Kapitel 36

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"Und? Wie seh ich aus?"

Ich drehte mich einmal um meine eigene Achse, sodass Kai das komplette Kleid betrachten konnte.

"Wunderschön! Wie eine Prinzessin!", hörte ich Kais Stimme aus den Lautsprechern meines Laptops.

Ich warf ihm einen Kuss zu, worauf sein Lächeln auf dem Bildschirm noch größer wurde. 

"Ich wünschte, du könntest heute Abend hier sein", murmelte ich niedergeschlagen.

Sofort verschwand Kais Lächeln.

"Ich weiß. Ich würde auch gerne deinen Abiball miterleben, aber leider muss ich morgen früh zum Training. Irgendwann mach ich das wieder gut, versprochen!"

Ich seufzte traurig.

"Schon okay. Ich verstehe das ja, nur... naja, egal."

"Nur was?", hakte Kai nach.

"Ich bin so nervös und mit dir an meiner Seite würde ich mich selbstbewusster fühlen."

"Du schaffst es auch ohne mich selbstbewusst zu sein, das weiß ich. Tara, du bist stärker als du manchmal denkst."

Ich schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln.

"Danke."

"Nichts zu danken. Ich sage nur die Wahrheit."

Einen Moment war es still, bevor ich einen Blick auf die Uhr warf.

"Ich muss jetzt leider auflegen, sonst hab ich nicht mehr genug Zeit, um mich zu richten."

"Klar. Ich wünsche dir ganz viel Spaß heute Abend! Tschüss!", verabschiedete Kai sich.

"Danke. Bis bald!"

Dann legte ich auf und Kais Gesicht verschwand auf dem Display. 

Eigentlich bin ich in den letzten Wochen relativ gut mit der Entfernung klar gekommen. Aber wahrscheinlich lag das auch daran, dass ich aufgrund meiner Abiturprüfungen gar keine Zeit dafür hatte Kai zu vermissen. Doch jetzt, wo ich soviel Freizeit habe, die wir gemeinsam verbringen könnten, merke ich mehr und mehr, dass er mir fehlt. 

Wir haben uns jetzt schon zwei Monate nicht mehr gesehen. Ich weiß, für manche klingt das vielleicht nicht nach einem langen Zeitraum, aber für mich fühlt es sich wie eine Ewigkeit an.

Sobald alle schulischen Veranstaltungen vorbei sind, werde ich in den nächsten Zug steigen und nach Leverkusen fahren. So schnell wird mich Kai nicht mehr los werden.

Es gibt nur noch ein weiteres Problem: Ich hab keine Ahnung, was ich jetzt nach meinem Abi machen soll.

Deswegen habe ich mich bisher auch noch nirgends beworben. Ich bin einfach zu unentschlossen und möchte mich nicht in irgendetwas hineinstürzen, das mir vielleicht gar keinen Spaß macht. Langsam wird jedoch die Zeit ein wenig knapp. 

Ein paar Leute haben mir schon geraten, dass ich einfach ein Jahr lang Pause machen soll, um mich zu orientieren und etwas zu finden, das zu mir passt. Aber ich will nicht die nächsten 12 Monate nur rumsitzen. Einerseits möchte ich schon irgendetwas machen, andererseits habe ich aber auch Angst davor und würde mich am liebsten einfach in meinem Zimmer verkriechen - am besten für immer.

Oh man! Das ist alles so kompliziert!

"Tara? Bist du fertig?", schrie meine Mutter durch das Haus. 

"Ja, gleich!", rief ich zurück.

Schnell checkte ich nochmal mein Make-Up und meine Frisur im Spiegel, dann lief ich in den Flur.

Just a fence between us | Kai HavertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt