Kapitel 4

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P.o.V. Bokuto

Er war gerade vor dem Kellner der Pizzaria geflüchtet, der unbedingt Geld für das Essen haben wollte, als er Lärm aus einer der Straßen vernahm. "Du kannst dich noch nicht einmal mehr wehren!", brüllte eine tiefe Männerstimme. Das klang nach Ärger. Wo es Probleme gab, da gab es auch Schaulustige. Sich unter denen zu verstecken war kinderleicht! Schnell lief er in die Gasse. Einen Schlag setzte sein Herz aus, als er die zierliche, schwarzhaarige Gestalt am Boden liegen sah, sich unter Schmerzen krümmend. Der muskelbepackte Typ über ihm riss brutal seinen Kopf nach hinten. Kein Zweifel: der Junge, der gerade gequält die Augen schloss, war Akaashi. Er überwandt die letzten Meter in einem Sekundenbruchteil. Blut rauschte in Bokutos Ohren und ehe er überhaupt wusste was er tat hatte er dem Mann bereits eine reingehauen. Dieser stolperte und stürzte, Blut schoss ihm aus der Nase. Der Schwarzhaarige öffnete die Augen. Einen Moment sah er perplex auf das Bild, das sich ihm bot. Dann sah er den Eulenmann an. "Bokuto!" Obwohl er gerade ordentlich eingesteckt hatte, sah der Meermann nicht fertig aus. Als wäre es ihm eigentlich vollkommen gleichgültig zusammengeschlagen zu werden, weil es ihm ohnehin nichts ausmachte. Die Eule konnte nicht umhin, ihn dafür zu bewundern. "Akaashi. Geht es dir gut?" Er kniete sich vor den Verletzten. Der nickte nur und einer seiner Mundwinkel zuckte leicht. Bokuto starrte auf die Lippen des Mannes, nicht in der Lage sich von dem Anblick zu lösen. Das, war verdammt noch mal, das süßeste Lächeln, das jemals jemand gelächelt hatte! Sein Herz begann schneller zu schlagen. "Was tust du hier? Ich dachte, du musstest irgendwo hin." Akaashi sah ihn an, ein Hauch von Röte stieg ihm in die Wangen, als er antwortete: "Ich wollte mit dir reden." Er wollte mit ihm reden? Bedeutete das...? "Hast du wirklich diese andere Sache nur dafür sausen lassen, um mit mir reden zu können?", fragte er vorsichtshalber noch einmal nach. Der Andere sah stumm weg. Verdammt! Er war so niedlich! "Bokuto, hier sind überall Leute. Wollen wir nicht lieber woanders hingehen?" Oh, da war ja was. Das hatte er ganz vergessen. Noch immer standen die Schaulustigen herum und begafften sie. Der Muskelberg begann auch sich aufzurichten. Die Eule überkam wieder ein Anflug von Hass. Er erhob sich und ging zu dem Typen hinüber. Mit viel Schwung trat er ihn in die Seite. Der Kerl kippte um. "Bokuto, lass ihn.", Akaashis Stimme drang leise zu ihm durch. Sofort drehte er sich zu ihm um. "Wieso? Er hat dich doch auch nicht in Ruhe gelassen." Der Meermann schüttelte nur den Kopf. "Wenn du ihn jetzt schlägst, bist du nicht besser. Außerdem..." Bokuto verstand. "Willst du noch etwas zu ihm sagen bevor wir gehen?" Akaashi nickte und versuchte aufzustehen, knickte aber wieder weg. Die Eule half ihm hoch. Bokuto stützte ihn bis zu dem am Boden liegenden Mann, wo der Meermann in die Hocke ging. "Wissen sie, nur weil jemand wankt, heißt es noch nicht, dass er getrunken hat. Nur weil jemand trinkt, ist er noch kein Alkoholiker. Und nur weil jemand ein Alkoholiker ist, haben sie noch lange kein Recht darauf, ihn zu verprügeln. Ach, und suchen sie sich bitte einen guten Psychiater." Akaashi erhob sich und Bokuto legte einen Arm um ihn, damit er nicht fiel. Nach ein paar Schritten hob der Größere ihn im Brautstyle hoch und trug ihn aus der Gasse. "Lass mich runter, ich kann alleine gehen!"
"Eben nicht! Du kannst schon normalerweise nicht gehen, jetzt bist du auch noch verletzt."
"Bin ich nicht!" Im selben Moment zuckte er zusammen. "A-ahhh,", stöhnte er unter Schmerzen. Bokuto blieb stehen. "Bokuto?" Wortlos setzte der Eulenmann ihn ab. Der Meermann klammerte sich an die breite Schulter, um nicht umzukippen. Das Luftwesen packte den Saum von Akaashis T-Shirt und zog es hoch. "Hey, was tust du da?"
"Du bist verletzt. Deine ganze Brust ist blau!" Er deutete auf den Bauch des Wasserwesens, auf dem sich tatsächlich bereits dunkel ein Fußabdruck abzeichnete. Der Verletzte schwieg. "Komm auf meinen Rücken." Der Größere drehte sich um, damit der Andere aufsteigen konnte. Bokuto spürte, wie sich die Arme um seine Schultern legten. Vorsichtig, um ihm nicht wehzutun, nahm er die Beine des Meerwesens und zog ihn auf seinen Rücken. Stumm setzten sie sich in Bewegung.

P.o.V. Akaashi

Der nackte Rücken des Mannes war warm und es war so angenehm sich an ihn zu lehnen. "Wohin bringst du mich?", fragte Akaashi müde, als sie durch die Straßen liefen. "Wir müssen das kühlen, ich suche einen Ort mit Eis." Die Stimme des Eulenmannes war leise, als er antwortete. "Bokuto, meine Familie hat ein Ferienhaus an der Küste. Wir können da hingehen und..."
"Sag sowas doch früher!" Der Große klang nicht böse oder genervt als er antwortete, nur war da etwas in seiner Stimme. Ein Unterton, den er noch nie gehört hatte. Was konnte das sein? "Was ist los?", fragte der Meermann vorsichtig. Der Andere seufzte. "Nichts. Ich mache mir nur Sorgen." Sorgen? Um ihn? "Wo lang müssen wir?"
"Immer die Straße entlang und dann... ach, ich sage dir schon, wenn wir abbiegen müssen." Einen Moment lang schwiegen sie beide. Dann wollte Akaashi es doch wissen: "Machst du dir wirklich Sorgen um mich?" Bokutos Stimme klang bitter, als er die Antwort gab. "Natürlich mache ich mir Sorgen. Ich bin nur froh, dass er dich noch nicht geschlagen hatte als ich kam. Wenn deinem Kopf irgendetwas passiert wäre... wenn er deinem hübschen Gesicht etwas angetan hätte... das hätte ich ihm nicht verzeihen können." Hübsches Gesicht? Und überhaupt, reagierte der Eulenmann nicht etwas heftig? Immerhin kannten sie sich doch erst seit heute. Aber auf der anderen Seite musste Akaashi zugeben, dass es ihm auf gewisse Weise gefiel. Es war schon sehr lange her, dass jemand sich wirklich um ihn gesorgt hatte. Ihm war noch nicht einmal bewusst gewesen, wie sehr er es vermisst hatte jemanden zu haben, dem ernsthaft etwas an seinem Wohlbefinden lag. "Akaashi?"
"Hm? Oh, rechts." Sie bogen ab.
"Danke, aber das meinte ich gar nicht."
"Was dann?"
"Also, ich weiß, das klingt sicher komisch, weil wir uns erst seit heute kennen, aber..." Der Junge mit den zweifarbigen Haaren atmete tief ein. Oh, jetzt kommt's, dachte Akaashi.
"Ich mag dich. Wirklich. Keine Ahnung woran das liegt, könnte auch einfach sein, weil du mich gerettet hast, aber ich bekomme dich nicht mehr aus meinem Kopf. Ich wollte nur, dass du das weißt, das ist auch schon alles." Bokuto mochte ihn also. Er musste immer an ihn denken. Vielleicht lag es wirklich nur an der Rettung. Vielleicht... Akaashi legte den Kopf auf Bokutos Schulter, der kurz zusammen zuckte. "Okay.", sagte er einfach. Er wusste noch nicht, was das bedeutete, also würde er sich nicht weiter darüber aufregen. Etwas kitzelte ihn am Ohr. Er hob die Hand um darüber zu fühlen. "Bokuto? Du hast nicht geduscht seit du im Meer warst, oder?"
"Nein, wieso? Riecht man das?", fragte er erschrocken. Der Meermann lachte leise.
"Das ist es nicht, deine Haare sind nur ganz starr vor Salz und deine Haut klebt. Du kannst bei mir zu Hause duschen, wenn du willst."
"Ja, danke." Es wurde still zwischen ihnen. Aber es war nicht diese unangenehme Art von Stille, sondern eine ruhige, friedvolle Atmosphäre, in der es nicht nötig war, etwas zu sagen. Der gleichmäßige Atem von Bokuto hatte eine geradezu einschläfernde Wirkung auf Akaashi. Entspannt legte er seinen Kopf in die Halsbeuge des Anderen. Dann fiel ihm etwas ein: "Danke. Für die Rettung." Der Größere lachte leise und strich mit seinem Daumen sanft über das Bein des Meermanns, was diesem einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. "Keine Ursache, ich war dir ohnehin noch etwas schuldig."

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