10. Goldene Grammophone

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Lorena:

Das mit dem früh aufstehen hatte allerdings nicht so geklappt, wie ich es vorgesehen hatte. Um sieben Uhr dreißig war ich durch Nicos Lärm aus dem Schlaf gerissen worden und musste zu meinem Erschrecken feststellen, dass ich nicht nur einen Alarm, sondern gleich ganze drei Stück verschlafen hatte.

In einem Kuddelmuddel hatte ich in Windeseile meine Sachen zusammengepackt und mich dazu gezwungen Bus zufahren. Ich hasste es, so viel stand fest. Während ich eingepfercht zwischen meinen Mitfahrern stand, trommelten meine Finger an der Haltestange entlang. Menschen so nah in meinem Radius zu haben war ich nicht gewohnt und es machte mich nervös. Lieber lief ich den Weg zur Kunstakademie, so weit war es nun auch nicht, die dreißig Minuten sah ich als meine tägliche Sporteinheit. Die heutige ungeplante Ausnahme, machte mir jedoch noch einmal schmerzhaft bewusst, wie schlimm es wirklich war. Ich bildete mir sogar ein, ich könnte den Atem der Frau neben mir riechen.

Als ich schließlich an der Vorletzten Haltestelle aus dem Bus eilte, war ich zur Abwechslung ziemlich froh, das alte Gemäuer vor mir zu sehen. Vielleicht würde ich heute ja sogar Anschluss finden.

Meine positiv gestimmte Ader hielt nicht lange an. Der Tag zog sich grausam lange hin, keiner widmete mir auch nur einen Schlag mit der Wimper und ich hätte beinahe im Klo angefangen zu heulen, wäre nicht die Nachricht von Billie reingekommen, die gefragt hatte, ob ich beim Pool ihres Bruders vorbeischauen wollte.

So kam es, dass meine Zehenspitzen am Nachmittag das kühle Nass berührten, während ich lässig auf dem Rand des Outdoor-Pools von Finneas und Claudia lehnte.

Die wunderschönen türkis-gemusterten Kacheln glitzerten in der heißen Mittagssonne und der geräumige Garten, samt Haus hatte diesen griechischen Touch, es erinnerte mich an das Hotel aus Mama-Mia. So wollte ich später auch einmal wohnen!

Billie saß neben mir in ihr Handy vertieft und summte verträumt einige Takte zur im Hintergrund plänkelnden Musik mit. Sie trug ein weißes T-Shirt, welches beinahe bis zu ihren Knien reichte. Darunter konnte man die Umrisse eines neon-grünen Bikini hindurchschimmern sehen. Zum Glück war mir Claudia, die Freundin von Finneas, Billies Bruder mit einem Badeanzug behilflich, denn ich hatte mich nach der letzten Stunde Uni direkt auf den Weg hierher begeben.

Claudia und Finneas hatten es sich im Gegensatz zu uns auf den Liegestühlen unter dem Sonnensegel, ein paar Meter hinter uns, gemütlich gemacht.

Einige Schweißperlen zierten bereits den Rand meines Gesichts, meine Sonnenbrille war mir den Nasenrücken heruntergerutscht, aber noch hatte ich nicht genug Sonne getankt, um mich im Wasser abzukühlen.

„Huch!", rief ich erschrocken auf, als eine schlabbrige Zunge über mein Gesicht fuhr.
„Peaches, aus!", ermahnte Claudia die aufgedrehte Pit Bull Hündin. Ihre Stimme brachte mich noch immer aus dem Konzept. Vor mehr als zwei Jahren hatte ich regel-mäßig ihre Lifestyle-Blogs und Fashion-Tipps auf YouTube geschaut. Das war, bevor ich social Media abgeschworen hatte.  Und wer öffnete heute Mittag die massive rote Eingangstür? Richtig, Claudia Sulewski! Die Überraschung stand mir erneut übers' ganze Gesicht geschrieben, als ich mich daran erinnerte:

Billie, die hinter mir gerade noch ihren Wagen abgeschlossen hatte, kam die wenigen Treppen zu mir hochgeeilt. In der Hand hielt sie eine Strandtasche.
„Woops, meine Schuld! Hab vergessen zu erwähnen, dass Claud ja Claudia Sulewski ist", merkte sie beiläufig an. Claudia lachte bloß und schloss mich in eine herzliche Umarmung.

„Hi", sagte ich etwas eingeschüchtert von ihrem Präsenz und konnte fühlen, wie mir die Röte in die Wangen stieg, „ich bin Lori!"
„Na dann, hallo Lori, hi, Bil, kommt rein!", Claudia winkte uns aufmunternd zu.

Who Am I? - Billie Eilish Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt