°○ Eduard ○°
Es war Sonntag, dementsprechend also ein ziemlich langweiliger Tag, den ich hauptsächlich damit verbracht hatte, zu Lernen und anschließend mehrere Folgen meiner Lieblingsserie Dexter durchzubingen.
Maria hatte heute keine Zeit, um etwas mit mir zu uternehmen, die wollte sich lieber mit Leon treffen. Das hätte ich mir genauso gut denken können, aber ich hatte sie natürlich trotzdem gefragt.
"Wir machen heute Sport", hatte Maria mir am Telefon erzählt. "Also Leon will mir da ein bisschen bei helfen. Damit ich da ne bessere Note drin bekomme."
"Aha..."
"Ja... ich steh da im Moment nicht so gut."
"Okay... und deswegen will Leon dir da jetzt Nachhilfe bei geben?"
"Genau. Also so'n bisschen trainieren ab und zu", hatte Maria gemeint. "Zum Fußball soll ich dann auch mal mit."
"Okay..."
Das könnte ja heiter werden, hatte ich gedacht, wenn Leon Maria erst mal über den Platz scheucht. Und sie dann, in seiner ach so feinfühligen Art, vor der ganzen Mannschaft abkanzelt, sobald sie nicht so spurt wie er es will. Da wäre das nächste Theater doch vorprogrammiert. Maria würde sich zu Tode schämen. Würde Leon eine Szene machen. Und wer wäre hinterher, sobald sie beide im Streit auseiander sind, dann da um sie zu trösten?
Ich grinste, nahm mir noch eine Handvoll Chips, stopfte sie mir in den Mund und lief dann aus meinem Zimmer um mir noch eine Flasche Cola zu holen.
Im Haus war es still.
Meine Mutter schlief, schien im Moment gar nichts anderes mehr zu tun. Aber das war ja auch zu erwarten gewesen, überlegte ich, nachdem sie vor gerade einer Woche noch pausenlos wach gewesen war. Und die meiste Zeit dabei geweint, manchmal auch geschrien hatte.
Ich wusste, um ehrlich zu sein gar nicht, was ich noch mehr hasste. Diese lauten Phasen oder die stillen. Es schnürte mir beides den Hals zu.
In der Küche öffnete ich den Kühlschrank, in dem war außer einer halben Pizza von gestern, etwas Joghurt und Fleischsalat nicht mehr viel drin. Auf jeden Fall keine Cola, stellte ich fest, machte die Tür wieder zu und wandte mich dann in Richtung Keller. Hier gerieten im Gegensatz zum Rest des Hauses kaum irgendwelche Sonnenstrahlen hinein, da das einzige Fenster ein klitzekleines hinten in der Ecke war, welches schon seit keine Ahnung wie lange niemand mehr geputzt hatte. Jetzt gerade lag der Raum dank des wolkenverhangenen Himmels in völliger Dunkelheit.
Ich betätigte den Lichtschalter. Die alte Deckenlampe mit ihrem staubverkrusteten Schirm glühte einmal kurz auf. Und erlöschte dann schon gleich mit einem leisen Knall.
Na schön, dachte ich. Dann eben-
Es klingelte. Wer sollte das jetzt sein?
Ich lief zur Tür, öffnete.
"Was willst du hier?"
"Nur gucken, ob du da bist", antwortete Eileen und grinste. "Wie geht es dir?"
"Ich hab jetzt keine Zeit."
"Wieso nicht?"
"Weil ich beschäftigt bin?"
"Mit was denn?"
"Ist doch egal!"
"Dann kann es ja nicht so wichtig sein."
Ich sah sie an. Seufzte. "Hat Leon dir gesagt, dass du herkommen sollst?"
Eileen lachte. "Erstens, warum sollte er und zweitens seit wann mach ich das, was andere mir sagen?"
"Na ja... du bist jetzt hier, von daher... muss dir wohl jemand verraten haben, wo ich wohne."
Eileen schwieg, grinste nur wieder.
"Also hat Leon es dir gesagt?", fragte ich.
"Das Telefonbuch hat es mir gesagt, wenn du es genau wissen willst."
"Ja super!" Ich verdrehte die Augen.
"Darf ich jetzt reinkommen?"
Ich zögerte, dann seufzte ich wieder. "Meinetwegen."
Eileen trat ein, ließ ihren Blick dann direkt durch den Flur wandern, wobei ich mich schon ärgerte, die Türen der angrenzenden Räume nicht verschlossen zu haben, und zog sich ihren Mantel aus. "Nett hier!"
"Danke."
Ein unangenehmes Schweigen entstand, in welcher Eileen wie selbstverständlich ihren knallroten Steppmantel an die Garderobe hängte, so dass sie jetzt in einem nicht weniger auffälligen Oberteil dastand: Einem übergroßen eisblauen Wollpullover mit groben Strickmuster und derart weit geschnittenem Kragen, dass er den Blick auf die Träger ihres schwarzen BHs frei gab.
"Zeigst du mir dein Zimmer?" Erneut verzog sich Eileens Gesicht zu einem, nun spöttischen, Grinsen. "Oder bist du dafür zu schüchtern?"
"Nein!", sagte ich, schon hörbar empörter als ich wollte, das brachte Eileen zum Lachen.
"Hattest du schon Mädchen da?"
"Maria war schon öfter hier." Zweimal, um genau zu sein, fügte ich in Gedanken hinzu. Das konnte man jetzt genau genommen nicht gerade als öfter bezeichnen. Aber da ging ja auch niemandem was von an, am allerwenigsten noch dieser frechen Göre da!
"Wundert mich, dass Leon ihr das erlaubt hat", meinte Eileen, nahm einen Pflegestift aus der Tasche ihrer Jeans, dessen Stoff an der Unterseite der Beine wie abgerissen aussah, und zog sich damit die Lippen nach.
"Ich geb Maria Nachhilfe", erklärte ich. "In dem Fall ist es für ihn in Ordnung."
"Und in den anderen Fällen?", hakte Eileen nach. "Wenn ihr euch einfach mal so trefft? Dafür kriegst du dann ein paar in die Fresse, oder..."
"Theoretisch... ja", sagte ich.
"Und praktisch?" Dieses Grinsen! Was sollte das dauernd?
"Praktisch braucht er dafür keinen Grund."
"Arschloch!"
Ich zuckte die Achseln.
"War echt das Letzte, was er vor ein paar Tagen mit dir abgezogen hat, vor dem Jungsklo!", redete Eileen weiter.
Auch dazu sagte ich nichts.
"Also macht er sowas öfter mir dir?"
Ich zuckte wieder mit den Achseln. "Ja... schon."
"Was für ein Penner!" Ich spürte Eileens Hand an meinem Rücken. "Wenn er das nochmal macht, dann gibt es richtig Stress für ihn! Das schwör ich!" Sie gab mir einen Kuss auf die Wange. "Kann ich jetzt dein Zimmer sehen?"
Ich antwortete nicht, lief stattdessen einfach los, die Treppe rauf, so sehr verwirrte mich das alles gerade. Vor allem der Kuss jetzt eben.
Was meinte die denn?
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Vogelscheuche und Gürtelschnalle - Teil 2
Novela JuvenilEndlich hat Maria es offenbart. Das Geheimnis, welches so lange schon ihr Leben bestimmt. Jetzt ist alles anders. Aber ist es auch besser? *~~•~~* Fortsetzung von: Vogelscheuche und Gürtelschnalle, Teil 1: Offene Wunden *•~~• MARIA •~~•* Ich wollt...