Nacht im Hotel

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Als wir sein Zimmer betreten, stehe ich etwas planlos im Raum. Wieso habe ich noch gleich zugestimmt? Ach ja, um den unangenehmsten Moment meines Lebens zu erleben. "Fühl dich wie Zuhause, das Bad ist da drüben und das Schlafzimmer ist da", erklärt er und deutet auf die Räume, "Ich nehme die Couch". Ich schüttle schnell den Kopf. "Auf keinen Fall schläfst du wegen mir auf der Couch. Ich nehme die Couch und bin im besten Fall schon weg bis du aufwachst", widerspreche ich. "Okay, du nimmst die Couch aber haust nicht einfach ab, ich fahre dich dann zum Bahnhof", sagt er und verschwindet im Schlafzimmer. Gleich darauf kommt er mit einer Decke und einem Kissen wieder. Außerdem wirft er mir ein Shirt zu. "Hier, das kannst du zum Schlafen anziehen", fügt er hinzu und wirft das Bettzeug auf die Couch. "Danke", murmle ich und verschwinde kurz im Bad um irgendwie der Situation zu entfliehen. Im Badezimmer stütze ich mich auf dem Waschbecken ab und schaue in den Spiegel. Was mache ich hier nur? Ich kenne den Typen nicht! Ich wasche mir schnell das Gesicht und benutze die verpackte Zahnbürste. Wohl oder übel muss ich das Badezimmer aber wieder verlassen. Ich habe mir sein Shirt übergezogen, wofür ich auch echt dankbar bin. Während dem Konzert ist es total heiß geworden, weshalb ich meine Klamotten durchgeschwitzt habe. Sein Shirt reicht mir fast bis zu den Knien und ist echt bequem. "Danke, dass du das machst, das ist nicht selbstverständlich", murmle ich, als ich aus dem Bad trete. Er lächelt mich so warmherzig an, dass sich mein Herz zusammenzieht. "Kein Problem, ich hätte die ganze Nacht nicht schlafen können, wenn du alleine gefahren wärst", antwortet er. Ich stehe wieder unsicher im Raum und drehe eine Haarsträhne zwischen meinen Fingern. "Bist du sehr müde?", unterbricht er das unangenehme Schweigen. "Nicht wirklich, das Laufen hat mich wieder ziemlich wach gemacht", gebe ich zu und lasse mich schließlich neben ihm auf das Sofa fallen. "Wollen wir noch einen Film schauen? Ich bin auch wieder total wach", fragt er weiter. "Klar, wieso nicht" antworte ich und ziehe die Decke über mich. Während er sich bei Netflix anmeldet, suche ich eine bequeme Position auf der Couch ohne ihn zu sehr zu bedrängen. "Du musst nicht so sehr darauf achten, dass du mich nicht berührst" lacht er, "Ich beiße nicht". Ich ziehe die Augenbrauen hoch und schaue ihn an. "Man kann sich nie sicher sein", gebe ich schmunzelnd zurück. Wir einigen uns auf Jupiter Ascending und machen es uns gemütlich. Irgendwann bemerke ich, dass er eingeschlafen ist und schalte den Fernseher aus. Und wo schlafe ich jetzt? Ich seufze leise und lehne mich zurück. Vielleicht sollte ich doch einfach gehen? Mittlerweile ist es so früh, dass die Züge schon wieder fahren sollten. Nur ganz kurz die Augen zu machen und entspannen, in zehn Minuten stehe ich auf und gehe

Ein Herzschlag entfernt | Wincent WeissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt