2. Time flies by

632 20 1
                                    

Billie:

Den nächsten gold-gelben Sonnenaufgang erblickte ich jedoch erst auf dem Heimweg nach Los Angeles.

Seit meiner letzten Show in Prag waren nun mehrere Tage vergangen und ich hätte nicht glücklicher sein können, endlich im Flieger zurück, zu betreten. Die Auftritte waren stressig, aber die Stimmung toll! Vor allem der Gedanke daran, endlich wieder in meinen eigenen vier Wänden Zuhause zu sein, brachte mir Kraft.

Wie gewohnt teilte ich mir die Sitzreihe der Business-Class mit meinem Bruder. Mit der Kapuze weit über meinen leuchtenden Haaransatz gezogen, betrachtete ich durch das kleine Fenster, wie die Wolken unter uns vor-beizogen. Das kindliche Bedürfnis fliegen zu können ließ mich von anderen Welten träumen, bis ich ein Tippen auf meiner Schulter vernahm.

Oh bitte lass es keinen Fan sein! Als ich mich umdrehte erkannte ich, dass es bloß eine Stewardess war: "Möchten Sie noch etwas trinken? Neben ihr befand sich das kleine Getränkewägelchen.

"Eine Cola bitte." Kaffee wäre angesichts meiner zu-nehmenden Erschöpfung effektiver gewesen, doch ich mochte den Geschmack nicht, er war für Ausnahmefälle reserviert. Dankbar nahm ich meine nächst beste koffeinhaltige Wahl entgegen und sippte einen Schluck der prickelnden Flüssigkeit.

Ahhh, tat das gut! Schließlich wendete ich mich wieder zu Finneas, welcher seelenruhig zu schlafen schien.

Mein Blick fiel zurück auf die Wolkenlandschaft, welche an uns vorbeizog. Die Art und Weise wir die Sonnen-strahlen auf dem Nebel glänzten verlieh der Welt dort draußen etwas Unheimliches, doch gleichzeitig ruhiges. Ich hatte im Laufe meines Lebens bereits unzählige Male den Himmel von hier oben bewundert und mich gefragt, ob es hinter dem Horizont wohl noch mehr gab. Bis jetzt hatte ich jedoch noch keine Antwort drauf gefunden.

Als das Flugzeug allmählich an Höhe verlor, zeichneten sich in der Ferne langsam die bunten Lichter des Flughafens ab. Erleichtert atmete ich auf, als die Räder endlich den Boden berührten. Die Landung war mir jedes Mal aufs Neue ungeheuerlich.

Viel erschreckender sollte jedoch mein Weg durch die Terminals sein. Unsere Crew, bestehend aus plus, minus zwanzig Leuten, bahnte sich einen schmalen Weg durch den extra für uns abgesicherten Bereich. Scully lief im Gleichschritt neben mir und meinem Bruder, der im Gegensatz zu mir seine Kapuze nicht über den Kopf gezogen hatte.

Warum ich nicht einfach in ein Privat-Jet stieg? Der Umwelt zuliebe! Doch in letzter Zeit zog ich es häufiger in Betracht.

Es folgte ein eventloser Rückweg in das bergige Gelände Highland Parks, bis wir inmitten einer Reihensiedlung vor einem winzigen blauen Haus schließlich stehenblieben. Gerade kramte mein Vater in seiner Hosentasche nach dem Schlüssel, um aufzuschließen.

"Mhhhh, ahhh!", ich zog tief die Luft ein, während ich eintrat, "der Geruch nach Zuhause! Scheiße bin ich froh wieder da zu sein." Meine Mom nickte zustimmend: "Ja, wir haben es alle vermisst!"

Eifrig rannte ich die knarrenden Treppen zu meinem Zimmer hinauf. Unser kleines Haus war wirklich nicht das, was man sich unter einem Zuhause eines Popstars vorstellte. Aber weder Mom, Dad, noch ich waren bereit, es hinter uns zulassen. An den Wänden waren die Kratzer von unzähligen Streitereien von Finneas und mir, in der Küche stand unser klappriges Klavier und meine Eltern teilten sich ein Bett im Wohnzimmer.

Auf dem Weg in mein Zimmer kam ich an Finneas altem vorbei. Die Tür war angelehnt und ich erhaschte einen kurzen Blick auf das Studio-Equipment, welches dort lagerte. Hier hatten wir die EP und das Album geschrieben und produziert. Über der Tür stand mit Edding 100.000 Stunden geschrieben.

Ja, so hatte es sich angefühlt! Verdammt kacke und gleichzeitig unglaublich gut. Manchmal saßen wir die ganze Nacht auf seinem Bett, feilten an Versen und Melodien, während meine Mom uns Burritos machte.

Mittlerweile war Finneas mit seiner Freundin zusammengezogen, ihr Haus war nur wenige Minuten die Straße runter, trotzdem fühlte sich nun alles anders an.

Finneas großer Liebe Claudia, stand ich anfangs ziemlich skeptisch gegenüber, immerhin war sie Youtuberin und noch dazu wunderschön. War ich eifersüchtig, dass Finneas nun nicht mehr so viel Zeit für mich hatte? Ja, vielleicht! Aber mir wurde schnell klar, dass sie nichts Böses wollte und meinen Bruder wirklich liebte.

Außerdem behandelte sich mich nicht wie Billie Eilish, das 19-jährige Mädchen mit Depressionen und 60 Millionen Instagram Followern. Nein für sie war ich einfach nur Billie, Finneas kleine Schwester.

Ich drückte den Lichtschalter herunter und mein Zimmer erschien in rotem Schein vor mir. Sexy! In Rot sieht alles besser aus. Zudem hatte es eine beruhigende Wirkung auf mich.

Unachtsam warf ich mein Zeug vor mein riesiges Schuhregal und ließ mich schließlich seufzend auf mein Doppelbett fallen. Es war angelehnt an der Wand und füllte beinahe den gesamten Raum aus. Hinter dem Kopfteil hing eine Louis-Vuitton Decke hinab.

Danach entsperrte ich mein Handy, um eine Insta-Story zu posten. Ich wollte meinen Fans mitteilen, dass ich gut daheim angekommen war. Also machte ich ein Foto von meinem rot-erleuchtetem Zimmer und schrieb darunter: Home sweet home!

Nur wenige Sekunden später sah ich bereits die ersten re-posts. Man! Die Fanaccounts waren wirklich schnell. Alle Bilder, die ich, während dem Scrollen sah, likte ich, in der Hoffnung meine Fans würden sich gesehen fühlen.

Die Kommentare jedoch las ich nie. Ich hatte es mir abgewöhnt, denn es wurde viel zu viel Hass verbreitet. Früher hatte ich noch gesagt, ich würde Hate mögen. Da wusste ich allerdings noch nicht, wie schlimm es einmal werden würde.

Eingekuschelt in meine eigene, nach Vanille duftende Decke, verbrachte ich meinen restlichen Abend vor meinem Handy, bis mit im Gedanken an meine Fans und die Leute, die mich unterstützten, die Augen schließlich zufielen.

Who Am I? - Billie Eilish Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt