26. Ruhe vor dem Sturm

342 15 0
                                    

„Something's in the air right now"

Billie:

Hastig streifte ich mein rotes T-Shirt über meinen Kopf, bei dem Versuch meine neonfarbenen Sneakers wieder anzuziehen kippte ich beinahe um. Der nächste Tag war angebrochen, der Tag meiner Show!

Die letzten 20 Minuten hatten Lori und ich es, um es nüchtern zu sagen: in der Besenkammer getrieben. 20 Minuten in denen ich mich schon längst auf meinen Auftritt vorbereiten hätte müssen.

Umso mehr hetzten wir nun, unsere Klamotten wieder anzubekommen! Das hier war wirklich der Inbegriff von unprofessionell, wie Danny jetzt sagen würde. Aber mal ehrlich: Das könnte mir nicht egaler sein!

„Geh schon mal vor Lori! Du verpasst sonst den Anfang meiner Show", rief ich zu ihr herüber. Sie trug Hotpants und Glitter im Gesicht, das typische Coachella Outfit sozusagen. Sogar ein rotes Bandana ging um ihren Hals, es war etwas zur Seite gerutscht.

„Okay! Du schaffst das Bil! Geh da raus und rock es!", antwortete Lori mir. Dann zog sie mich in eine eilige Umarmung und küsste meine Wange. Für einen Augenblick blieb die Zeit stehen, ich spürte ihre sanften Lippen auf meiner Haut, ihre Umarmung gab mir halt. Ein letztes Mal durchatmen, bevor das Chaos ausbrechen würde.

Meine Hände fuhren ihre schmale Taille entlang und landeten schließlich unter den Saum ihres Shirts. Binnen Sekunden breitete sich Gänsehaut auf Loris Körper aus, verlegen bis sie auf ihrer Lipper herum. Ich liebte es, so einen Effekt auf sie zu haben. Doch das Ticken der lauten Wand Uhr erinnerte mich daran, dass die Zeit nicht wirklich stehen bleiben konnte.

Lori drückte mir einen letzten Kuss auf die Lippen, rannte Richtung Tür und rief noch hastig: „Ich liebe dich!"

Ehe ich mir versah, war sie durch den Ausgang verschwunden. Verdattert starrte ich auf die Stelle, an der Lori eben noch stand: „Du was?"

Ich hatte noch nicht einmal Zeit zu verstehen was Lori gerade gesagt hatte, denn keinen Moment später klopfte es erneut und Finneas kam herein: „Billie die Bildschirme funktionieren nicht!"

„Du veräppelst mich, oder?", entgegnete ich entgeistert. Das konnte doch nicht wahr sein, „Die visuellen Effekte sind das wichtigste Fin! Das ist das Beste der ganzen Show!", ich warf meine Hände in die Luft, „was machen wir denn jetzt?"

Hektisch schlüpfte ich in meine Schuhe und sah dabei Loris vereinsamte Trinkflasche auf dem Tisch, sie hatte sie vergessen. Nicht gut! Es waren gefühlte 40 Grad hier draußen in der Wüstenlandschaft.

Fin zuckte bloß enttäuscht mit den Schultern. Obwohl meine Haare noch immer zu allen Seiten abstanden, stampfte ich wütend an ihm vorbei zum Bühneneingang.

„Noch 10 Minuten!", hörte ich einen Techniker rufen, als ich gerade aus der Tür trat, durch welche Lori nur wenige Sekunden vor mir verschwunden war.

Die gesamte Technikcrew war bereits hinter der Bühne versammelt, auch Danny mein Manager und meine Mom unterhielten sich lautstark.

„Was ist hier los?", rief ich aufgebracht und fuhr mir durch die Haare.
„Billie wir wissen es nicht. Ruhig bleiben!", antwortete dieser. Von wegen!

Mein Vater kam auf mich zugeeilt: „Billie deine in-ears! Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt?", Ich zuckte bloß mit den Schultern, während mein er begann mich zu verkabeln. Durch mein Langarmshirt zog ich die Kabel der Kopfhörer hoch und ließ sie, statt sie mir in die Ohren zu stecken hinunterbaumeln. Das Ganze ließ mir gerade noch genug Zeit, um meine Haare in zwei Zöpfe zu knoten.

„Haben wir einen Plan B?", fragte Finneas und trommelte nervös auf seiner Gitarre.

Danny schüttelte den Kopf: „Die Techniker versuchen das Problem zu beheben, aber das kann dauern."

Meine Augen zuckten zur Seite und ich spürte meine Fingernägel, die in meine Handflächen pressten. Reg dich ab Billie, es ist alles gut! Doch mir selbst Mut zu machen, funktionierte nicht. Ich war mittlerweile so verdammt aufgeregt, mein Schädel platzte beinahe und meine Beine fanden keine Ruhe mehr. 70 tausend Menschen! So viel Leute passten nicht mal in ein Stadion!

Danny hatte sich von uns abgewannt und diskutierte etwas weiter hinten angeregt mit Fin. Wenn ich noch eine Minute weiter im lauten Trubel stehen musste, dann würde mich mein Lampenfieber umbringen. Das alles hier ging mir viel zu schnell!

„Wir müssen zwei Songs cutten!", erklang die Stimme meines Bruders vor mir.
„Verarsch mich nicht Fin!", rief ich, meine Augen füllten sich mit Tränen.

„Das ist kein Witz Billie!", Finneas Gesicht starrte mich ernst an, bis ich mich in eine Umarmung von ihm fallen ließ: „Alle werden uns dafür hassen!", schluchzte ich, „u-und wie sollen wir entscheiden welche wir streichen?"

„Niemand wird dich hassen! Das sind deine Fans, die da draußen auf dich warten!", tröstete er mich und ich nickte. Und Lori! Der Gedanke an sie im Sicherheitsbereich beruhigte mich ein wenig. Dann atmete ich einmal tief durch.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es beinahe Zeit war. Panisch ergriff ich Fins Hand: „Okay wir streichen einfach irgendwas aus der Mitte, das fällt am wenigsten auf", rief ich über den Lärmpegel zu Danny rüber, dieser nickte und eilte davon.

„Wenn was schief geht, zu so als wäre nichts", meinte Finneas noch und kurz darauf wurden wir auch schon von einigen Organisatoren Richtung Bühneneingang geschoben. Von der Seite konnte ich erkennen, wie zwei Männer an den Bildschirmen hantierten, die weiterhin bunt flimmerten.

„Für was machen wir das Ganze, wenn uns niemand sehen kann?", rief ich verzweifelt und wippte in meinen schwarzen Air Force 1s auf und ab.

Ein Typ neben mir begann den Countdown zu zählen: „Zehn, neun, acht- .."

Bei seinen Worten überschlug sich mein Herz gleich ganze acht Schläge auf einmal. Das Adrenalin breitete sich in meinen Adern aus, ich wollte jetzt endlich da raus, sonst würde ich explodieren!

„Sieben, sechs, fünf-..."

Schnell steckte ich mir meine in-ears in meine Ohren. Die schwarzen Muscheln dämpften den Lärm für die restlichen Sekunden ab. Dann begann der Bass und mit schnellen Schritten, voller neuer Energie, rannte ich auf die riesige Bühne.

Who Am I? - Billie Eilish Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt