°○ Maria ○°
Ein Klopfen an der Tür.
"Hau ab!" Ich schluchzte.
"Maria?"
"Hau ab!", krächzte ich wieder, wollte meine Beine an den Bauch ziehen, spürte daraufhin jedoch ein neues Stechen im Rücken.
Verdammte Prellung, dachte ich, ließ sie wieder runter und fuhr mir mit der Hand durchs Gesicht.
Leon kam herein.
"Was willst du hier?", fragte ich. "Das ist eine Mädchenumkleide!"
"Ich wollte nur mal gucken, wie es dir geht."
"Wie soll's mir denn gehen?", heulte ich. "Ist doch alles scheiße!"
Leon setzte sich neben mich, legte mir einen Arm um die Schultern und wollte mich küssen, da drehte ich mich schnell zur Seite. "Lass mich!"
"Soll ich dir vielleicht mal was zu trinken holen?"
"Nein!"
"Oder willst du einen Schokoriegel?"
"Nein!", sagte ich wieder. "Lass mich einfach!"
Ich hatte keinen Bock mehr auf die Scheiße! Diese ganzen Arschlöcher! Sollten die doch tot umfallen, alle wie sie da waren!
Echt mal! Wie asozial konnte man sein? Wie sie alle da gestanden hatten wie so perverse kleine Spanner! Wie sie geglotzt hatten! Und wie sie über mich gelacht hatten!
"Voogelscheuuche! Voogelscheuuche!"
Ich hatte mich vor allen zum Affen gemacht!
"Scheiße, wie unbeholfen bist du denn?"
Sie hatten ihren Spaß mit mir gehabt. Sie hatten sich richtig darüber gefreut, dass ich es nicht geschafft hatte!
Dieses verschissene Zirkeltraining! Wozu war das überhaupt gut? Doch nur, um zu zeigen, wer in Sport was konnte.
Und wer nichts konnte.
Darum ging's doch nur.
Dass die Coolen sich daran ergötzen konnten, wie toll sie waren! Und dass sie ihren Spaß hatten! Dass sie darüber lachen konnten, wenn es da jemanden gab wie mich.
Jemand, der nicht so hoch springen, so schnell rennen oder so gut Fußball spielen konnte wie sie.
"Das war doch Kinderkacke gerade eben", meinte Leon und begann mir über den Rücken zu streicheln. "Da musst du dir jetzt auch gar keine Gedanken rum machen." Er machte einen weiteren Versuch, mich zu küssen, diesmal ließ ich ihn. "Ich klär das für dich, wenn Pause ist."
"Super! Das bringt's dann auch!"
"Wenn ich mit den kleinen Dreckskindern erst mal fertig bin, lacht da keiner mehr über dich." Ein weiterer Kuss. "Das verspreche ich dir."
"Ja genau!" Ich stieß ein verächtliches Lachen aus. Es glich einem Schrei im leeren Raum. Einfach fehl am Platz. Fast schon hysterisch. "Das ist auch deine Lösung für alles! Immer schön auf die Fresse und dann wird alles gut!"
"Was meinst du denn? Willst du denen die Scheiße jetzt einfach so durchgehen lassen?"
Ich schwieg.
"Du musst dich auch mal wehren, Süße!"
"Das bringt doch eh nichts!", entgegnete ich und wischte mir abermals mit der Hand durchs Gesicht. "Die hassen mich so oder so."
"Das glaub ich nicht."
"Es stimmt aber."
"Ich find ja eher, dass die ihren Spaß mit dir haben."
"Ja toll!" Ich begann wieder zu schluchzen.
"Hey..." Leon nahm mich in den Arm. "Jetzt weine doch nicht schon wieder! Komm!" Er küsste mich erneut. "Beruhig dich mal... ist doch alles-"
"Nein!", fiel ich ihm ins Wort, viel heftiger, als ich wollte. "Sag nicht schon wieder, dass alles gut ist!" Ich schniefte. "Das ist doch Affenscheiße!"
"Aber-"
"Nein!", sagte ich wieder, dann nahm ich einen langen zittrigen Atemzug. "Lass es einfach! Du verstehst das nicht."
"Was versteh ich nicht?"
"Das alles!" Meine Stimme versagte. Ich räusperte mich. "Du kannst doch alles in Sport! Du weißt gar nicht, wie das ist, wenn man sich da blamiert."
"Du hast dich doch gar nicht blamiert."
Wieder lachte ich, auch wenn ich gleichzeitig noch weinte. Also war ich jetzt wohl wirklich hysterisch.
Leon hielt mich noch eine Weile, wog mich dabei sachte hin und her.
Dann, als ich mit dem Weinen aufgehört hatte, löste er seine Umarmung und hob meinen Kopf an, wohl um mich zu küssen, tat es dann aber nicht.
"Wollen wir gleich mal wieder rübergehen?", fragte er stattdessen, zog meine Schultasche unter der Bank hervor und begann darin zu kramen.
"Ich geh da nicht mehr rein."
"Mit dem Zirkeltraining sind die jetzt bestimmt schon durch."
"Ich geh da trotzdem nicht mehr rein", beharrte ich. "Da brauchst du mich jetzt auch gar nicht anfangen zu überreden."
"Das hatte ich auch nicht vor", meinte Leon, nahm ein Päckchen Taschentücher, zog ein Tuch heraus und reichte es mir.
"Soll Kunze mir doch ne Sechs geben!", meinte ich, nahm das Tuch und tupfte mir damit die Tränen ab. "Ist mir ganz egal!"
"Warum sollte er dir eine Sechs geben?"
"Ja... warum wohl?" Ich lachte wieder.
"Das ist doch Quatsch!"
"Ist es nicht!", entgegnete ich. "Der kann mich nicht leiden." Ich wischte mir die Nase ab. "Für den war ich schon immer die Trantüte hier."
"Trantüte?" Leon gluckste. "Hat er das echt so gesagt?"
Ich nickte.
"Wann?"
"Ich weiß nicht mehr genau." Ich schniefte. "Irgendwann letztes Jahr. Aber der macht ja immer so Sprüche über mich."
"Ja... das macht Günther bei jedem, Süße. Einfach aus Spaß. Da musst du dir nichts bei denken."
"Ich find das aber gemein", meinte ich. "Vor allem, wenn er das immer vor den anderen sagt."
Neue Tränen in meinen Augen.
Ich drehte den Kopf zur Seite, weg von Leon, der nahm mich direkt wieder in den Arm.
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Vogelscheuche und Gürtelschnalle - Teil 2
Teen FictionEndlich hat Maria es offenbart. Das Geheimnis, welches so lange schon ihr Leben bestimmt. Jetzt ist alles anders. Aber ist es auch besser? *~~•~~* Fortsetzung von: Vogelscheuche und Gürtelschnalle, Teil 1: Offene Wunden *•~~• MARIA •~~•* Ich wollt...