°○ Leon ○°
"Überleg dir das noch mal!"
"Da gibt's nichts zu überlegen", sagte ich, nahm mir eine Zigarette aus der Tasche und steckte sie mir zwischen die Lippen. "Ich hab keinen Bock mehr auf die Scheiße!"
"Jetzt nur wegen Maria?"
Ich antwortete ihm nicht, gleichzeitig drängten sich Bilder in meinen Kopf. Sabine weinend auf den Fließen sitzend, das Gesicht in den Händen verborgen, während Richard sie anbrüllte. Minchen, die dazwischen gehen wollte, dabei zunächst in Tränen ausbrach und dann wie von Sinnen zu toben begann, weil ich sie mit mir nach draußen trug.
"Leon los!"
"Du bleibst bei mir!"
"Mama helfen!"
"Komm jetzt mit!"
Manuel hatte sich natürlich wieder mal rechtzeitig aus dem Staub gemacht. Der Schisser!
Aber wir hatten trotzdem Glück gehabt. Oder besser gesagt, das richtige Timing erwischt.
Immerhin musste ich morgens zur Schule und Minchen musste vorher in den Kindergarten. Und dann kam ja noch der ganze Ansturm von Kunden, welche vor der Arbeit noch tanken und sich ein Frühstück holen wollten.
"Was war denn jetzt genau?", fragte Mehmet weiter, der müsste nun eigentlich schon längst im Unterricht sitzen, deswegen wollte ich die Sache jetzt auch nicht unnötig in die Länge ziehen.
"Halt das übliche...", antwortete ich deswegen, ohne dabei wirklich auf Mehmets Frage einzugehen und nahm dabei einen herrlich langen Zug von meiner Zigarette. "Du kennst doch Maria. Die macht immer irgendeinen Stress."
"Ja... das stimmt wohl", meinte Mehmet. "Weiß ich auch nicht, wie du das dauernd aushältst."
"Heute pack ich das auf jeden Fall nicht. Da brauch ich erst mal Ruhe. Also..." Noch eine Lunge voll Rauch. Das tat gut! "Krieg ich jetzt den Schlüssel?" Ich streckte die Hand aus, daraufhin ließ Mehmet ihn gleich hineinfallen.
"Was hast du Günther erzählt?"
"Dass mir schlecht ist."
"Ist dann aber doch komisch, dass du damit überhaupt hergekommen bist."
"Ja... ich hab's versucht. Und dann hab ich halt gemerkt, dass es doch nicht geht", erklärte ich und zuckte mit den Schultern. "Das erspart mir jetzt wenigstens den Arztbesuch."
"Wieso? Da musst du doch trotzdem hin. Wie immer, wenn du fehlst."
"Nicht, wenn Günther mich selber nach Hause schickt."
"Als ob er das macht!"
"Das hat er!", sagte ich. "Dieses Wochenende ist doch das Rückspiel gegen Telstede."
"Ah ja... da musst du natürlich wieder fit für sein."
"Isso!" Ich grinste.
Mehmet schüttelte den Kopf, dann lachte er. "Du kommst auch immer mit allem durch, kann das sein?"°○°
Als ich mich wenige Minuten später im Spiegel betrachtete, konnte ich mich wieder mal nur wundern.
So fit, wie ich gerade aussah, konnte es mir doch unmöglich schlecht gehen!
Aber ich fühlte mich so.
Übel war mir zwar nicht, aber dafür hatte ich Kopfschmerzen des Todes und von meinem Rücken wollte ich gar nicht erst anfangen.
Hinter mir hustete jemand.
"Wer ist da?", fragte ich und blickte an meinem Spiegelbild vorbei zu den Toilettenkabinen.
"Hallo?"
Keine Antwort.
"Jetzt tu nicht so!Ich hab dich doch gehört!"
Immer noch Schweigen, dafür ein weiteres Husten, diesmal zwar gedämpft, dafür nun aber ein richtiger Anfall.
"Alter!" Ich lachte. "Jetzt erstick mal nicht dran!", sagte ich, lief auf die Toilettenkabine ganz rechts an der Festerseite zu und betrachtete sie nun eingehender. Von dort her kam das Husten, nur komisch, dass im Spalt zwischen Tür und Boden überhaupt nichts zu sehen war.
"Musst du gleich kotzen?"
Schweigen.
"Ich kann dir ja schon mal die Haare halten", fügte ich hinzu, wartete erneut ab, doch weiterhin gab sich der Hustende nicht zu erkennen.
"Oder du kommst raus und trinkst ein bisschen was."
Wer versteckte sich da in der Kabine?
"Vielleicht geb ich dir auch eine Zigarette", meinte ich und zündete mir dann selber noch eine an. "Wer weiß, manchmal bin ich ja auch nett."
Einen Moment lang lehnte ich mich noch an die Kabinentür, überlegte. Sollte ich mal einen Blick da reinwerfen?
So langsam machte mich das jetzt ja neugierig.
"Musst du nicht schon längst im Unterricht sein?"
Ja, schon mindestens seit ner Viertelstunde, beantwortete ich mir die Frage selber nach einem Blick auf mein Handydisplay und überlegte dann weiter. Als mir eine Idee kam.
Ich grinste.
Das würde lustig werden.
"Na gut... Ich muss jetzt auf jeden Fall los."
Ich lief zurück zum Waschbecken, machte mir die Hände nass und fuhr mir damit durch die Haare.
"Also dann... gute Besserung!"
