°○ Leon ○°
Was war das? Dieses Geräusch, so leise, von nebenan?
Als ob da jemand weinte.
Ich schälte mich aus der Decke und lief in Richtung Tür. Taumelte. Und schob mich weiter, immer an der Wand entlang.
Erblickte einen Lichtschlitz, ganz am Ende des Korridors. Und hielt darauf zu.
Was war das da?
Wer war dort drin?
Ich öffnete die Tür.
Und sah Eddie.
Wie er da auf dem Bett saß und weinte.
"Eddie! Was ist denn los?", wollte ich wissen, kam gleich neben ihn und nahm ihn in den Arm. Er fühlte sich kalt an. Und regelrecht mager.
"Frierst du?"
Was für eine Frage!
Er zitterte! Natürlich fror er dann auch! Ich sah mich um, entdeckte eine Decke, als enges Bündel zusammen geknäult neben mir. Es war dieselbe kratzige Decke mit den halb aufgelösten Nähten, welche Richard immer im Büro liegen hatte. Für alle Fälle. Natürlich nur nie für mich, dachte ich, legte die Decke fest um Eddie herum, der immer noch weinte, und umarmte ihn dann wieder.
"Was hast du denn, Kumpel? Warum weinst du so?"
Ich strich ihm über den Rücken, wog ihn dabei sachte hin und her, so wie man es bei einem Kind tat.
"Hey... schhh... ganz ruhig!", flüsterte ich ihm zu. "Ist doch alles gut!"
Ich rieb ihm noch fester über den Rücken, drückte seinen kleinen zerbrechlichen Körper dabei eng an meinen. Versuchte ihn zu wärmen. Und spürte stattdessen nur noch deutlicher die Kälte, welche von ihm ausging, selbst durch die Decke hindurch.
"Eddie... jetzt erzähl doch mal! Was ist los?"
Immer noch keine Antwort, dafür nur noch heftigeres Schluchzen.
"Hey... Komm, nun beruhig dich doch! Atme mal tief durch!"
Eddie tat es nicht und dabei fiel mir erst auf, dass er auch überhaupt nicht atmete.
"Eddie, los bitte... Hol mal Luft!", bat ich ihn. "Dann geht's dir auch gleich besser! Na komm!" Ich schlug ihm auf den Rücken. Nichts passierte.
"Bitte, Eddie!" Ein zweiter Schlag, noch fester als der vorherige. "Atme doch, bitte!" Jetzt begann auch ich zu weinen. "Scheiße, Mann! Du musst doch atmen!" Ich löste meine Umarmung. "Komm, schau mich an!", krächzte ich, schob, als Eddie meiner Auffordung nicht nachkam, seinen Kopf zu mir hoch und-schreckte panisch aus dem Schlaf.
Verdammte Scheiße! Was hatte da jetzt mein Gehirn gefickt?
Eddies Augen! Sie waren tot gewesen! Und trotzdem hatten sie in meine geblickt! Starr. Und gleichzeitig stumpf. Wie die Augen damals bei Rehberg, als ich ihn in der Badewanne gefunden hatte.
Scheiße noch mal!
Mein Herz hämmerte wie wild in meiner Brust. Ich legte eine Hand darüber, holte einmal Luft. Und begann dann gleich heftig zu husten.
Was zur Hölle? Sollte ich hier ersticken?
Schnell setzte ich mich auf. Ignorierte den stechenden Schmerz in meinem Kopf, welchen diese unmittelbare Bewegung mit sich brachte. Zog mir zwei Taschentücher aus der Box neben mir auf dem Sofatisch. Und spuckte einen Klumpen Schleim hinein.
Eddie war tot gewesen in meinem Traum. Und auch in echt war er jetzt tot.
Ich hatte ihn im Arm gehalten, als Leiche! Wem dürfte ich sowas überhaupt erzählen?
Da könnte man mich doch direkt wegsperren! Gab ja auch so schon genug Leute, die das wollten! Dann wäre das doch der perfekte Grund dafür, überlegte ich, griff mir die Flasche Bier vom Tisch und nahm einen großen Schluck daraus. Es schmeckte schal, erfüllte aber seinen Zweck, immerhin fühlte sich mein Hals jetzt wieder normal an und nicht mehr länger wie eine sandige Wüste.
Ich hustete noch einmal und räusperte mich. Gut, diesmal hatte es mich wirklich mal ganz ordentlich erwischt.
"Leon?" Minchens Stimme hinter mir, noch hörbar verschlafen. "Ist schon Morgen?"
"Nein", sagte ich und strich ihr beruhigend über die Decke. "Ich musste nur mal eben husten."
Schlaf ruhig weiter!"
"Du bist krank", stellte meine Schwester fest, schob die Decke von sich runter und kletterte auf meinen Schoß.
"Ja." Mindestens das, dachte ich, legte einen Arm um Minchen und küsste sie. "Darum lass uns jetzt mal-"
"Fieber", unterbrach Minchen mich und legte ihre kleine Hand an meine Stirn.
"Nee, so schlimm ist es nicht", meinte ich. "Keine-"
Ich nieste. Und dann gleich noch einmal.
"Haatschi!" Minchen gluckste.
"Ja, schön! Lach mich ruhig aus!"
"Müssen sauber putzen!", sagte meine Schwester, zog ein Taschentuch aus der Box und hielt es mir vor die Nase. "Los, schnauben!"
Ich zögerte. Holte dann schließlich doch tief Luft und schnäuzte mich ausgiebig, zur großen Überraschung von Minchen.
"Bäh! So viel Schnodder!", rief diese und verzog angewidert das Gesicht, während sie das benutzte Tuch zusammenknüllte und auf den Boden schmiss.
"Nase verstopft!"
Ich grinste. "Darum hast du sie mir doch geputzt!"
"Du bist krank.", wiederholte meine Schwester ihre Diagnose von eben. "Musst viel trinken!"
"Das mach ich." Wie zum Beweis meiner Aussage wollte ich wieder zur Bierflasche greifen, doch Minchen hielt mich davon ab.
"Milletee!", sagte sie.
"Den koch ich mir später mal, gute Idee!" Ich küsste meine Schwester, dann trank ich noch etwas Bier.
"Jetzt Milletee kochen!"
"Später", meinte ich, nahm noch einen Schluck, zog Minchen dann noch enger in meine Arme und legte mich mit ihr hin. "Jetzt lass uns mal weiterschlafen!" Ich stieß ein lautes Gähnen aus, dann steckte ich mein Gesicht in ihr langes weiches Haar. "Desto eher bin ich auch wieder gesund."

DU LIEST GERADE
Vogelscheuche und Gürtelschnalle - Teil 2
Fiksi RemajaEndlich hat Maria es offenbart. Das Geheimnis, welches so lange schon ihr Leben bestimmt. Jetzt ist alles anders. Aber ist es auch besser? *~~•~~* Fortsetzung von: Vogelscheuche und Gürtelschnalle, Teil 1: Offene Wunden *•~~• MARIA •~~•* Ich wollt...