Aus dem Augenwinkel sehe ich zwei Leute in roten Westen auf mich zukommen. Das müssen die Rettungssanitäter sein. Je näher sie kommen, desto mehr gerate ich in Panik.
Als sie mich erreicht haben und der eine mir vorsichtig die Hand auf den Arm legt, zucke ich zurück.
Er wechselt einen beunruhigten Blick mit seinem Kollegen. Dann versucht er seine Hand vorsichtig auf meinen anderen Arm zu legen. Dieses mal schreie ich auf. Er soll mich in Ruhe lassen.
Immer mehr Schüler versammeln sich um uns herum. Der Rettungssanitäter scheint verstanden zu haben, dass ich nicht will, dass er mich berührt.
'Wer von euch kennt sie gut und kann sie vielleicht beruhigen?'
Fragt er in die Menge der herumstehenden Schüler. Johanna ist nicht da, also meldet sich niemand.
'Keiner?'
Langsam tritt der Typ von gestern Abend vor. Er geht auf mich zu und kniet sich neben mich.
Er schaut mich ruhig an und murmelt so leise, dass nur ich ihn verstehe:
'Du willst nicht ins Krankenhaus.'
Es ist keine Frage, aber trotzdem nicke ich. Ich wische über meine Wange, als ich zu den Ärzten herüberblicke. Jetzt erst bemerke ich, dass ich weine.
Eine Weile schweigt er. Er kniet einfach nur neben mir und seine Anwesenheit beruhigt mich. Langsam schlägt mein Herz wieder in einem normalen Rythmus.
'Aber du musst, du kannst nicht hier liegen bleiben.'
Die Tränen fangen wieder an zu laufen und mein Herzschlag beschleunigt sich. Ich will nicht, aber er hat Recht.
Ich nicke zögerlich.
Langsam steht er auf und gibt den Rettungssanitätern ein Zeichen. Ich habe Angst, aber ich lasse zu, dass sie herkommen und versuchen, mich auf die Trage zu legen.
Schon bei der kleinsten Bewegung durchzuckt der Schmerz mein Bein.
Als ich endlich auf der Trage liege, keuche ich vor Anstrengung nicht zu schreien. Ich halte meine Augen geschlossen. Ich will, dass das alles endlich vorbei ist.
Ich spüre, wie ich langsam weggeschoben und in den Krankenwagen geschoben werde. Immer wieder schnappe ich einzelne Wortfetzten von den Gesprächen um mich herum auf.
Ich höre, wie die Türe zugeschlagen wird, dann ist es still.
'Mia, hörst du mich? Bist du noch da?'
Ich kenne die Stimme nicht. Langsam öffne ich die Augen. Einer der Rettungssanitäter hat sich über mich gebeugt und schaut mich besorgt an.
Als er sieht, dass ich nicht das Bewusstsein verloren habe, fragt er mich darüber aus, was passiert ist.
Ich erzähle, dass ich im Sportunterricht plötzlich Schmerzen am Bein hatte.
'Einfach so, oder war vorher irgendetwas?'
Ich spüre einen Ruck. Der Krankenwagen fährt los.
'Ich bin heute morgen halb von einer Lawine verschüttet worden.'
'Ok, hast du momentan Schmerzen?'
Ich konzentriere mich einen Moment. Es tut zwar weh, aber solange ich mich nicht bewege, ist es erträglich.
'Nur ein bisschen.'
Er nickt und versucht sich ein bisschen mit mir zu unterhalten. Da ich gerade nichts zu tun habe und ein bisschen Ablenkung sicher gut ist, lasse ich mich darauf ein.
'Wie alt bist du denn?'
'16'
'Hast du Geschwister?'
'Nein'
Kann er keine anderen Fragen stellen?
'Dann wohnst du alleine bei deinen Eltern?'
Jetzt hat er es zu weit getrieben. Der Schmerz durchzuckt mein Herz. Ich kneife die Augen zusammen.
'Tut mir leid, sind sie gestorben?'
Mitleidig sieht er mich an.
'Können sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?'
Sein betroffenes Schweigen regt Schuldgefühle in mir. Er konnte es ja nicht wissen.
Die restliche Fahrt verbringen wir schweigend.
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Wieso ich?
Teen FictionMia hat eine schreckliche Vergangenheit: Von ihren Eltern misshandelt, von den Freunden verlassen und durch den Tod ihres geliebten Großvaters gezeichnet, landet sie im Kinderheim. Sie lässt nichts mehr an sich heran, lässt sich von niemandem helfen...