Kapitel 17

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Ich fühlte mich ein wenig unwohl, als ich so ganz alleine ins Stadion lief. Alle um mich herum kamen in Gruppen oder mindestens zu zweit. Warum nochmal tat ich mir das an?
Ganz alleine zu einem Fußballspiel! Ich war echt irre geworden!
Aber ich tat es für Kai. Oder besser gesagt für unsere Freundschaft.
Wenn ich meinen "einsamen" Aufenthalt in diesem riesigen Stadion überstanden hätte, würde ich endlich Kai wiedersehen. Wir würden uns über alles Mögliche unterhalten und natürlich viel lachen. Und das war es mir auf jeden Fall wert!

Ich schenkte dem Paar auf den Plätzen neben mir ein Lächeln, als ich mich setzte. Ich wollte jetzt noch einen guten Eindruck machen, denn was ich während dem Spiel aus meinen Emotionen heraus anstellen oder schreien würde, konnte ich noch nicht voraussagen.
Ich konnte mich in ein Fußballspiel echt reinsteigern, sodass ich plötzlich all meine Manieren verlor.
Wenn ich eine Begleitung hatte, war das eigentlich ganz lustig. Denn wir lachten meistens über meine Ausraster. Doch ich wusste nicht, was Fremde dazu sagen würden, wenn ich hier ganz alleine meinen Emotionen freien Lauf lasse. Ich würde dann ja auch noch Selbstgespräche führen!
Ich musste mich heute echt konzentrieren, um mich nicht zu blamieren.

Während dem Spiel hatte ich immer wieder das Bedürfnis, meine Meinung zu den einzelnen Aktionen mit jemandem zu teilen. Doch leider war ja niemand dabei. Es war fast wie Folter all die Gedanken für mich behalten zu müssen und sie nicht laut aussprechen zu können.
Irgendwie war es im Allgemeinen komisch alleine ins Stadion zu gehen und ich beschloss, das nächste Mal wieder jemanden mitzunehmen.

Die Jungs hatten ein 1:1 gegen sehr starke Leipziger geschafft. Jedoch war Kai irgendwie nicht in Bestform. Er sah sichtlich unzufrieden mit seiner Leistung aus.

Nach der Partie lief ich gemütlich zu unserem vereinbarten Treffpunkt, da ich wusste, dass es bei Kai länger dauern könnte.
Nach 10 minütigem Warten kam er endlich angefahren. Sein Blick sagte mir, dass er immer noch schlecht drauf war wegen dem Spiel.
Ich versuchte dennoch ihn gut gelaunt und lächelnd zu begrüßen.
Das erste was er von sich gab war: "Tut mir Leid, dass du das mit ansehen musstest."
Ich war einen Moment verblüfft.
"Dir muss hier gar nichts leid tun! Ihr habt ein Unentschieden geschafft gegen Leipzig, die dieses Jahr Chancen auf den Meistertitel haben."
"Aber meine Leistung war echt nicht ausreichend! Irgendwie läuft die Saison bisher noch nicht so..."
"Das stimmt doch gar nicht! Ihr habt die meisten Spiele gewonnen und du hast schon zwei Tore geschossen", versuchte ich Kai zu beruhigen.
"Zwei Tore! Das ist nicht das Niveau, das ich eigentlich spielen möchte. Ein Robert Lewandowski zum Beispiel hat jetzt schon 11 Tore. Der hat alleine zwei am ersten Spieltag geschossen!"
"Okay Kai, ich hab's verstanden. Vielleicht läuft es bisher noch nicht so wie du es dir vorgestellt hast. Aber vielleicht machst du dir auch einfach zu viel Druck."
Er seufzte nur genervt als Reaktion. Deshalb sprach ich einfach weiter: "Egal was es ist, das wird schon wieder. Davon bin ich überzeugt. Könnten wir das aber jetzt vielleicht vergessen und einfach die kurze gemeinsame Zeit genießen?"
Kai schielte kurz zu mir herüber, dann meinte er: "Klar. Tut mir Leid, dass ich meine schlechte Laune gerade an dir rausgelassen habe. Du kannst da am wenigsten für."

Als wir in die Straße einbogen, in der seine Wohnung lag, fragte er: "Es ist schon in Ordnung, dass wir einfach zu mir nach Hause fahren, oder? Ich muss mit dir über etwas reden und da ist mir meine Wohnung am liebsten."
"Natürlich!", antwortete ich sofort. Doch innerlich zerbrach ich mir den Kopf darüber, was er mir wohl sagen wollte.
Hatte er etwa mit Sophia Schluss gemacht?
Oder wollte diese nicht, dass ich ihn weiterhin besuchte?
Oder steckte Kai etwa irgendwie anders in der Scheiße?

Ich war froh, als Kai endlich seinen Wagen in der Tiefgarage parkte und wir uns auf den Weg in seine Wohnung machen konnten.
Ich platzte fast vor Neugier. Jedoch hatte ich auch ein wenig Angst. Kais Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war es auf jeden Fall nichts erfreuliches, das er mir erzählen wollte.

Ich ließ mich als erstes auf das bequeme Sofa fallen und wartete wieder bis Kai sich frisch gemacht hatte.
Als er fertig war, setzte er sich neben mich. Dann schaute er mich mit einem so nachdenklichen Blick an, dass mir ein wenig unwohl wurde.
Nach ein paar Sekunden begann er dann: "Weißt du, ich muss das einfach irgendjemandem anvertrauen. Aber ich hatte die Sorge, dass meine Kumpels mich dafür nur auslachen würden und Sophia war in letzter Zeit echt beschäftigt und wenn wir uns sahen, wollte ich sie nicht mit meinen Problemen belästigen."
"Versteh mich nicht falsch, aber ist ein Partner nicht dafür da, dass man mit ihm über alles reden kann?", fragte ich zaghaft.
"Ja natürlich. Eigentlich schon. Aber irgendwie hab ich es nicht geschafft mit Sophia darüber zu sprechen. Mir fällt es viel leichter darüber mit dir zu reden."
Kai fuhr sich verlegen durch die Locken. Dann blickte er mich erwartungsvoll an.
"Du kannst mit mir immer reden, egal über was. Ich bin für dich da. Aber um was geht es jetzt eigentlich?", lenkte ich das Gespräch auf das eigentliche Thema.
Kai schaute unsicher auf seine Finger, als er zu sprechen begann: "Das hört sich jetzt vielleicht bescheuert an, aber... naja... ich fühle mich in letzter Zeit oft alleine seitdem Jule weg ist. Natürlich hab ich hier noch andere Kumpels, aber ich war und bin mit keinem von denen so eng befreundet wie mit Julian. Dann hab ich hier auch noch Sophia, aber wie gesagt, die hatte in den letzten Tagen kaum Zeit. Jule ist einfach mein bester Freund. Wir haben alles gemeinsam gemacht. Er hat mir geholfen und mich ermutigt, wenn ich mal wieder nicht mit mir zufrieden war. Wir haben zwar noch Kontakt und können uns noch treffen, aber es ist einfach nicht mehr das selbe wie es früher war. Es tut weh zu wissen, dass es unsere unzertrennliche Freundschaft so nicht mehr geben wird. Und ich bezweifle, dass ich so schnell wieder einen so tollen Freund wie Jule finden werde-"
Kai brach ab, da es sich zum Schluss anhörte als würde er gleich anfangen zu weinen und er sich diese Blöße wohl nicht geben wollte.
Ganz selbstverständlich drehte ich mich um und nahm Kai in den Arm. Zuerst war er etwas verkrampft, doch dann legte er seine Stirn auf meine Schulter und atmete erstmal einige Mal tief durch.
"Ich weiß, dass ich Julian nie ersetzen kann. Aber ich bin wirklich immer für dich da. Du kannst mich immer anrufen, wenn du jemanden zum Reden brauchst", murmelte ich.
"Ich weiß und ich bin dir mehr als dankbar dafür."
Kai schlang seine Arme um meine Taille. So saßen wir einige Minuten und hörten einfach nur auf die Atmung des anderen.
"Ich will, dass Jule in Dortmund glücklich ist und dort neue Freunde findet. Aber ich habe verdammt Angst davor ersetzt zu werden."
"Wenn ihr so eng befreundet wart, wird es ihm genauso gehen glaub mir. Es geht nicht darum sich jeden Tag zu sehen oder täglich Kontakt zu haben, man muss nur immer auf den anderen zählen können. Und ich bin mir sicher, du könntest Jule jetzt anrufen, sagen du hast Probleme und er würde dir sofort zuhören", munterte ich Kai auf.
"Warum kann ich das nicht bei Sophia genauso wie bei dir? Ich habe sie wirklich gern, wir verstehen uns so gut und haben immer Spaß zusammen. Aber es fühlt sich immer falsch an bei ihr mein Herz auszuschütten. Ich habe immer Angst davor von ihr verurteilt zu werden."
Ich strich ihm beruhigend über den Rücken.
"Sie würde dich niemals für irgendwas verurteilen, da bin ich sicher. Eure Beziehung ist einfach noch so frisch, da ist es normal, dass du immer wieder Angst hast etwas falsch zu machen. Aber es ist wichtig, dass du dich ihr öffnest und du wirst merken, es wird leichter."
Kai hob seinen Kopf und sah mich grinsend an. "Es ist echt traurig, dass ich mir von jemandem Beziehungstipps holen muss, die noch nie eine Beziehung hatte."
Ich lachte. "Ein Trainer spielt nicht."
Das entlockte Kai das erste Lachen am heutigen Tag.
Da kam mir noch ein Gedanke, den ich ansprechen musste.
"Kann es sein, dass auch deshalb deine Leistung nicht hundertprozentig war. Weil dein Kopf wo ganz anders war?"
Kai zuckte mit den Schultern. "Schon möglich."

Auf einmal knurrte mein Magen.
"Hunger?", fragte Kai grinsend.
"Hört sich so an", antwortete ich.
"Okay, aber bevor wir über das Essen sprechen. Möchte ich, dass du noch etwas weißt. Du kannst genauso auch immer mir erzählen, wenn dich etwas bedrückt. Das weißt du oder?"
Kai sah mich eindringlich an. Ich schaffte es aber nicht ihm in die Augen zu sehen, als ich sagte: "Natürlich weiß ich das."
Es gab ganz klar etwas das mich bedrückte, das ich ihm aber nicht erzählen konnte. Denn wenn ich mit ihm darüber reden wollte, müsste ich ihm auch die Vorgeschichte erzählen und das konnte ich nicht. Ich hatte noch nie jemandem die ganze hässliche Geschichte detailliert anvertraut. Dazu war ich einfach nicht in der Lage...

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Hello!

Das Kapitel hat mich ein wenig Zeit gekostet, da ich oft nicht wusste, wie ich die Stelle formulieren sollte.
Ich hab zwar immer noch das Gefühl, dass ich Kai zu sehr als Jammerlappen dargestellt habe, aber egal haha.

Da ich jetzt Motivation habe weiterzuschreiben, sage ich mal bis hoffentlich bald!

Eure Laura :)

Just a fence between us | Kai HavertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt