Kapitel 18

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P.o.V Kōtarō

Die Fahrt dauerte nicht lange an, wobei das mehr Tsukishimas rasantem Fahrstil als der tatsächlichen Länge des Weges zu verdanken war. Sie schwiegen die meiste Zeit, Tsukki schmollte noch und Keiji war erneut in seinen düsteren Gedanken versunken. Kōtarō ertrug es kaum ihn so zu sehen, die Augenbrauen zusammengezogen und in weite Ferne blickend, während seine langen, hellen Finger sich in den Stoff der Badehose krallten. Sein Meermann wirkte aufs äußerste gespannt, wie eine Sprungfeder ...oder eine Bombe. Eine falsche Bewegung, ein falsches Wort und er würde in die Luft gehen. Wobei er allerdings nicht wütend wirkte, sondern viel eher traurig. Entschlossen griff die Eule nach der Hand seines Freundes. Dieser schenkte ihm nur ein zaghaftes Lächeln. Sanft fuhr Kōtarō die Linien in Keijis Handinnenfläche nach und beobachtete das unkontrollierte Zucken der Finger, wann immer er eine besonders empfindliche Stelle traf. Unwillkürlich musste er Lächeln, als das Meerwesen nach einem besonders heftigen Zucken seine Hand wegzog und darüber rieb. Schließlich lehnte Keiji sich zurück und nahm selbst die Hand des Vogelmannes. "Kōtarō.", murmelte er leise. Sofort bekam der Ältere Gänsehaut. Noch bevor er etwas erwidern konnte hatte der Meermann den Kopf gedreht und sah zu ihm hoch. Zuvorkommend senkte Kōtarō den Kopf. Doch der Blick des Jungen huschte zu Tsukki, welcher die beiden mit einem gruseligen Funkeln in den Augen im Rückspiegel beobachtete und er drehte sich wieder zum Fenster. Wut keimte in der Eule auf. Natürlich konnte die Brillenschlange selbst nichts dafür, dennoch war er Schuld daran, dass er eben keinen Kuss von seinem Freund bekommen hatte und das ärgerte ihn zutiefst. "Wir sind da.", merkte der Blonde keine fünf Minuten später an. Sie lenkten auf den Parkplatz des Hauses, das um einiges größer war als das der Katzen. Kōtarō half dem Meermann beim Aussteigen. Als erstes kam Hinata aus dem Haus, dicht gefolgt von Kageyama. Der Rest kam kurze Zeit später hinzu. "Tsukki! Frag wenigstens, bevor du meinen Wagen nimmst!"
"Hättest du es mir verboten?"
"Nein."
"Warum regst du dich dann auf?"
"Stimmt. Tut mir leid, Tsukki."
Keiji verfolgte die Unterhaltung von Yamaguchi und Tsukishima mit einem leicht ungläubigen Blick. Ohne Frage hätte er dem Blonden das nicht einfach so durchgehen lassen. Schließlich kamen auch Sawamura und Sugawara. Während der Begrüßung und der kleinen Vorstellungsrunde hatte Kōtarō ausreichend Zeit, seinen Freund zu beobachten, doch durch das Kennenlernen so vieler Personen schien er recht abgelenkt. Zum Glück. "Und du bist echt ein Meermann? Wie cool!" Wie immer war der winzige Spieler der Krähen viel zu leicht zu begeistern. "Kommt, gehen wir rein und essen etwas.", sagte Sugawara.

