°○ Maria ○°
"Maria!" Leon kam strahlend auf mich zugelaufen und umarmte mich. "Meine Süße!" Er küsste mich. "Wie geht es dir?"
"Gut", antwortete ich.
"Das ist doch schön!" Leon hielt mich noch etwas fest, strich mir über den Rücken und gab mir noch mehrere Küsse, dann führte er mich zu einer Sitzecke, an der Fensterseite des Zimmers.
"Bist du mit dem Bus hergekommen?"
"Ja."
"Und diesmal wissen deine Betreuer auch, dass du hier bist?"
Er stellte eine Flasche Wasser auf den Tisch, dazu noch zwei Gläser.
"Ja, die wissen Bescheid", log ich weiter.
Leon lächelte. "So muss das auch", meinte er, nahm meine Hand, führte sie zu seinem Mund und drückte noch einen Kuss darauf. "Hattest du schon Mittagessen?"
"Ja."
"Was gab's denn?"
"Hähnchenschnitzel. Mit Kartoffeln und Salat." Die Antwort war mir völlig spontan gekommen, ohne das geringste Zögern darin. Ja, manchmal lief es auch mal gut im Leben!
"Was grinst du jetzt so?"
"Ich, äh... hab nur gerade was gedacht."
"Okay... und willst du mir erzählen, was?"
"Nein."
"Schade." Leon schmollte. "Ich hätte gerne auch mal wieder was zu lachen."
"Hast du noch Schmerzen?"
"Ja."
"Am Kopf?"
"Überall", antwortete Leon. "Aber die Tabletten helfen da ganz gut. Guck, das sind meine Mitbewohner: Willi..."
"Moin!", grüßte mich ein älterer Mann, welcher aufrecht in seinem Bett nahe der Tür saß und in einer Zeitschrift blätterte.
"Hallo!", grüßte ich zurück.
"... und Rainer."
Der zweite Mann war um einiges jünger, als Willi, trug eine Glatze und Tattoos an beiden Armen. Im Moment schlief er.
"Könntest du die aufmachen?" Leon wies zur Flasche zwischen uns aufm Tisch.
"Klar", sagte ich, schraubte sie auf und goss Leon etwas davon ein.
"Danke!" Er trank mehrere Schlucke, seufzte, dann wies er auf das leere Glas vor mir.
"Willst du nichts?"
"Nein, danke!"
Leon schniefte, grunzte dann geräuschvoll. "Tschuldigung!" Er lächelte verlegen. "Das gehört sich nicht, ich weiß."
"Schon okay."
"Ich darf mich halt nur nicht ausschnauben, für die nächsten Tage, meinte der Arzt."
"Okay...", sagte ich wieder, nahm die Kordeln meiner Jacke und begann deren Fransen miteinander zu verflechten. "Wie lange musst du denn noch bleiben?"
"Bis Morgen."
Ich löste die dünnen Fädchen voneinander, flechtete sie wieder zusammen.
Leon seufzte. "Keine Ahnung, wie ich das so lange hier aushalten soll. Ich darf kein Fernsehen gucken, kein Handy... gar nichts!"
Und das ist alles meine Schuld, dachte ich. Hätte ich Richard gestern davon abgehalten, auf Leon loszugehen, säße er jetzt nicht hier fest, komplett auseinander gehauen, übermüdet und mit was weiß ich wie vielen Tabletten vollgestopft. Ich hätte ihm helfen müssen, wenigstens versuchen müssen, irgendwas zu tun!
"Hast du mir die Hausaufgaben mitgebracht?"
"Nein."
"Aber du hast doch deinen Rucksack mit."
"Ja, aber..." Ich zuckte die Schultern. "Wir haben gar keine aufbekommen, oder... hab ich zumindest nicht gehört, also..." An dieser Stelle konnte ich nicht anders, als verlegen zu grinsen. "Ich war auch etwas abgelenkt, um ehrlich zu sein."
"Und um ganz ehrlich zu sein, warst du heute gar nicht nicht in der Schule." Leon erwiderte mein Grinsen. "Oder?"
Ich senkte den Blick. "Nein."
"Hattest du keine Lust ohne mich?"
"Ja... keine Ahnung. Tut mir auch leid jetzt wegen den Hausaufgaben."
"Ist doch nicht schlimm, Süße! Dann frag ich Anne eben."
"Stimmt. Die ist sowieso auch viel klüger als ich. Bei mir würdest du noch mindestens tausend Fehler mit abschreiben."
"Mach dich nicht immer so schlecht!", meinte Leon. "Und ich will außerdem auch gar nichts mehr abschreiben. Die Zeiten sind vorbei, wo andere mir die Arbeit machen." Er schwieg einen Moment. "Das hätte ich auch nie von Eddie verlangen dürfen."
"Wie lang hattest du das denn schon von ihm verlangt?"
"Och... eigentlich schon immer."
"Und das mit dem Geld?"
"Das hab ich gar nicht immer getan", antwortete Leon. "Nur ab und zu." Er verdrehte die Augen. "Das macht es aber natürlich nicht besser."
"Ja, das stimmt wohl", sagte ich wieder. "Aber du hast dich entschuldigt, das ist schon mal gut."
Leon zuckte mit den Schultern. "Umgebracht hat er sich trotzdem. Macht also keinen Unterschied."
"Das glaub ich schon, dass es das macht."
"Nicht bei dem, was ich alles verbrochen habe", erwiderte Leon. "Dafür komm ich in die Hölle!"
"Du meinst, wegen der Sache damals... mit Eddies Schwester?" Ich sah Leon an. Der zog überrascht die Brauen hoch: "Also hat Eddie dir doch davon erzählt."
"Nicht er", erklärte ich. "Luca hat es mir erzählt, gestern erst. Der weiß das wohl von Eileen."
"Und die dann wahrscheinlich von Eddie", überlegte Leon.
"Du bist daran nicht schuld, was passiert ist."
"Wollen wir vielleicht mal kurz raus?"
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Vogelscheuche und Gürtelschnalle - Teil 2
Teen FictionEndlich hat Maria es offenbart. Das Geheimnis, welches so lange schon ihr Leben bestimmt. Jetzt ist alles anders. Aber ist es auch besser? *~~•~~* Fortsetzung von: Vogelscheuche und Gürtelschnalle, Teil 1: Offene Wunden *•~~• MARIA •~~•* Ich wollt...