Kapitel 24

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P.o.V. Kōtarō

Keiji war nervös. Seine Hand zitterte in Kōtarōs und er schwitzte. "Es ist nur meine Familie. Mit meinen Brüdern hast du das Schlimmste doch schon hinter dir." Der Meermann seufzte. "Das ist mein Körper, da kann ich nichts gegen tun." Die Eule gab ihm einen flüchtigen Kuss auf den Scheitel. "Beruhige dich einfach, dann legt sich das von alleine." Keiji schnaubte. "Gehen wir?", fragte der Schwarzhaarige. "Du hast deine Schuhe vergessen."
"Die zieh ich nicht an."
"Keiji. Du ziehst dir einen Spreißel ohne Schuhe."
"Pfft, die engen mich ein."
Kōtarō lachte. "Gut, aber beschwer dich später nicht." Keiji lächelte ihn nur bezaubernd an und schob die Bambusmatte vom Eingang. Grinsend folgte das Luftwesen seinem Freund in die kleine Stadt in den Bäumen. Jetzt, in dem sanften Licht der Morgensonne, sah Keiji sich ein weiteres Mal beeindruckt um. Als die Eule den Schwarzhaarigen betrachtete, wie er blinzelnd in die Sonne blickte, barfuß auf den groben Ästen des Baumes, dachte er unwillkürlich, dass Keiji eine perfekte Eule geben würde. Er sieht aus, als würde er hierher gehören. Keiji bemerkte seinen Blick. "Was?" Er lächelte. "Ach nichts. Du bist nur einfach perfekt." Ein leichter Hauch von rot stieg in die Wangen des Meermannes. "Das stimmt doch gar nicht." Kōtarō zog eine Augenbraue hoch. "An deiner Stelle wäre ich mir da nicht so sicher. Komm, die Hütte meiner Eltern ist nur einen Baum weiter." Keiji sah ihn an und schüttelte den Kopf. "Du bist unglaublich." Das Luftwesen grinste sichtlich zufrieden mit sich und kam seinem Freund ein Stück entgegen. "Na, bereit?" Der Meermann schüttelte erneut den Kopf. "Nicht mal annähernd." Er ergriff Kōtarōs ausgestreckte Hand. "Gut.", sagte eine Stimme hinter ihnen. Als die Eule sich umdrehte, sah er seinen Bruder Haruki hinter sich stehen. "Wer bereit ist die Eltern seines Partners kennenzulernen, ist ein Unmensch." Ein Schmunzeln zierte Keijis Gesicht. "Hast wohl Recht." Haruki nickte. "Natürlich habe ich Recht. Lasst uns frühstücken gehen, ich habe Hunger." Kōtarō wuschelte seinem kleinen Bruder durch die Haare. "Dann gehen wir besser." Sie machten sich auf den Weg zum Haus der Eltern, wo die restlichen Familie auf sie wartete. Akinori hatte bereits von der Ankunft Kōtarōs und dessen Freund erzählt. Folglich saßen sowohl seine Eltern als auch Kaori interessiert vorgebeugt an dem großen Tisch auf der Plattform vor der Hütte. "Hallo. Du musst Keiji sein, Akinori hat uns erzählt, dass du mit Kōtarō zusammen hergekommen bist." Seine Mutter stand auf und streckte die Hand aus. "Ich bin Hoshi, seine Mutter. Freut mich." Keiji schien im ersten Moment etwas überfordert. "Freut mich auch." Auch sein Vater stand auf um die Hand des Meermannes zu schütteln. "Takeyuki, der Vater." Ein Nicken von dem Wasserwesen. "Ich bin seine Schwester." Sie stand nicht auf, beugte sich aber so weit vor, dass sie seine Hand erreichte. Keiji lächelte sie an. "Kaori, richtig? Kōtarō hat von dir erzählt. Und Kuroo auch." Sie zog eine Augenbraue hoch. "Tetsuro? Wart ihr lange bei den Katzen?" Kōtarō zuckte mit den Schultern. "Eine Nacht. Lasst uns frühstücken, reden können wir auch später noch."

P.o.V. Keiji

Das Frühstück verlief friedlich. Er versuchte, nicht allzu überrascht auszusehen, als die Familie begann sich über Politik zu unterhalten, sich über die schlechten Verhältnisse der Elementarwesen lustig zu machen, ohne jede negative Bemerkung über andere Wesen. Keine Unterhaltung über das Auslöschen von Meerwesen, kein Gerede über Verwandtschaft, die in den Ruin getrieben werden musste. Ganz normale, etwas kritische Gespräche. So ungezwungen. Nach und nach entspannte Keiji sich und konnte sich hier und da sogar an den Unterhaltungen beteiligen. Es war angenehm, so... harmonisch. Der warme Wind, das großartige Frühstück, alles passte perfekt. Kōtarō neben ihm lachte viel und schien ebenfalls sehr zufrieden. Doch natürlich konnte der Frieden nicht ewig halten. Als die meisten von ihnen satt und glücklich in den Stühlen lehnten, wurden die ersten Fragen gestellt. "Wieso bist du eigentlich mit Kōtarō mitgekommen, was halten deine Eltern davon?" Sofort schlug die Stimmung um. Der Meermann blickte auf seinen leeren Teller und versuchte sich zu sammeln, während Kōtarō nur düster seine Kaffeetasse anstarrte. Die Eulenfamilie hingegen wirkte gespannt auf die Antwort. Das Verhalten der beiden konnte ihnen jedoch unmöglich entgangen sein. Keiji räusperte sich. "Meine Eltern halten nicht viel von Luftwesen." Das war ein jämmerlicher Ausweichversuch. Kaori beugte sich vor. "Also hast du ihnen meinen Bruder vorgestellt und sie haben dich rausgeschmissen?", fragte sie neugierig. Der Mann mit den zweifarbigen Haaren warf seinem Freund einen Blick zu. Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst. Doch er wollte nicht schon mit Geheimnissen die Beziehung zu seinen vielleicht zukünftigen Schwiegereltern aufbauen. Keiji lachte selbstironisch. "So ähnlich. Meine Mutter hat ein Jagdgewehr genommen und auf uns geschossen. Danach war es schwer für mich zurückzugehen, also sind wir für eine Nacht zu den Katzen. Und dann weiter nach hier." Einen Moment herrschte Stille. "Sie hat auf euch geschossen?" Haruki schluckte hörbar. "Tut mir leid. Ich wollte nicht neugierig sein. Du hättest das nicht sagen brauchen, würde meine Mutter auf mich schießen, wäre ich erstmal traumatisiert.", murmelte Kaori entschuldigend. Die Atmosphäre war plötzlich sehr drückend geworden. Der Meermann dachte an die Worte des Eulenmannes, als sie über seine Familie geredet hatten. Ätzend sozial. Das hatte er also gemeint. Er beschloss, die Stimmung etwas zu lockern. "Ich hätte es nicht gesagt, wenn es mir etwas ausmachen würde." Ein weiterer Blick von Kōtarō. Als wenn. Keiji versuchte ein möglichst überzeugendes Lächeln. "Ich hatte ohnehin nie ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern und Geschwister habe ich nicht. Also geht das für mich in Ordnung. Außerdem hatte ich schon mit einer derartigen Reaktion gerechnet." Hoshi, die Mutter, beugte sich vor. "Nimm das jetzt nicht falsch auf, aber... du hast meinen Sohn deinen Eltern vorgestellt, obwohl du schon damit gerechnet hast, dass sie auf euch schießen?" Jetzt sprang Kōtarō ein. "Whoaaa, ganz ruhig. Er hat mich die ganze Zeit über nicht dabei haben wollen wenn er mit seinen Eltern redet, damit für mich keine Gefahr besteht. Es war meine eigene Schuld, dass ich mitwollte." Hoshi schien noch nicht überzeugt, doch Takeyuki nahm ihre Hand und sie entspannte sich etwas. "Trotzdem,", fuhr sie fort. "hat er nicht verhindert, dass auf dich geschossen wurde." Wo sie Recht hatte... "Mama! Er wollte, dass ich das Haus verlasse, während er sich als Ablenkung benutzt, obwohl er wusste, dass sie Psychos sind. Sie haben einen Schrank mit Leichen in ihrem verfickten Schlafzimmer und eine Waffenkammer unter ihrer Eingangshalle! Es war meine Schuld ihm hinterherzurennen, MEINE!" So aufgebracht hatte Keiji ihn noch nie gesehen, nicht mal bei der Sache mit dem Kerl, der ihn in der Gasse verprügelt hatte. Die Zwillinge sahen mit großen Augen zwischen Kōtarō und ihrer Mutter hin und her. Kaori und Takeyuki schwiegen geschockt, scheinbar war er auch hier nie so ausgerastet. Keiji sah wieder auf seinen Teller. Hoshi öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Keiji war schneller. Er legte eine Hand auf die seines Freundes. "Sie hat Recht." Kōtarō sah ihn erstaunt an, in seinen Augen spiegelte sich Wut, Verzweiflung, Verwirrung und Frust. Keiji stand auf. "Ich hätte als erstes dafür sorgen müssen, dass du entkommst. Dann hätte ich mir ein Küchenmesser nehmen und meine Eltern aufhalten müssen. Und wenn ich dabei draufgegangen wäre." Akinori und Kaori sahen ihn ebenso verwirrt und geschockt an wie Kōtarō, doch Haruki hatte verstanden. Einer seiner Mundwinkel zuckte, als er sich das Lachen verkneifen musste. Er schaffte es, und stieg in das Spiel ein. "Ja, wäre wohl das beste gewesen. Wenn du dabei gestorben wärst und schön Lärm gemacht hättest, hätten die Nachbarn sicher die Polizei gerufen." Keiji nickte. Die restliche Familie war nun auch von ihrem Jüngsten verstört und versuchte zu verstehen, was hier eigentlich vorging. Der Meermann ergriff erneut das Wort. "Ja, mit etwas Glück hätte die Polizei meine Eltern dingfest machen können. Und ich hätte wohl eine Beerdigung bekommen." Jetzt begriff auch Takeyuki. Er riss kurz seine Augen auf, machte dann aber sofort mit. "Und Kōtarō wäre entkommen." Hoshi warf ihm einen komischen Blick zu, doch ihr Mann war noch nicht fertig. "Er hätte nur ein lebenslanges Trauma gehabt, weil Keiji beim Sterben doch Lärm machen musste. Also hätte er die Schreie sicher auch in einiger Entfernung gehört." Kaori wechselte einen Blick mit ihrer Mutter. Akinori lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Ja, aber es gibt doch Psychiater." Haruki nickte. "Stimmt. Nach ein paar Jahren hätte er sicher wieder normal schlafen können, trotz dem Wissen, dass sein Freund um ihn zu retten gestorben ist." Einen Moment schwiegen sie. Dann meinte Kaori, die es inzwischen ebenfalls durchschaut hatte: "Schade, dass man die Zeit nicht zurückdrehen kann." Alle, Hoshi und Kōtarō ausgenommen, nickten zustimmend. Kōtarō blickte in die Runde, unsicher, was er von der Aktion halten sollte. Seine Mutter seufzte. "Ist gut, ich hab's verstanden. Ich habe überreagiert und es ist ja nichts passiert." Ein Lachen erklang von über ihnen, tief und laut. Keinen Augenblick später ließen sich zwei große Männer auf die Holzterrasse fallen. "Das war brillant.", sagte der mit der lauten Stimme. Der andere nickte und schlug Keiji auf die Schulter. "Super Show, Kleiner."

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