Ich verließ ich die Jungstoilette und ließ die Tür ins Schloss fallen. Lief dann ein paar Schritte den Korridor entlang. Schlich als nächstes zurück. Und wartete.
Keine fünf Minuten später folgte mir jemand aus dem Klo.
Es war Eddie.
"Darauf hätte ich ja wetten können!", meinte ich, packte Eddie am Arm, kaum, dass er rausgekommen war, und drückte ihn gegen die Wand.
"Mein lieber Freund." Ich nahm einen Zug von meiner Lucky und pustete ihm den Rauch ins Gesicht. "Willst du mir keinen guten Tag wünschen? Schön, dich zu sehen? Irgend sowas?"
Ein zweiter Schwall Rauch. Jetzt hustete Eddie wieder.
"Uiuiui! Das hört sich ja gar nicht gut an!", sagte ich. Und pustete ihm eine weitere Ladung entgegen.
Eddie wollte etwas sagen, schaffte es jedoch nicht.
"Vielleicht sollten wir ja mal an die frische Luft gehen."
Noch mehr Rauch. Der Husten wurde schlimmer.
"Was meinst du?"
"Lass mich!"
"Wie bitte?", fragte ich. "Sprich mal lauter!"
Diesmal ließ ich Eddie zuende husten. Er räusperte sich. "Lass mich in Ruhe!"
Ich zog in gespielter Verwunderung die Brauen zusammen. "Was mach ich denn?"
"Das weißt du ganz genau!"
"Ich tu dir doch nichts."
Eddie versuchte sich aus meinem Griff zu lösen, da presste ich ihn noch härter gegen die in weiß und hellblau gestrichene Wand hinter ihm.
"Jetzt wehr dich nicht!"
"Lass mich los!"
"Das ist doch anstrengend!"
"Leon, ich-"
"Entspann dich mal!", unterbrach ich ihn. "Was stimmt denn nicht mit dir? Versteckst dich vor mir auf dem Klo, hustest wie nichts gutes und dann kotzt du auch noch alles voll!"
"Ich habe nicht gekotzt!"
"Ja... Bis jetzt noch nicht", meinte ich und rammte Eddie dann die Faust in den Bauch. "Aber das kann ja gleich noch kommen!"
Eddie krümmte sich zusammen. Und begann zu keuchen.
"Alter! Wie so ein Hund!", lachte ich und machte es ihm nach. Nur dass ich Hunde natürlich niemals treten würde, dachte ich, legte einen Arm um Eďdie. Und rieb ihm die Schulter.
"Alles gut? Sollen wir gleich noch mal was anderes ausprobieren?" Kaum, hatte ich meine Frage ausgesprochen, trat ich auch schon zu, so schnell, dass es Eddie von den Füßen riss. "Das war doch noch ganz nett, oder?", fragte ich. "Hab ich ja gesagt, manchmal hab ich auch meine guten-"
"Sag mal, spinnst du? Geh sofort von Eddie weg!", rief Eileen und zwänge sich zwischen uns beiden, keine Ahnung, wo die jetzt auf einmal hergekam.
"Einfach so auf wehrlose Menschen einzuschlagen! Ich glaub, es hakt bei dir!"
"Misch du dich da mal nicht ein!", herrschte ich sie an. "Das ist ne Sache zwischen Eddie und mir!"
"Ach ja?", konterte Eileen, baute sich nun in voller Größe vor mir auf und stemmte beide Hände in die Hüften. "Das glaub ich ja eher nicht!"
"Ist mir scheißegal, was du wohl glaubst!"
"Verpiss dich!" Sie funkelte mich böse an.
Ich erwiderte ihren Blick.
Scheiße, was glaubte diese Nutte denn, wer sie war?
Superwoman?
Die könnte ich doch ungespitzt in den Boden rammen, wenn ich wollte! Da könnte sie gar nicht gegen gucken, dann wäre sie schon-
"Bist du taub? Ich hab gesagt, du sollst dich verpissen!", fuhr Eileen mich wieder an, da grinste ich.
"Was für ein Glück für dich, dass ich keine Mädchen schlage!"
"Versuch es ruhig!", sagte Eileen. "Dann wirst du sehen, was passiert."
"Ohaa! Soll mir das jetzt Angst machen?"
Eileen antwortete mir nicht, starrte mich einfach nur an mit so einer Art Möchtegern-Psycho-Blick.
Den hatte Maria auf jeden Fall besser drauf. Aber die musste das ja auch nicht spielen, überlegte ich. Die war wirklich so, wenn sie ihre bekloppten Minuten hatte.
"Fehlt jetzt ja nur noch die Kettensäge." Ich gähnte. "Aber okay, weißt du was? Ich find dich ja ganz nett so, also... machen wir da jetzt mal keine Show von. Komm Eddie!" Ich zog Eddie wieder auf die Beine. "Unterhalte dich mal noch ein bisschen hier mit deiner Freundin! Kannst ja froh sein, dass du sie hast", meinte ich, rieb ihm noch etwas die Schulter und ließ die beiden dann stehen. "Man sieht sich!"
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Vogelscheuche und Gürtelschnalle - Teil 2
Novela JuvenilEndlich hat Maria es offenbart. Das Geheimnis, welches so lange schon ihr Leben bestimmt. Jetzt ist alles anders. Aber ist es auch besser? *~~•~~* Fortsetzung von: Vogelscheuche und Gürtelschnalle, Teil 1: Offene Wunden *•~~• MARIA •~~•* Ich wollt...