Kapitel 5

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P.o.V. Bokuto

Das Ferienhaus war beinahe ganz aus Holz gebaut, die ausgeblichenen Dielen im Eingangsbereich zeugten von den etlichen Jahren, in denen Sonnenlicht durch die riesigen Panoramafenster gefallen war. Die hohen Wände waren in verschiedenen Blau- und Grüntönen gestrichen, der Farbverlauf zum Wohnzimmer war zusätzlich mit rosafarbenem Glitzer bestäubt worden. Als Bokuto fragend eine Augenbraue hob, zuckte Akaashi nur mit den Achseln und sagte: "Meine Mutter.", als ob das alles erklären würde. Mit dem Betreten des Hauses hatte der Eulenmann das Meerwesen abgesetzt, so das dieses nun, sich an der Wand abstützend, vor ihm herwankte. Mühsam unterdrückte er das Bedürfnis, den vor ihm Laufenden wieder hochzuheben. Es war geradezu unerträglich für Bokuto den Meermann humpeln zu sehen. "Akaashi, wir sollten etwas gegen die Blessuren tun." Der Andere blieb stehen. "Die was?"
"Die Blessuren! Die blauen Flecke.", fügte er erklärend hinzu. "Oh, ach so. Ja, kann schon sein. Aber als Erstes gehen wir beide duschen." Bokuto sah ihn überrascht an. Diese Formulierung ließ eindeutig zu viel Platz für Interpretationen. Akaashi bemerkte den Blick des Gelbäugigen und sagte schnell: "Wir haben zwei Duschen. Hier," Er öffnete eine Tür zu seiner Rechten und deutete hinein. "Da kannst du duschen. Shampoo steht im Regal, Handtücher sind auf der Kommode. Ich bin zwei Räume weiter, da drüben." Und er zeigte auf eine Tür, die vom Wohnzimmer abging. "In Ordnung. Danke." Bokuto lächelte ihm zu und betrat den Raum. Leise schloss er die Tür hinter sich. Kurz dachte die Eule daran abzuschließen, entschied sich dann aber dagegen. Außer ihm und dem Meermann war niemand im Haus, und Akaashi würde niemals unaufgefordert ins Bad marschieren, solange er noch darin duschte. Der vom Luftvolk sah sich um. Weiße Fliesen verzierten den Boden und die Wände bis auf Schulterhöhe, darüber war die Wand blau und weiß gestreift gestrichen. Eine Toilette, ein Waschbecken, eine Dusche. Außerdem ein Regal und eine Komode, beide im Vintage-Stil gehalten. Alles in allem ein ganz normales Badezimmer, wenn man von der metallenen Reling absah, die sich durch den ganzen Raum zog. Die Dusche war etwas größer als andere Duschen, auch hier ragte das Geländer aus der Wand. Ohne Zweifel war es zum Festhalten gedacht, für Meerleute, die eher selten Festland betraten. Bokuto entledigte sich seiner Badehose und griff sich ein Handtuch sowie die Shampooflasche. Beides war leicht angestaubt, anscheinend kam Akaashis Familie nicht all zu oft her. Nachdem er notdürftig den Staub von dem Handtuch abgeklopft hatte, betrat er die Duschkabine. Er ertappte sich bei dem Gedanken, dass hier drinnen genug Platz für zwei wäre... Nein, er musste sich zusammenreißen! Das war immerhin Akaashis Haus, dem Meerwesen gegenüber war es nicht fair so etwas zu denken. Schnell warf er das Handtuch über die Tür der Kabine und drehte den Wasserhahn auf. Aus den Leitungen kam eine schmutzig braune Brühe, die nach Kupfer roch, und schwemmte eine Flut Staubschlamm in den Abfluss. Vorsichtshalber wartete Bokuto noch einige Minuten in denen er das Wasser laufen ließ, bevor er sich unter den warmen Strahl stellte. Erst, als das Salzwasser zusammen mit der Anspannung von ihm abfloss, merkte Bokuto, wie verspannt er gewesen war. Doch jetzt, unter dem warmen Wasser, holte ihn die Müdigkeit ein. Mit einem leisen Klicken öffnete er die Flasche und atmete den aufsteigenden Duft von dem Shampoo ein. Es war ein ganz normales Männershampoo, mit einem einfachen, beinahe schon neutralen Geruch. Doch für Bokuto roch es bloß nach Akaashi. Während er seine Haare einschäumte, musste er wieder an den Meermann denken. Wie konnte man als Junge nur ein so feminines Gesicht haben? Mit einem Stöhnen legte er sich die Hände über die Augen. Er tat es schon wieder! Wie nur konnte er den Meermann endlich aus dem Kopf bekommen? Das mit ihnen beiden ging doch sowieso nicht. Die Feindschaft zwischen Luft- und Wasserwesen hielt einfach schon zu lange an. Und nur weil er einen von ihnen mochte, würde nicht die ganze Welt mit ihren dummen Kriegen aufhören. Besser, er vergaß das hier ganz schnell wieder und flog nach Hause. So umging er das Problem, bevor es Ernst wurde. Entschlossen wusch Bokuto seine Haare aus und verließ die Dusche. Er würde sich bei dem Meermann bedanken, ihm dann freundlich erklären, dass er nach Hause musste, und die Fliege machen. Oder eher die Eule. Er begann sich abzutrocknen. Alles ganz einfach, ein schneller Abgang, redet er sich ein, während er seine Hose anzog. Er trocknete seine Haare und verließ das Badezimmer. BAM. Ein lauter Knall riss ihn aus seinen Gedanken. Akaashi!, war alles, was Bokuto noch denken konnte.

P.o.V. Akaashi

Akaashi hatte beschlossen zu baden. Es war höllisch anstrengend so lange zu stehen, und wenn man auch sitzen konnte, wozu die Arbeit? Er hatte es auch gut hinbekommen, bis zu dem Moment, als er aus der Wanne wieder heraus musste. Schon zuvor war etwas Wasser über den Rand geschwappt und hatte die Fliesen rutschig werden lassen. Als er nun seinen Fuß auf den glitschigen Boden stellte, dauerte es einen Moment, bis er Halt fand. Nur der Versuch, auch das andere Bein auf den nassen Grund zu stellen, missglückte. Sein Bein rutschte weg und er knallte mit dem Rücken auf die kalten Fliesen. Einen Augenblick blieb ihm die Luft weg und seine Sicht verschwamm. Als er sich gerade wieder aufsetzen wollte, flog die Tür auf. Bokuto sah einen Moment lang auf ihn hinunter, dann griff er sich ein Handtuch und kam näher. Vorsichtig half er Akaashi sich aufzusetzen und wickelte das Handtuch um ihn. Noch ehe der Meermann sich bedanken konnte, hob der Größere ihn hoch und trug ihn aus dem Bad. "Bokuto! Verdammt, ich hab gesagt ich kann alleine gehen!"
"Und ich habe gesagt ich mache mir Sorgen!"
"Ich bin nur ausgerutscht... mir geht es gut."
Bokuto seufzte. Akaashi merkte, wie der Wunsch in ihm aufkam, Bokuto wieder lachen zu sehen. Was war das nur für ein Gedanke? Die Eule trug ihn zum Sofa im Wohnzimmer und setzte ihn ab. "Wo habt ihr Eis?"
"In der Truhe in der Küche. Du musst das nicht machen." Der Eulenmann lief in die Küche. "Was meinst du?" Drang gedämpft seine Stimme aus dem anderen Raum. Der Meermann schloss die Augen und legte seinen Kopf auf die Rückenlehne. "Du brauchst dich nicht um mich zu kümmern." Der vom Luftvolk kam mit einem Eispack wieder. Er kniete sich auf die Dielen vor dem Meermann und legte vorsichtig die Eispackung auf die geschundenen Rippen. Akaashi keuchte leise auf, als das kalte Pack seine Haut berührte. "Tut mir leid, ich hole schnell etwas zum Einwickeln, damit es nicht so kalt ist." Bokuto stand auf und drehte sich um, aber der vom Wasservolk hielt ihn fest. "Ist schon gut. Ich bin es nicht gewohnt, dass man sich Sorgen um mich macht, also bitte, tu nicht so viel für mich. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll." Die Eule sah ihn erstaunt an. "Du musst einfach nur da sitzen bleiben und nichts tun. Mehr erwarte ich nicht."
"Du Idiot. Ich will doch einfach nur, dass du dich zu mir setzt und mit mir redest." Der Eulenmann lachte. "Sag das doch gleich." Er ließ sich zu dem Verletzten auf das Sofa sinken. "Na dann. Worüber willst du reden, Arielle?"

Complete my World (BokuAka)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt