»Besuch im Rudelhaus«

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   Die nächsten zwei Schulwochen verliefen so wie immer - also nicht gerade sehr schön.
Kyrill wechselte sogar seine Freundin und angelte sich einen Tag später eine neue.
Zwar war ich wieder mit Luke befreundet, aber auch er wirkte nicht gerade glücklich. Kein Wunder, denn er war in mich verliebt und ich nicht in ihn.

Er hätte eigentlich der perfekte Mate sein können, aber wie immer war mein Schicksal äußerst nicht zufriedenstellend. Außerdem ging mir Luke ein wenig aus dem Weg, ich hatte zumindest so ein Gefühl, wollte es aber lieber nicht ansprechen.
Und noch dazu hatten Lukes Kumpels ein Auge auf mich geworfen und machten dauernd solche peinlichen Andeutungen, das ging mir echt auf die Nerven!
Und Luke auch. Aber was gut war: Luke fuhr mich wieder zur Schule! Und was noch gut war: Zwischen Kyrill und diesem neuen Mädchen mit der er seit kurzem zusammen war, war heiße Luft und die beiden zofften sich andauernd. 

   An diesem Mittwoch Nachmittag beschloss ich, als ich meine Hausaufgaben beendet hatte, im Wald laufen zu gehen. Ich vermisste meine Werwolfgestalt - aber ich hatte noch etwas anderes vor. Meine Mum war schon zu Hause und ich rief ihr kurz zu:
   »Mum, ich gehe laufen, okay?«
   »Natürlich Schatz, aber sei vor dem Abendbrot wieder da!«

   Sie wusste nur zu gut von mir das ich manchmal Stunden in meiner Wolfsgestalt durch den Wald zog. Mal sehen ob ich es diesmal rechtzeitig wieder nach Hause schaffte.
Ich zog mir schnell Mantel und Schuhe über und lief in den Wald hinaus. Dort angekommen ging ich etwas tiefer hinein und verwandelte mich dann. Sofort spürte ich die Energie die durch meine Muskeln floss und die kalte Erde unter und zwischen meinen Pfotenballen drücken.

 Ich trabte hechelnd los und schnüffelte mal hier und mal da in der Luft. Es roch wie immer nach Blumen, jungen Pflanzen und Erde. Der Wind wehte auch nur ein wenig und zog mir um die braune Schnauze.
Ich tauchte durch Büsche und zwischen Bäumen hindurch, bis ich andere Werwolfgerüche war nahm. Genau hier wollte ich hin!

Ich war jetzt ganz nah vor dem Rudelhaus von Kyrills Rudel. Ich nahm sogar für ein paar Sekunden seinen Geruch wahr, dann war er wieder weg. Ich kauerte mich ins Gebüsch um von der Lichtung aus nicht gesehen zu werden. Doch dann verwandelte ich mich in einen Menschen und trat hinter dem Gebüsch hervor.
In der Nähe waren keine Werwölfe oder Menschen, also lief ich über die Wiese bis hin zum Rudelhaus. Vor dessen Tür angekommen, wollte ich gerade Klopfen, als die Tür aufschwang und ich einem jungen Mann, ungefähr in Kyrills alter, gegenüber stand. 

   »Wer bist du denn?«, wollte er Stirnrunzelnd wissen.
   »Ähm ...«
  »Was willst du hier?«, fragte er weiter.
  Ich räusperte mich.
  »Ich möchte mit Kyrill, äh ... eurem Alpha sprechen.« 
  Mein gegenüber musterte mich durchdringend. 
   »Nun gut. Aber ich sage dir eins, Alpha Kyrill ist nicht gerade gut gedtimmt.«
   »Kannst du mich vielleicht zu ihm bringen, das währe nett. Ich weiß auch wahrscheinlich warum er so drauf ist«, fragte ich. 

  »Echt du weißt es?«
  »Nur vielleicht«, erwiderte ich hastig und wich dem Blick des Mannes aus. 
  »Komm mit, ich bring dich zu ihm.«
   Ich folgte dem Mann hinein und er führte mich durch das Rudelhaus. Wir gingen ein paar Treppen hinauf, bis wir vor einer Tür standen, auf der: 'ALPHA BÜRO' , stand. 

