Leben und Leben lassen

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„Wieso putzt du schon wieder?" Ich sprang auf, als ich die Stimme von Miro hinter mir hörte. Er hatte den Raum wohl ohne mein Bemerken betreten, was erklärte, wieso ich mich so erschreckt hatte. Den Lappen, den ich in der Hand hielt, liess ich zu Boden fallen, um ihn danach seufzend wieder aufzuheben.

Ich drehte mich zu meinem besten Freund um und zuckte mit den Schultern: „Was soll ich denn sonst tun? Ich hasse es, zu warten, wenn so etwas Wichtiges ansteht. Ashton hat gesagt, er besorgt mir noch einen Bildschirm, aber er ist immer noch nicht zurück."

„Noch einen Bildschirm?" fragte Miro überrascht und liess seinen Blick durch den Raum gleiten, „aber du hast doch schon....wie viele? Sechs?"

„Aber die brauch ich auch, so viele Kameras wie ich angezapft oder installiert habe, ich will alles überwachen können."

„Und wieso schaust du das alles nicht einfach auf einem Computer an? Wäre das nicht einfacher?" wollte der Red Moon wissen und betrachtete mich skeptisch, während ich mit dem Lappen über eine der Pultoberflächen fuhr, um Staub zu entfernen.

„Einer genügt nicht, da sehe ich zu wenige Details, auf grossen Bildschirmen kann ich alles mitbekommen, diesmal darf nichts schief gehen, denk doch nur daran, was letztes Mal fast passiert wäre," erinnerte ich Miro und er nickte wissend. Schliesslich war er auch dabei gewesen, als wir in diesem Bunker gesessen und um unser Leben gebangt hatten. Soweit durfte ich es nicht mehr kommen lassen, ich musste alles durchdenken und jede noch so winzige Möglichkeit des Scheiterns in Betracht ziehen.

Der Plan musste tadellos und perfekt sein - anders ging es nicht.

„Und was sagt Fynn dazu?" fragte Miro weiter und ich warf ihm einen genervten Blick zu.

„Mit dem rede ich gerade nicht wirklich, ich versuch ihm aus dem Weg zu gehen," erklärte ich knapp und tat so, als würde mich das alles nicht interessieren, dabei nahm es mich innerlich sehr mit. Mehr, als ich wollte, um ehrlich zu sein.

Fynn und ich verhielten uns seit gestern, als er mich um Hilfe gebeten hatte, distanziert und beschränkten uns auf ein Minimum der Konversation. Heute Morgen war des einzige, dass er zu mir gesagt hatte, die Einzelheiten zum heutigen Einsatz gewesen, nichts weiter. Kein „Wie geht's dir?", kein „Ist alles in Ordnung?", kein gar nichts.

Es war so, als seien wir uns nie nahe gestanden, als hätten die letzten Wochen gar nicht existiert und ich konnte nicht sagen, ob mich das freuen oder enttäuschen sollte. Fynn hatte ich schliesslich angelogen und hintergangen.

„Aber sonst ist alles bereit? Alle auf ihren Posten?" brachte mich Miro aus meinen Gedanken zurück und ich war für einige Augenblicke perplex, bevor ich zuversichtlich nickte und ein falsches Lächeln aufsetzte.

„Ja," gab ich zur Antwort und zeigte auf einen der Bildschirm auf dem Tisch, „das da- das ist die Sicherheitskamera des Geschäfts gegenüber unseres Treffpunktes. Die hab ich gehackt, war ein Kinderspiel, wenn du mich fragst. Zwei Kameras hab ich auf der anderen Seite von den Jungs installieren lassen, damit ich auch dort den Überblick behalten kann. Die anderen sind alle im Gebäude, damit ich die einzelnen Räume und Ausgänge überwachen kann. Heute geht dort niemand rein und raus, ohne dass ich es sehe. Es wird nichts schiefgehen."

„Das hoffe ich, das vom letzten Mal hat uns alle ziemlich verunsichert," sagte Miro nachdenklich und legte eine Hand auf meine gesunde Schulter.

„Und, ist alles in Ordnung?" hörte ich eine andere Stimme und drehte mich Richtung Türe, um Fynn zu erkennen, der mir gerade noch gefehlt hatte.

„Ja, alles super," antwortete Miro für mich, „Cierra hat das im Griff."

„Wie immer." Fynn's Worte überraschten mich, jedoch liess ich mir nichts anmerken und schaute ihn an, als wäre er mir egal.

Gangs - Taken Innocence Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt