35.

434 19 9
                                        

Lorena

„I remember you said you were scared. And so was I"

Ich hatte es nicht getan! Beinahe eine ganze Woche war bereits verstrichen, seit Billie mich das erste Mal verheult angerufen hatte und während diese mittlerweile eine halbe Weltreise hinter sich hatte, begrenzte sich mein Radius noch immer auf den Weg von meinem Zimmer zur Kaffeemaschine.

Stattdessen erhielt ich nun immer regelmäßiger schaurige Anrufe zu unmöglichen Tageszeiten.
Ein eiserner Schauer lief mir über den Rücken, als ich mich an unser letztes Gespräch zurückerinnerte. Billies raue, überarbeitete Stimme hallte noch in meinem Kopf.

„Lori, ich brauch dich! Mit dir wäre das alle hier so viel erträglicher!", flehte sie, ihr Gesicht glänzte noch von den feuchten Tränen im gedämmten Licht eines Hotelzimmers.

Es war der dritte Anruf innerhalb einer Woche, ich hatte mich gerade an den Schreibtisch setzten wollen um endlich diese verdammte Skizze für die Art Academy fertig zu bekommen, als die vertrauten Buchstaben Billies Namens über meinen Handybildschirm flackerten.

„Bil", seufze ich ergeben. Ich bezweifelte stark, dass meine Anwesenheit wirklich Lösung für dieses Problem war. Besser wäre ein Therapieplatz, aber diesen Gedanken behielt ich lieber für mich, ich konnte mit ausmalen wie Billie auf diesen Vorschlag reagieren würde. Mal abgesehen davon, dass sie sich für so etwas niemals Zeit freischaufeln würde.

Doch vielleicht lag ich damit auch vollkommen falsch, immerhin wusste ich so gut wie nichts über ihre Vergangenheit. Meine Vermutungen blieben eben genau das, nämlich Vermutungen so lange, bis Billie sich dazu entschloss, mir mehr aus ihren Leben zu erzählen.

Bevor ich schließlich antworten konnte, nahm mir Billie diese Last ab. „Ist schon gut Lori, ich weiß das es nicht geht", ihre Stimme klang seltsam monoton durch den Hörer.

„Nein-, Billie, ich-,", stotterte ich. Das leise Schluchzen am anderen Ende brach mir das Herz, ich blieb still. Kurz wägte ich ab, über meinen Schatten zu springen und der Reise einzuwilligen. Doch die Worte wollten einfach nicht über meine Lippen kommen. Es war, als hätte sich eine eiserne Hand um meinen Hals gelegt, welche mich vom Reden abhielt, so wie bereits bei unserem vorherigen Telefonat.

Egal wie fest ich es mir vornahm, mein Körper hielt mich mit allem, was er hatte, davon ab. Was musste noch passieren, damit ich mir endlich einen Ruck geben konnte?

Die nächsten zwei Tage hatte sich Billie nicht mehr bei mir gemeldet, ich ging nicht direkt davon aus, dass sie wahrhaftig sauer auf mich war. Dennoch konnte ich mir gut vorstellen, wie sehr mein Schweigen sie verletzt hatte.

Und wieder wunderte ich mich hilflos, wo sie sich gerade wohl herumtrieb oder was sie tat, während die Leitung still blieb. So lange, bis mich schließlich der nächste nächtliche Anruf erreichte. Es bildete sich schon fast eine kleine Routine heraus. Tagsüber blieb die Leitung tot und alle paar Tage dann hielt mich das Telefon vom Arbeiten ab. So auch heute.

Nervös hockte ich auf meinem Stuhl, vor mir die Skizze meiner Zeichnung, für die ich mittlerweile peinlich lange brauchte. Mein Handy lag neben mir, bereit, den täglichen Anruf anzunehmen.

Vielleicht würde ich es heute ja schaffen, Billie endlich zu sagen, dass ich sie doch begleiten wollte. Bei dem bloßen Gedanken wurde mir schummrig. Wenn ich das Thema erst einmal angesprochen hatte, dann gab es kein Zurück mehr! Wohl oder übel müsste ich in ein Flugzeug steigen und sie wahrhaftig besuchen kommen.

Unsicherheit stieg in mir auf. Was wohl Billies Familie dazu sagen würde? Waren sie sauer, dass ich nicht schon früher gekommen bin oder wollten sie mich erst gar nicht dabeihaben? Und Billies Team? Für sie war ich bestimmt bloß ein weiterer Störfaktor, den sie lieber eliminieren würden.

Who Am I? - Billie Eilish Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt