich Frau Spießgart verwirrt an, doch dann kommen meine Worte in ihrem Gehirn an.

'Äh, natürlich.'

Sie steht auf und verdonnert die herumstehenden Heimkinder und Leiter den Schnee weg zu machen.

Johanna starrt wütend auf Frau Spießgart und wendet sich dann wieder mir zu.

'Wenn sie dich nicht bestraft hätte, wäre das alles nicht passiert. Sie ist an allem Schuld.'

'Nein, das konnte sie doch nicht vorhersehen.'

Wieso ich?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt