Gangs - Taken Innocence

Das Training

„Na los Cierra! Nochmal! Schneller! Du kannst doch nicht schon müde sein!" trieb mich Eric immer weiter an, als ich wie eine Irre auf einen Box Sack einschlug, der direkt vor mir an einem Seil von der Decke hing. Wir befanden uns gemeinsam mit Tristan und drei anderen Typen in einer kleinen Trainingshalle, wo allerlei Geräte rumstanden, an denen man trainieren konnte. Die Hälfte von alle dem kannte ich noch nicht mal, so unsportlich wie ich war. 

Eric, Tristan und ich waren schon seit über drei Stunden hier, wir hatten mit dem Training angefangen, gleich nachdem ich mit Matt's kleinem Bruder das Zimmer gewechselt hatte. Ich hatte keine Lust darauf, weiterhin ausspioniert zu werden, ausserdem wollte ich Matt keine Show bieten. 

Ich strich mir mit einer Hand, die von einem Boxhandschuh bedeckt war, über die Stirn und liess meine Arme danach zu Boden sinken, während ich Eric einen verstörten Blick zuwarf: „Ist das dein Ernst?! Wir sind schon ewig hier, ich hab das Recht, müde zu sein! Ich bin doch nicht Hulk persönlich!" 

„Nein," mischte sich Tristan ein und fühlte nach meinem Bizeps, der praktisch nicht vorhanden war, „das bist du definitiv nicht. Eher Mary Poppins, oder vielleicht ne schlechte Kopie von Spongebob."

„Tristan, das ist nicht hilfreich!" fuhr Eric ihn wütend an und schickte ihn auf die andere Seite des Raumes, um selbst an einer der Maschinen zu trainieren. Gut so, desto weniger Zuschauer, die meine Peinlichkeit mitkriegen konnten, desto besser. 

„Also Cierra, reiss dich zusammen und schlag nochmals zu! Du musst Armmuskeln aufbauen, deine Beine gehen ja noch einigermassen, aber du schlägst zu, wie ein Mädchen. Das müssen wir ändern."

„Entschuldige," sagte ich entrüstet und starrte ihn an, „wenn du es noch nicht mitbekommen hast, ich bin ein Mädchen, das kann man nicht einfach so ändern! Ich-Ich habe schon immer mehr auf Intelligenz, als auf Muskelkraft gesetzt, das plötzlich umzudrehen scheint mir ziemlich schwierig zu werden. Ausserdem werde ich sicher nie Bruce Lee, Jackie Chan oder Mohammed Ali!"

„Du musst ja auch nicht so sein, wie sie, aber ein bisschen Fitness wäre nicht schlecht. Davon kannst du nur profitieren. Wir werden das ab jetzt jeden Tag machen, du wirst sehen, es werden sich schnell Verbesserungen zeigen." Eric schien sich seiner Sache sicher zu sein, im Gegensatz zu mir. Ich schaute ihn skeptisch an, bevor ich mich dazu überwand nochmals auf den Box Sack einzuschlagen. 

Meine Arme brannten so sehr ,dass ich am liebsten geschrien hätte, aber wenn es dem Typen neben mir so viel bedeutete, dass ich Sport machte, dann würde ich es eben tun. Es lenkte mich davon ab, über gewisse Dinge nachzudenken, was gar nicht schlecht war. Eine kleine Ablenkung war gut. Wieso die Ablenkung allerdings so anstrengend sein musste, das wusste ich auch nicht. 

Ich verfluchte den Tag, an dem ich das Ballett Training aufgeben musste, weil meine Mutter die Lektionen nicht mehr bezahlen konnte. Ballett hielt einen extrem fit, wenn man es regelmässig machte. Ausserdem hatte es mit extremer Körperkontrolle zu tun, was mir wohl daran so sehr gefallen hatte. Ich mochte es, die Kontrolle zu haben, aber das machte mich noch nicht zum Kontrollfreak, es brachte mich bloss dazu, mich sicher und geborgen zu fühlen.

„Es-es tut mir übrigens leid," hörte ich Erics Stimme neben mir, als ich mich völlig darauf fixierte, überhaupt noch den Box Sack vor mir zu treffen. Mein Atem ging so schnell, dass ich schon Angst hatte, zu ersticken. 

„W-Was?" keuchte ich und wagte einen kurzen Blick zu meinem neuen Trainer, der mich hier gerade quälte. Wieso Sport nicht als Foltermethode galt, das war mir nicht ganz klar. 

„Das mit Matt, ich wollte nicht, dass er dir was tut, seit unser Vater nicht mehr da ist, hat er seine Gefühle nicht immer im Griff," erklärte Eric seine Aussage und ich nickte ihm zu.