  »Klopf einfach an und gehe rein, ich muss jetzt los«, der Mann nickte mir noch einmal aufmunternd zu, dann verschwand er um die Ecke und war aus meinem Blickfeld verschwunden. Du schaffst das!, Redete ich mir Mut zu und klopfte dann beherzt an die Holztür an. 

   »Ja? Herein«, drang Kyrills raue Stimme von innen zu mir durch. Ich fasste noch mal all meinen Mut zusammen und öffnete dann die Tür. Als Kyrill mich erblickte, sprachen seine Augen bände. 
   »Du kannst gleich wieder gehen!«, rief er knurrend und stand auf. Doch ich ignorierte ihn einfach und setzte mich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. 

  »Ich habe gesagt du sollst gehen!«, wiederholte er seine Worte. Ich jedoch starrte ihn nur an, bis er sich setzte. Dann fing ich auch an zu reden.
   »Wenn du willst das ich gehe«, ich ließ eine kurze Pause, »Dann musst du mich aus deinem Fenster schmeißen, mich hinaustragen oder zerren, oder mich töten und dann meinen Leichnam irgendwie aus deinem Büro befördern.« 
   Er starrte mir tief in die Augen, zu tief! Ich hatte das Gefühl als könnte er in mich hineinschauen und meine Gefühle und Gedanken lesen, wie aus einem offenem Buch.

   »Ok du hast gewonnen. Was willst du?«
   Ich antwortete noch nicht gleich sondern überlegte erst genau.
  »Was ich will?«, ich hielt wieder inne und fuhr dann ohne mit der Wimper zu zucken fort, »Dich.«
   Er sah mich wieder an, aber sein Blick war ausdruckslos. 
  »Dann bist du an der falschen Adresse gelandet, mich wollen viele«, sagte er kühl. 
   »Nein bin ich nicht, denn an deiner Bürotür steht: 'Größter Idiot der Welt'«, entgegnete ich genauso kühl wie er zuvor und ignorierte was er als letztes gesagt hatte.

   Er verdrehte genervt die Augen. 
   »Komm jetzt lass mich in Ruhe, du machst die Situation auch nicht gerade besser.«
   »Weißt du eigentlich was du tust? Was du mir und dir antust?«, fragte ich ihn. Er zögerte bis er selbstbewusst antwortete:
   »Natürlich. Und jetzt schwirr ab, sonst bekommst du hier Hausverbot!«
Als ob mich das interessieren würde!

    Er knurrte noch einmal kurz auf, dann stand er auf und zog mich hoch. Er nahm mich auf den Arm und trug mich hinaus. Da ich mich eh nicht wehren konnte, versuchte ich es auch gar nicht erst. Als wir vor dem Rudelhaus waren, setzte er mich grob auf dem Boden ab und zog mich dann hinter sich her über die Lichtung. 

   »Warum war es dir nicht egal ob Luke mich küsst?«, platzte er gerade aus mir heraus. 
   »Das kann dir doch egal sein«, knurrte er und zog mich noch fester hinter sich her.
   »Ich meine, du küsst auch jedes Mädchen. Warum darf ich es nicht dann auch?«
   Er hielt inne und drehte sich langsam zu mir um. Dann beugte er sich dicht zu meinem Ohr hinunter, sodass sein heißer Atem auf meiner Haut ein prickeln verursachte, und flüsterte zuckersüß:
   »Weil das halt so ist, das hat schon seine Gründe.«
   Dann ließ er von mir ab und rannte zu seinem Rudelhaus zurück. 
Warum hat das seine Gründe? Jetzt war ich verwirrt.
»Und jetzt verpiss dich, rudellose haben hier nichts verloren!«, rief er mir hinterher als ich immer noch reglos da stand.

𝔸𝕔𝕔𝕖𝕡𝕥 𝕄𝕖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt