°○ Leon ○°
"Wasch dir die Seife ab und fertig!", schimpfte ich, während Maria ihr Gesicht jetzt fest in meiner Brust vergrub und schluchzte, nur gedämpft durch den Wollstoff meines Mantels.
"Entspann dich, Süße!" Ich streichelte sie. "Einfach laufen lassen! Das ist gut für die Augen! Dann werden die auch mal geduscht." Mit der freien Hand zog ich mein Handy aus der Tasche und warf einen Blick darauf.
Scheiße!
Nur noch sieben Minuten, bis der nächste Bus kam und meine Freundin hatte hier mal wieder alle Schleusen offen!
Das würden wir nicht schaffen!
"Tut mir leid!"
"Das musst du nicht sagen, Süße!" Ich gab Maria einen Kuss auf dem Kopf. "Du kannst doch nichts dafür!"
"Ich m-uss m-mich besser z-zusamnenreißen."
"Musst du überhaupt nicht!" Wäre aber schon irgendwie praktisch, gerade, fügte ich in Gedanken noch hinzu. Und fühlte mich direkt wie der letzte Arsch dabei.
Zum Teufel! Was war ich überhaupt für ein Freund?
"Geht am b-besten einfach ohne mich nach H-Hause!", weinte Maria. "Sonst kriegt ihr n-nur Ärger wegen m-mir."
"Ich lass dich jetzt nicht allein!"
"A-Aber dann verpr-rügelt dein V-Vater dich wieder! Und sch-perrt dich ein!"
"Ja, und? Soll er machen!"
"I-ich will da n-nicht Schuld dr-ran sein."
"Das bist du auch nicht."
Eine Weile lang tröstete ich Maria noch, dann löste ich meine Umarmung.
"Geht's jetzt wieder besser?" Ich suchte ihren Blick.
Maria wich mir aus. Schniefte und wischte sich mit den Händen über die Wangen.
"Spül dir mal das Gesicht ab! Das ist noch ganz rot." Und verheult, dachte ich, vor allem die Augen. Das war nun wirklich kein Bild, das Maria abgeben sollte, wenn wir gleich auf Richard träfen. Der würde sich da nur wieder irgendeine Geschichte zurecht spinnen, in der ich meine Freundin geschlagen oder wenigstens so lange gequält hatte, bis sie schließlich in Tränen ausgebrochen war.
Maria trat ans Waschbecken und klatschte sich dort mehrere Handvoll Wasser ins Gesicht. Als sie damit fertig war, empfang ich sie gleich mit einem Stoß Papierhandtücher, trocknete sie damit ab und hielt ihr als nächstes noch zwei davon vor die Nase: "Komm jetzt, schnauben!"
Maria zögerte, dann tat sie es.
"Tüchtig!", forderte ich, da blies Maria ein zweites Mal geräuschvoll in die Tücher. Und schließlich noch ein drittes Mal.
"Super!", lobte ich sie und wischte ihr die Nase ab. "Das war ja mal wieder nötig!" Ich schmiss die Tücher weg, strich ihr dann wieder über den Rücken.
"Willst du jetzt noch auf Toilette?"
Maria nickte.
"Dann geh!"
An dieser Stelle zögerte sie wieder.
"Was ist?", fragte ich.
Maria biss sich auf die Lippe.
"Komm, sag!", drängte ich sie.
"Ja... ähm... könntet ihr beiden dann... vielleicht schon mal rausgehen?" Maria verdrehte die Augen, fuhr dann noch leiser fort: "Ich mag nicht auf Toilette gehen, wenn andere dabei sind."
"Okay..."
"Das ist auch albern, ich-."
"Nee, ist doch gut!", unterbrach ich sie, wobei ich mich so langsam echt mal fragte, wie verklemmt ein Mensch sein konnte.
Meine Fresse, für was wollte dieses Mädchen sich denn noch alles schämen? Fürs Atmen, vielleicht?
"Komm, Minchen! Wir warten draußen."°○°
Ich sah den Bus an uns vorbeifahren. Was für eine Scheiße, dachte ich und zündete mir eine Zigarette an.
"Haben Bus verpasst", sagte Minchen. "Jetzt wird Papa böse."
"Nein, das wird schon", beruhigte ich sie und wuschelte ihr durchs Haar, während ich einen ersten herrlichen Zug von meiner Lucky nahm. "Ich überleg mir was, okay?"
"Was überlegst du?"
"Lass mich mal eben kurz!"
"Doofe Baby, immer Heulen!'
"Da kann Maria nichts für", sagte ich. "Und sie ist auch kein Baby."
"Ist sie wohl!"
"Minchen... jetzt hör mal auf, bitte!"
"Aber-"
"Du weinst selber oft genug! Und, bist du deswegen ein Baby?"
"Nein!"
"Siehst du?" Ich zog abermals an meiner Lucky, hielt den Rauch jetzt extra lange in den Lungen. Und stieß ihn dann wieder aus. "Dann musst du sowas auch nicht sagen. Das macht Maria traurig."
"Ist mir egal!"
"Sie ist meine Freundin!", betonte ich. "Und du bist nett zu ihr!"
Minchen verkniff das Gesicht.
"Haben wir uns verstanden?" Ich sah sie an.
Minchen hielt meinen Blick fest. Dann stieß sie ein zerknirschtes Stöhnen aus.
Ich beantwortete es mit einem Grinsen, zog als nächstes mein Handy aus der Tasche und rief bei Mehmet an.
Es klingelte zweimal, dann nahm er das Gespräch schon an.
"Hi. Was gibt's?"
"Ich hab da ein Problem", sagte ich.
"Was für ein Problem?", wollte Mehmet wissen.
"Diese Jugendamtsfotze ist bei uns Zuhause, unangemeldet, und ich komme da so schnell nicht hin."
"Wo bist du denn?"
"Beim BEZ", antwortete ich. "Also, wir stehen draußen."
"Wer ist wir?"
"Minchen und ich. Und Maria ist auch dabei."
"Wieso nehmt ihr nicht den Bus?"
"Das wollten wir ja, aber wir haben ihn verpasst."
"Verstehe", meinte Mehmet. "Und jetzt willst du bestimmt fragen, ob Melanie euch fahren kann."
"Geht das?"
"Wart mal eben!" Eine kurze Pause. "Ich geb sie dir... Hallo? Leon? Was gibt's denn?", meldete sich Melanie am anderen Ende der Leitung.
"Hi. Ich, ähm... könntest du uns, also, ich meine Maria, Minchen und mich vielleicht zu mir bringen? Wir sind beim BEZ und haben den Bus verpasst und ich muss... also, ich meine, wir haben gerade unangemeldet Besuch von der ollen Tusse vom Jugendamt und der nächste Bus kommt erst ungefähr in zwanzig Minuten."
"Achso... ja, das sollte ich noch schaffen", sagte Melanie. "Da müsstet ihr aber so direkt ins Auto springen, wenn ich komme."
"Ja, klar!"
"Ich muss nämlich auch zur Arbeit. Dann wird das ziemlich knapp in der Zeit."
"Kein Problem, das kriegen wir hin." Ich lächelte. "Vielen Dank!"
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Vogelscheuche und Gürtelschnalle - Teil 2
Fiksi RemajaEndlich hat Maria es offenbart. Das Geheimnis, welches so lange schon ihr Leben bestimmt. Jetzt ist alles anders. Aber ist es auch besser? *~~•~~* Fortsetzung von: Vogelscheuche und Gürtelschnalle, Teil 1: Offene Wunden *•~~• MARIA •~~•* Ich wollt...