P.o.V. Keiji

Das also waren die Krähen. Aufgedreht und laut, chaotisch und überschwänglich. Aber nett. Keiji fiel weder ein, wie Kōtarō sie heute morgen genannt hatte: Monster. Er musste lächeln. Sich mit einer so energetischen Gruppe in einem sportlichen Wettkampf zu messen, kam ihm tatsächlich wie Folter vor. Kein Wunder, dass es die Krähen als Monster erscheinen ließ. Laut Kōtarō gehörte dieses Haus Sugawara und Sawamura, die alle Anderen sozusagen bei sich aufgenommen hatten. Deshalb nannten Kuroo und die Eule die beiden auch scherzhaft die "Eltern des Teams". Offenbar spielten sie alle Volleyball. Ein schöner Gedanke, dass dieser Sport in einem so großen Bereich so viele verschiedene Menschen zusammenführte, fand Keiji. Sie aßen gemeinsam, wobei dem Meermann auffiel, was für Unmengen an Nahrung in Vogelwesen verschwinden konnte. "Ruht euch noch eine halbe Stunde aus, dann fahre ich euch weiter.", schlug Sugawara vor. Sie erklärten sich einverstanden. "Keiji. Wir müssen reden." Welch grausamer Satz. Da wusste man sofort, dass ein unangenehmes Gespräch auf einen zukam. "In Ordnung." Er folgte seinem Freund nach draußen, wo sie sich auf eine Bank setzten. Kōtarō sah ihn an. "Was ist los? Du bist schon den ganzen Morgen so komisch drauf. Ist irgendwas passiert?"
Ach, wie er diesen besorgten Blick hasste. Nein, er liebte diesen Blick... manchmal. "Es ist nichts..." Er bemerkte den Blick der Eule und fügte hinzu: "Nichts wichtiges zumindest."
"Willst du darüber reden?"
Über etwas reden um Emotionen anders abzubauen... damit man nicht weinen musste. "Kenma hat mich heute Morgen auf meine Eltern angesprochen."
Kōtarō zuckte zusammen. "Das tut mir leid, ich hätte es Kuroo nicht sagen sollen."
"Schon gut, du kannst da nichts für. Es ist nur so, er sagte, keine normalen Eltern würden auf ihren Sohn schießen. Natürlich weiß ich das, aber es ist trotzdem komisch es laut ausgesprochen von einer außenstehenden Person zu hören. Es hat mich zum Nachdenken gebracht und irgendwie... irgendwie..." Er driftete wieder in seine Gedanken und sah auf den Boden vor sich. "Irgendwie was?", fragte die Eule sanft. "Irgendwie habe ich das Gefühl, sie haben mir etwas genommen.", flüsterte Keiji. "Es ist wie selbstverständlich eine Kindheit zu haben, mit Eltern, die sich um dich sorgen und Freunden und Geschwistern die dich mögen. Aber ich hatte nichts davon. Keine liebenden Eltern, keine umsorgende Familie. Ich habe dir gesagt, ich will nicht mehr Akaashi heißen und stelle mich trotzdem noch mit dem Namen vor. Ich frage mich, ob es der richtige Weg ist sie zu ignorieren, alles was ich von ihnen habe zu hassen. Immerhin habe ich auch die Haare von meinem Vater und die Augen meiner Mutter. Ich könnte die Farbe ändern lassen, aber warum sollte ich? Irgendwie gehört es ja doch zu mir. Eines Tages werde ich mich dem Erbe stellen müssen, vielleicht in einem Jahr oder zwei, aber es wird passieren. Trotzdem habe ich Angst davor sie wiederzusehen, in den Spiegel zu schauen und zu erkennen, was ich von ihnen habe. Ich sollte es akzeptieren, als etwas, das eben zu mir gehört, aber das kann ich nicht." Jetzt sah Keiji seinen Freund doch an. "Kōtarō, ich widere mich selbst an." Die Eule starrte ihn an. "Mich nicht. Mich widerst du nicht an. Ganz egal was du tust oder sagst. Und vergiss die Sache mit dem richtig und falsch. Es sind verschiedene Optionen, keine davon ist falsch. Entscheide selbst, welchen Weg du gehen willst, ich begleite dich auf jedem." Keiji sah ihm direkt in die Augen. "Kōtarō." Die Eule strich ihm die Haare aus dem Gesicht. "Ich liebe dich, Arielle." Und das Herz der kleinen Meerjungfrau zerbarst in tausend Stücke.

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