»Wahrheit«

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Als ich mich fertig angezogen hatte, lief ich geradewegs in den Wald und zum See. Im leicht matschigen Boden erkannte ich frische Fußspuren die von Luke stammen mussten.
Theoretisch hätten wir auch gemeinsam zum See gehen können, aber dann hätte ich es ihm wahrscheinlich schon auf dem Weg sagen müssen oder wir hätten geschwiegen.

Als ich nach zehn Minuten am See angelangte, saß Luke schon still am Rande und starrte auf das reglose Wasser hinaus. Als er mich hörte warf er mir kurz einen Seitenblick zu, dann richtete er seine Konzentration aber wieder auf die Wasseroberfläche.
Ich ließ mich neben ihn auf den Boden sinken und sah auch aufs Wasser hinaus. Dann war alles Still, selbst die Vögel hielten ihre Schnäbel. 

   Mit einem leisen Seufzer brach ich die Stille.
   »Also, was genau willst du wissen?«, fragte ich ihn dann. Er überlegte und antwortete dann:
   »Was verheimlichst du mir? Was darfst du mir nicht sagen?«
   Ich überlegte kurz wie ich ihm diese Werwolfsache erklären konnte, er würde es mir eh nicht abkaufen. Bevor ich mit der Erklärung loslegte, sah ich mich noch einmal um, um sicher zu gehen das Kyrill nirgends wo war. 
   »Also, du wirst es mir wahrscheinlich eh nicht glauben«, ich ließ kurz eine Pause um Luft zu holen, »aber es gibt Werwölfe und ich bin einer«, platzte es aus mir heraus. Er starrte mich mit riesig geöffneten Augen an. 

   »Du bist auch einer?«, keuchte er.
   »Was heißt hier auch?«, fragte ich verwirrt zurück. 
   »Ich weiß dass es Werwölfe gibt.«
Nun blieb mir der Mund offen stehen.
   »Woher?«, ich sah ihn Nachdenklcih an, aber woher wusste er das denn bitte?
   »Meine Schwester ist einer.«
   »Und warum bist du dann keiner und deine Eltern?«, ich war immer noch verwirrt.
   »Wir haben meine Schwester adoptiert, und eines Tages hat sie sich plötzlich verwandelt. Aber es lief alles gut. Sie hat andere Werwölfe im Wald getroffen die uns dann aufgeklärt haben und sie ist jetzt auch in einem Rudel, so wie du wahrscheinlich auch«, erzählte er und mein Mund blieb immer noch offen stehen. 

   »WAS? In welchem Rudel ist sie? Und nein, ich bin Rudellos.«
   »In Kyrills, du weißt wahrscheinlich auch dass er ein Werwolf ist.«
   »Klar weiß ich das.«
   »Meine Schwester sagt, dass er in letzter Zeit komisch drauf ist und plötzlich Wutausbrüche hat. Sehr heftige anscheinend. Sie vermutet, dass er so ist weil er seine Mate noch nicht gefunden hat.«
   Ich sah betreten zu Boden. Er hat sie schon gefunden, doch das Sprach ich nicht aus.
   »Jetzt versteh ich auch warum du mich nicht nichmal küssen wolltest, aber ich verstehe nicht warum Kyrill dich weggerufen hat. Und warum küsst er andere Mädchen? Ich verstehe glaube ich diese Mategeschichte, aber ich versteh nicht warum er dann andere Mädchen küsst. Er muss doch auf seine Mate warten.«

   »Wenn das so einfach währe«, seufzte ich leise, doch Luke hatte gute Ohren. 
   »Warum ist Kyrill manchmal so komisch zu dir? Du musst mir alles sagen, Elin. Wenn schon die wahrheit, dann auch alles«, sagte Luke und sah mich an.
   »Na schön«, grummelte ich und fuhr fort, »also, Kyrill ... nun ja ... er ist ... mein Mate ...«, weiter kam ich nicht, denn da unterbrach mich Luke. 
   »Wie bitte? Ernsthaft? Und warum stößt er dich ab und küsst andere Mädchen?«
   »Luke, das weiß ich auch nicht.«

   »Du Arme! Deswegen saßt du manchmal aus wie ein Zombie!«
Er nahm mich fest in den Arm und drückte mich an sich. Ich erwiderte die Umarmung und genoss sie. Dann ließ ich ihn wieder los und sah ihm lange und eindringlich in die Augen, bis er fragte:
   »Was ist denn?«
   Ich schüttelte mich und antwortete dann:
   »Würdest du mir bei etwas vielleicht helfen?«
   »Bei was?«, fragte Luke misstrauisch.

Ich zögerte kurz und legte ihm dann meinen Plan vor. 
   » ... Könnten wir beide nicht so tun als ob wir zusammen währen? Dann wird Kyrill sicher eifersüchtig und kommt zu mir«, sprach ich gerade zu Ende.
Luke sah mich dann eine Weile schweigend an, bevor er antwortete:
   »Sorry Elin, aber ich kann das nicht. Du musst das verstehen.«
   »Wie meinst du, du kannst das nicht?«
   Luke fuhr sich kurz durch die Haare und überlegte wahrscheinlich was und wie er es sagen sollte. 
   »Elin, ich habe mich ja in dich verliebt, und dann so zu tun als ob wir zusammen währen nur um Kyrill - deinen Mate - eifersüchtig zu machen, das kann ich einfach nicht. Verstehst du das denn nicht? Freunde können wir gerne sein.«

   »Doch ich verstehe es. Natürlich. Entschuldigung, dass ich dich das gefragt habe.«
Schweigend sah ich zu Boden und fuhr mit den Fingerspitzen durch die kalte Wasseroberfläche des Sees, die sich bei meiner Berührung kräuselte. 
   »Kannst du dich mal in deinen Wolf verwandeln? Ich möchte mal sehen wie du dann aussiehst«, wechselte Luke das Thema. Ich blickte auf und nickte. Dann ging ich ein paar Schritte zurück, kniete mich auf den Boden und konzentrierte mich.
Mit einem Ruck schlüpfte ich in meine Wolfsgestalt und blieb so stehen.
Luke sah mich mit großen Augen an.
   
»Du siehst voll hübsch aus und du knuffig! Aber, ich glaube ich habe dich schon mal so gesehen.«
   Ich verwandelte mich wieder zurück und entgegnete:
   »Hast du auch. Ich bin dir Ausversehen mal begegnet.«

Wir quatschten noch ein wenig und machten uns dann wieder auf den Nachhauseweg. 

𝔸𝕔𝕔𝕖𝕡𝕥 𝕄𝕖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt