»Die Wahrheit kommt ans Licht«

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   »Hey Mum! Können wir reden?«, rief ich fragend als ich mir meine Sachen im Flur ausgezogen hatte. 
   »Ja klar. Worum geht's denn?«
   Ich lief zu ihr in die Küche und setzte mich gegenüber von ihr hin, so wie man das bei einem Verhör machte. Bloß die Lampe auf dem Tisch hatte ich nicht. Egal jetzt. 
   »Ich kann noch nicht anfangen, wir müssen erst noch etwas warten.« Ich sah sie eindringlich an.
   »Klar.« Mum zuckte nur mit den Schultern und trank ihren Kaffee weiter aus. 

Fünfzehn Minuten später, Niclas musste sich mega beeilt haben, auch wenn es seiner Mate schlecht ging, klingelte es an unserer Haustür. 
Ich stand auf und hechtete hinüber, dann riss ich die Tür auf und lies meinen Bruder hinein.
Er zog sich schnell Schuhe und Jacke aus und folgte mir schweigend in die Küche. Dort angekommen setzten wir uns beide gegenüber meiner Mum - unserer Mum - hin. 

   »Wer ist das?«, fragte sie daraufhin und sah überlegend auf Niclas.
   »Stell dich bitte nicht so an Mum, du hast ihn zwar fast Sechtzehn Jahre oder so nicht gesehen, aber du erkennst ihn.«
Es sah so aus, als ob sich die Miene unserer Mum aufhellte, doch sie wollte es nicht zeigen und tat so, als ob sie ihn nicht kannte. 
   »Nein Elin, ich kenne den jungen Mann neben dir keineswegs.« 
   »Mum, lügen konntest du noch nie wirklich gut, aber wir bleiben so lange sitzen bis du die Wahrheit sagst. Das ist für uns kein Problem.«
  Meine Gegenüber zog die Augenbrauen zusammen. 
   »Ich kenne ihn wirklich nicht.«

   Stille ...

    »Wie kann es wohl sein, dass wir beide Iwanow mit Nachnamen heißen?«, half ich ihr auf die Spur. Sie verdrehte die Augen.
    »Elin, es gibt viele die so mit Nachnamen heißen.«

Mit der Aussage hatte ich gerechnet. Deshalb setzte ich noch einen oben drauf. 
   »Und wie kann es sein, dass wir am gleichen Jahr am gleichen Tag geboren wurden? - Und Mum, falls du sagst, es ist kein Zufall! Denn wie erklärst du dir das: Wir sehen Identisch aus und sind dazu auch noch Werwölfe. Uuuuuund: Er wurde adoptiert, nachdem er ausgesetzt wurde. Ich hingegen habe noch eine Mutter. Mum das passt alles zusammen, egal wie oft du es abstreitest, wir WISSEN das wir Zwillinge sind. Wenn du alles abstreitest können wir auch einen Gentest machen.« 

   Ich sah ihr so eindringlich ich nur konnte in die Augen. Dann seufzte sie laut und lange.
   »Na schön, ihr habt gewonnen.«
So einfach gab sie sonst nicht auf. 
   »Junger Mann wie heißt du mit vollem Namen?«
   »Niclas Iwanow.« Nun sagte Niclas das erste mal was, und Mum erstarrte bei seinen Worten. 
   »Was ist? Warum bist du so bleich?«
   Mum fand ihre Stimme immer noch nicht wieder. 
   »Was ist los?«, fragte nun auch Niclas erschrocken. 
   »A ... Alles gut. Das war nur ... Niclas, du klingst genauso wie dein geliebter Vater in jungen Jahren.«

   Nun erstarrten Niclas und ich. Hatte sie gerade zugegeben, dass wir Geschwister waren. Mir klappte unmittelbar der Mund auf. 
   »Heißt das ... dass wir wirklich ... Zwillinge sind?«, keuchte ich. 
   »Ja, das heißt es«, brachte meine Mum nur ganz leise über die Lippen, danach brach ihre Stimme und sie verstummte. 

Ich hörte meinen Zwillingsbruder neben mir auch laut aufkeuchen.
   »Und warum habt ihr mich  ausgesetzt?«, wollte er dann natürlich wissen. Mum schüttelte nur den Kopf und legte ihre Finger an ihre Schläfen.
    »Das wollte ich nicht mal. Das war ich nicht mal.« Sie stoppte.
    »Wer dann?« Niclas war jetzt vollkommen verwirrt, genau wie ich.
   »Euer Vater.«
   »Waaas? Dad würde sowas niemals tun!«, das sagte nun ich, da ich nicht glauben konnte das Vater sowas tat. 
   »Aber wie? warum? Was? So war er doch gar nicht! Oder doch?«
Ich verzweifelte und die Trauer überflutete mich wie ein Tsunami. 

   »Euer Vater war ein guter Mann ... aber warum er das getan hat weiß ich nicht recht, ehrlich gesagt. Er hat was von dem Schutz der Familie geredet. Irgendwas war mit eurem Vater, deshalb hattest du auch nie wirklich Freunde, Elin. Und deshalb wurde er auch ermordet und wir sollten verschwinden. Wir werden nie herausfinden was los war, und ich glaube das wollen wir auch gar nicht. Und Niclas, es tut mir furchtbar leid, es muss so schlimm für dich in den letzten Jahren gewesen sein. Ich werde mir das nie verzeihen. Ich habe dich immer geliebt - und das tue ich jetzt immer noch. Bitte verzeihe mir!«

   Mum hatte noch nie so ein Geständnis abgelegt. Wow. Krass. 
   »Ich verzeihe dir ... Mum.«
Er nickte und ihm stiegen auch feuchte Tränen in die Augen. Dann stand Mum auf und umarmte uns beide fest. 

Die restlichen Stunden des Tages redeten Mum, Niclas und ich über die vielen vergangenen Jahre und Mum kramte sogar noch uralte Fotos heraus, auf denen Niclas und ich als Babys waren. Ständig musste irgendwer von uns weinen, was aber auch total verständlich war. Es war einfach nur schön mit meiner Familie zusammen zu sein - und meine Zweite Hälfte wieder gefunden zu haben. 

𝔸𝕔𝕔𝕖𝕡𝕥 𝕄𝕖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt