25.

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Es dauert nicht lange, bis die Psychologin kommt.

'Willst du mir verraten, weshalb du Krankenhäuser so sehr hasst, dass du Panikattacken bekommst?'

Sie kommt also direkt auf den Punkt. Naja, mir solls Recht sein, dann geht es wenigstens schnell. Sie zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich neben mein Bett.

'Kennen sie die Gründe, weshalb ich im Heim bin?'

Ich sehe sie an. Sie nickt.

'Ich habe gerade mit der Heimleiterin telefoniert. Du wurdest misshandelt.'

Ein Schauder überläuft mich, doch ich lasse mir nichts anmerken. Ich nicke.

'Mein Vater ist Arzt. Er hat mich immer von Krankenhäusern ferngehalten. Wenn ich jedoch trotzdem einmal dort war, war er immer unglaublich wütend, dann hat er mich noch viel mehr geschlagen.'

Meine Worte klingen unbeteiligt, doch in meinem Inneren kämpfe ich gegen die Panik an. Eine Träne läuft mir über die Wange, ich kann sie nicht zurückhalten.

Die Psychologin nickt verständnissvoll.

'Ich denke, du wirst jetzt ins Heim gebracht.'

Sie steht auf und verlässt den Raum. Ich schließe wieder die Augen. Wenn sie sich nicht beeilen, hört die Wirkung des Beruhigungsmittels auf und die Angst nimmt wieder Überhand.

*

Als ich endlich wieder im Heim bin, ich hätte nie geglaubt, dass ich jemals froh darüber sein würde, liege ich in meinem Bett und starre die Decke an. Ich erinnere mich an die Worte der Krankenschwester, die gesagt hat, dass ich drei Tage lang nicht aufstehen darf.

Frau Spießgart redet auf mich ein, doch ich höre überhaupt nicht zu. Meine Gedanken wandern immer wieder zu den Geschehnissen des heutigen Tages.

Wieso hat der Junge, dessen Namen ich immer noch nicht weiß, das für mich getan? Ich dachte ich wäre allen egal, außer vielleicht Johanna, aber die gibt sich wahrscheinlich nur mit mir ab, weil es hier niemanden sonst gibt.

'Mia, hörst du mir überhaupt zu?'

Frau Spießgarts Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Widerwillig wende ich den Blick von der Decke ab und sehe sie an.

Sie seufzt.

'Ich habe dir gerade gesagt, dass du die nächsten drei Tage hier liegen bleiben wirst. Deine Zimmergenossinen werden dir etwas zu essen bringen. Deine Krücken stehen neben deinem Bett, um auf die Toilette zu gehen darfst du aufstehen, sonst nicht.'

Sie hat die Sätze so unbeteiligt heruntergeleiert, dass ich mich in dem Gedanken, dass ich allen egal bin bestätigt fühle. Ich spüre, wie sich ein Klos in meinem Hals bildet. Ich schlucke und als sie endlich den Raum verlässt, verwischen Tränen meine Sicht.

Ich höre, wie die Tür geöffnet wird und drehe mich schnell weg. Niemand soll sehen, dass ich weine. Weinen zeigt Schwäche und Schwäche darf ich niemandem zeigen, denn das macht mich angreifbar.

Ich spüre, wie die Matraze an der einen Seite ein wenig nach unten geht. Jemand hat sich neben mich auf das Bett gesetzt.

Schweigen, Stille. Wer ist das? Wieso tut diese Person nichts? Ich widerstehe nur schwer dem Drang mich unzudrehen und zu schauen, wer neben mir sitzt, doch mein nasses Gesicht erinnert mich daran, dass das keine gute Idee ist.

'Wie geht es dir?'

Ich erkenne Johannas Stimme. Sie durchbricht die Stille. Sie klingt ernsthaft besorgt, vielleicht gibt es ja doch Menschen, die es mit mir aushalten und die mich vielleicht sogar mögen.

Langsam drehe ich mich um und sehe sie an.

'Ich weiß nicht, mein Bein tut ein bisschen weh.'

Sie nickt.

'Hast du deswegen geweint?'

Ich schüttele den Kopf. Sie fragt nicht weiter nach, worüber ich sehr froh bin. Sie hat wohl inzwischen gelernt, dass ich wenn ich es will selber erzähle.

Seufzend nimmt sie meine Hand und drückt sie leicht.

'Es gibt gleich Abendessen, ich bring dir dann was mit, ok?'

Ich nicke um nett zu sein, eigentlich habe ich überhaupt keinen Hunger.

Als sie aufsteht, dreht sie sich noch einmal um und lächelt mir freundlich zu, dann ist sie weg und ich bin wieder allein.

Wieso ich?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt