Fels in der Brandung

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Die Beerdigung meiner Mutter fand genau sechs Tage später im engsten Familien – und Freundeskreis statt, auf jenem Friedhof, auf dem auch meine Grossmutter beerdigt worden war. 

Die Zeremonie, der ich gemeinsam mit Fynn und Candice beiwohnte, verlief ruhig, während der Pfarrer einige Worte sprach. 

Ich – ich hatte nichts sagen wollen, nicht vor all den Leuten und sicherlich auch nicht über meine Mutter. Was ich fühlte, sollte bloss ich wissen...und nur ich.

Es ging die wenigen Arbeitskolleginnen meiner Mutter und meine weit entfernte Tante auch nichts an, schliesslich waren sie sonst auch nie dagewesen. 

Den einzigen Halt, den ich an diesem Tag wirklich nötig hatte, war jener von Fynn und Candice. Ich war froh und erleichtert darüber gewesen, dass sie zugestimmt hatten, mich auf die Beerdigung zu begleiten, alleine hätte ich das alles womöglich nicht durchgestanden. 

Die Polizei ermittelte immer noch in dem Mordfall und ging mittlerweile von einem schiefgegangenen Raubüberfall aus, was eine gute Erklärung gewesen wäre in unserem Viertel, hätte ich es nicht besser gewusst. 

Ich wusste, seit Misses Eaton das Tattoo erwähnt hatte, dass einer der Anacondas meine Mutter ermordet und auf dem Gewissen hatte. Wieso er es getan hatte, das blieb mir ein Rätsel. Ich sah keinen Grund dazu, jedenfalls noch nicht. 

Aber womöglich wusste ich auch einfach zu wenig über alle diese Gangs und ihr Vorgehen, obwohl ich nun schon längere Zeit dabei war, verstand ich immer noch sehr wenig. 

Am Abend nach der Beerdigung sassen wir alle gemeinsam am Tisch bei den Red Moons, die Stimmung war jedoch im Gegensatz zu sonst überhaupt nicht heiter und fröhlich, sondern sehr gedämpft. Niemand getraute es sich, wirklich zu reden, wahrscheinlich hatten sie alle Angst, meine Gefühle zu verletzen oder mich irgendwie sonst zu Belasten. 

Sie hatten in den letzten Tagen alle von mir verlangt, mich zu schonen und auszuruhen, obwohl ich etwas Abwechslung und Ablenkung gut hätte gebrauchen können, wenn ich ehrlich war. Aber das war wohl eine andere Baustelle. 

„Das heisst dann wohl," fing Ashton, der seit dem Mord stets zuvorkommend zu mir gewesen war, zögernd an, „du...wirst uns nicht verlassen, oder?"

Candice Augen weiteten sich und sie schlug dem kleinen Bruder ihres Freundes auf den Hinterkopf: „Du Idiot! Man fragt so etwas doch nicht! Schon gar nicht jetzt!"

„Nein nein," winkte ich ab, „es ist schon ok...wir müssen eh darüber reden. Ashton hat Recht, ich- ich habe kein Leben mehr, in das ich zurückkehren könnte, jetzt, wo meine Mutter tot ist. Das heisst, ich bleibe bei euch, und zwar definitiv."

„Wirklich?" fragte Tom erfreut nach und ein kleines Lächeln schlich sich in sein Gesicht, alle anderen schienen ebenfalls erleichtert über diese Nachricht zu sein. 

„Ja, meinst du das ernst?" wollte auch Ross wissen und ich sah zu ihm herüber. Es überraschte mich etwas, dass er so glücklich zu sein schien, denn ich hatte immer gedacht, dass er mich nicht so sehr mochte, jedenfalls hatte er nie viel mit mir gesprochen, aber vielleicht war das auch einfach nur seine Art.

„Vollkommen ernst," stellte ich klar und nickte. Ja, ich hatte mir viele Gedanken darüber gemacht und mich entschieden, endgültig.

Ich würde eine der Red Moons werden.

„Wow, das-das ist toll!" meldete sich auch Fynn zu Wort und ergriff unter dem Tisch meine Hand, was in meinem Körper eine Gänsehaut auslöste. Er hatte sich so gut um mich gekümmert, dass ich manchmal sogar vergessen hatte, wie schlecht es mir ging. Ausserdem hatte er mir mit der Organisation der Beerdigung sehr geholfen. 

Gangs - Taken Innocence Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt