Kapitel 31

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Nachdem ich am Sonntagabend wieder zu Hause ankam, wurde es etwas still zwischen Kai und mir. Wir hatten uns am Bahnhof ganz normal verabschiedet und versucht alles zu überspielen, aber ich merkte schnell, dass diese Geschehnisse zwischen uns standen. Wir schrieben zwar noch ab und zu, jedoch war das nicht mehr so locker wie früher. Ich hatte Angst, dass es jetzt für immer so bleiben würde. Denn wie viele Rückschläge hält eine Freundschaft aus? Wir hatten immer wieder die Grenze überschritten und das obwohl Kai meinte, dass er in mir nicht mehr als eine Freundin sieht? Vielleicht liege ich ja falsch, aber ich war mir eigentlich sicher, dass zu sowas immer zwei gehörten. 

Nach langem Nachdenken, glaubte ich ihm mittlerweile nicht mehr, dass er nur Freundschaft für mich empfand. Er redete sich das vielleicht selbst ein, aber sein Herz wollte etwas ganz anderes. Da war ich mir fast sicher. 

Um eine Bewertung meiner These zu bekommen, fragte ich Lena in der Schule nach ihrer Meinung.

"Willst du wissen, was ich von der ganzen Sache halte?", fragte sie, während wir auf einer Bank auf dem Pausenhof saßen, "Kai hat Angst, dass es wieder so läuft wie mit Sophia, deswegen will er dich einfach nur als beste Freundin."

"Aber ich bin doch nicht Sophia!", meinte ich frustriert. 

"Natürlich nicht. Aber dank seiner Ex hat er jetzt Vertrauensprobleme. Er hat Sophia geliebt und für loyal gehalten. Mit der Erkenntnis, dass sie ihn betrogen hat, ist eine Welt für ihn zusammengebrochen und er hat den Glauben an das Gute im Menschen verloren."

Einen kurzen Moment, beobachtete ich die kleinen Kinder, die vor uns Fangen spielten und dachte darüber nach, was Lena gerade gesagt hatte. Sie hatte mal wieder komplett recht mit dem was sie von sich gab. Doch mein Kopf war immer noch voll mit Fragezeichen.

"Und was soll ich jetzt machen?", fragte ich verzweifelt.

"Wahrscheinlich musst du ihm wirklich etwas Zeit geben. Ich bin mir sicher, früher oder später wird er sehen, was er an dir hat", antwortete Lena.

Das Gespräch mit Lena hatte mir sehr geholfen. Auch wenn mir schon viele Dinge vorher klar waren, haben mir ihre Worte noch ein wenig die Augen geöffnet. Ich würde wohl ihrem Rat folgen müssen und abwarten. Das letzte, das ich wollte war Kai zu bedrängen. Wie heißt es so schön? Man kann einen Menschen nicht zu seinem Glück zwingen. 


Beim Mittagessen stocherte ich, genauso wie in den letzten Tagen, nur in meinem Essen rum. Diese ganze Sache schlug mir ganz schön auf den Magen. Mein Dad warf mir einen besorgten Blick zu.

"Was ist los? Seit du aus Leverkusen zurück bist, bist du so komisch."

"Ich fühl mich nicht so gut. In Köln war es ganz schön kalt, vielleicht hab ich mich da ja erkältet", log ich. 

Mein Dad nickte und war anscheinend mit meiner Antwort zufrieden oder er ließ es sich einfach nicht anmerken, dass er nicht überzeugt war. Wenn letzteres der Fall war, war ich ihm mehr als dankbar dafür, dass er auch nicht weiter nachhakte. 

Doch dann mischte sich auf einmal meine Mum ein. 

"Liegt es daran, dass am Samstag Janas Todestag ist?"

"Was? Nein! Ich hatte daran nicht einmal gedacht."

Das stimmte sogar. Ich hatte bei den ganzen Problemen mit Kai den Todestag meiner verstorbenen besten Freundin fast vergessen. 

Doch jetzt schlug die Erkenntnis ein wie eine Bombe. Ich fühlte mich schlecht, weil ich das fast vergessen hätte. An so einen wichtigen Tag sollte man eigentlich denken. Ich würde dieses Jahr wohl nicht an ihr Grab können, deswegen sollte ich wenigstens hier eine Kerze als Zeichen der Erinnerung aufstellen. Oh Gott, was wäre nur gewesen, wenn mich meine Mutter nicht daran erinnert und ich das wirklich vergessen hätte?

Just a fence between us | Kai HavertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt