5. Du hasst ihn!

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°○ Leon ○°

"Du konntest da nichts für", wiederholte ich.
Maria schwieg.
Aber was sollte sie auch sonst tun? Wieso sollte sie mir glauben?
Dieses Schwein hatte ihr jahrelang das Gegenteil eingeredet, hatte ihr gesagt, dass sie selber schuld war, dass sie ihm nicht fleißig genug gewesen war, nicht ordentlich und nicht sauber genug.
Nicht lieb genug. Bei diesem Gedanken wurde mir wieder übel.
"Gib dir noch ein bisschen Zeit, dann lebst du dich hier schon ein", sagte ich und gab Maria ein Taschentuch. "Bist ja auch gerade erst eingezogen, da ist das ja auch alles erst neu."
"Ich werde mich hier nicht einleben", sagte Maria. "Ich werde mich hier nie einleben! Das könnt ihr vergessen!"
"Warte doch erst mal ab! Das wird schon alles", meinte ich und wollte Maria wieder umarmen, da stieß sie mich weg.
"Jetzt lass mich doch mal!"
"Okay... tut mir leid."
"Nein... schon gut. Ich... kann das nur gerade nicht."
Maria, stand auf und lief zum Fenster.
"Das ist aber nicht gegen dich", meinte sie, während sie mir den Rücken zudrehend in den Garten blickte. "Zwischen uns ist alles gut, also... ich meine, wegen mir."
"Ja... wegen mir ist auch alles gut zwischen uns."
Aber es ist anders, fügte ich in Gedanken hinzu und sah rüber zu Maria, die hatte wieder angefangen zu weinen, während sie von heftigen Schluchzern am ganzen Körper geschüttelt wurde.
Was sollte ich jetzt tun? Sollte zu ihr rüber gehen? Sollte ich hier auf dem Bett sitzen bleiben und... einfach gar nichts machen? Oder sollte ich gehen?
Was wollte sie von mir?
"Soll ich vielleicht mal einen Betreuer holen?"
"Nein."
"Aber-"
"Scheiße, jetzt lass mich einfach!"
"Hey, kommt-", begann Eileen zu reden, kaum, dass sie in den Raum geplatzt war, stockte dann aber gleich, als sie Maria erblickte. "Alter, was geht denn hier ab? Habt ihr Stress, oder-'
"Nein!", fiel ich ihr ins Wort. "Das ist jetzt auch gar nicht deine Sache!"
"Schon klar."
"Und was stehst du hier dann jetzt noch?"
"Ja... keine Ahnung." Eileen musterte Maria noch etwas, dann zuckte sie die Achseln. "Ich sollt euch halt nur sagen, dass jetzt Teezeit ist."
"Gut", sagte ich. "Wir kommen gleich."
"Gut", meinte Eileen, überlegte dann noch etwas zu sagen, ließ es dann aber bleiben und verließ den Raum.
Maria wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen vom Gesicht. "Du kannst ruhig schon vorgehen."
"Ich warte lieber auf dich", erwiderte ich. "Oder soll ich besser gehen?"
"Ja... wenn du willst... Tut mir leid." Maria schnäuzte sich. "Ich... will dich auch nicht nerven."
"Das tust du doch auch nicht."
"Ich kann verstehen, wenn du auf sowas keinen Bock mehr hast."
"Ja... wer hat denn auch Bock auf so ne Scheiße? Hast du doch auch nicht."
"Ich kann mir das ja nur nicht aussuchen."
"Ich weiß."
"Das kommt immer einfach so."
"Ist doch okay", meinte ich. "Willst du dich jetzt mal wieder zu mir setzen?"
Maria drehte sich zu mir um, musterte mich einen Moment, kam dann langsam zum Bett zurück und setzte sich.
Sie wirkte erschöpft, dafür aber jetzt auch merklich entspannter, als vorher, als hätte sich durch das Weinen ein Knoten in ihr gelöst.
"Komm mal her!" Ich streckte den Arm nach ihr aus, daraufhin rückte Maria noch etwas näher zu mir auf, so dass ich sie in den Arm nehmen konnte.
"Wir können ja demnächst mal wieder ins Kino gehen", meinte ich dann, nachdem ich sie einen Moment lang einfach nur so gehalten hatte. "Oder ins BEZ, ein bisschen durch die Läden gucken." Ich küsste sie. "Dann kommst du mal auf andere Gedanken."
"Ja", meinte Maria. "Das wäre schön."
"Und bis Silvester dauert es ja auch nicht mehr lange."
"Ja, hoffentlich klappt das auch, dass ich dann mitfeiern darf."
"Bestimmt." Ich löste meine Umarmung und sah Maria an. "Wollen wir jetzt mal zu den anderen gehen?"

°○°

Die Küche war groß und sah sehr freundlich aus mit einer hellen Kochnische in der einen Ecke sowie ein farblich darauf abgestimmter langen Esstisch mit vielen Stühlen drum herum.
Der Koch- und der Essbereich waren durch eine große Arbeitsfläche mit Schubladen darunter voneinander getrennt. Und während die eine Wand fast völlig aus großen Fenstern bestand, wurden die anderen von kleinen Schränken eingenommen, darüber hingen Bilder.
Eins davon zeigte einen kleinen weißen Hund mit Sonnenbrille auf der Hängematte, ein anderes war eine Collage, ähnlich derer aus dem Flur, wobei diese aus Fotos bestand, auf denen alle Kinder und Betreuer verkleidet waren und albern in die Kamera grinsten. Auf einem dritten Bild stand ein Spruch geschrieben:

Vogelscheuche und Gürtelschnalle - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt