Kapitel 32

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"Das ist eine etwas längere Geschichte", versuchte ich Kais Frage zu umgehen. 

Doch Kai ließ nicht locker: "Das ist kein Problem. Ich hab Zeit!"

"Oh... okay... ähmm... also dann erzähl ich sie dir", stotterte ich, "Aber ich muss ganz von vorne anfangen..."

Und dann erzählte ich Kai, genauso wie ich es auch schon bei Lena getan hatte, die ganze Geschichte über Jana. Ich machte keine Pause dazwischen sondern sprach einfach ununterbrochen. 

Als ich dann an den Punkt kam, als Jana Suizid begangen hatte, hörte ich wie Kai scharf die Luft einzog. Doch ich ließ ihm keine Zeit etwas dazu zu sagen. 

Erst nachdem ich auch ausführlich die Situation mit Clara und ihren Hasskommentaren erläutert hatte, beendete ich meinen Redefluss. Ich merkte, dass ich ganz aus der Puste war. 

Kai brauchte einen Moment, doch dann begann er: "Tara, diese Geschichte ist schrecklich. Warum hast du mir denn nicht schon früher davon erzählt? Ich bin immer für dich da und besonders so ein traumatisches Erlebnis sollte man nicht alleine bewältigen."

"Mir ist das irgendwie ein bisschen... naja... unangenehm. Manchmal mache ich mir ja immer noch selbst Vorwürfe und ich habe immer Angst davor, was andere Leute über mich denken werden, wenn sie das erfahren. Ich weiß, das klingt schwachsinnig. Ich hab vor einigen Wochen auch meiner besten Freundin Lena davon erzählt und das hat wirklich gut getan."

"Oh Mann... Du hattest es echt nicht leicht. Lassen dich jetzt wenigstens diese unsensiblen Idioten in Ruhe?"

"Ich hab sie blockiert und seitdem ist Ruhe. Ich denke, ich werde auch nichts mehr von ihnen hören."

"Das hoffe ich für dich. Du hättest es verdient endlich damit abschließen zu können", meinte Kai. 

Für einen kurzen Moment war es still und keiner wusste so wirklich was er sagen könnte. Doch dann begann ich wieder: "Naja und am Samstag ist eben Janas Todestag und deswegen würde ich da gerne nach Stuttgart fahren, um ihr Grab zu besuchen."

"Aber du hast doch hoffentlich nicht vor ganz alleine zu fahren?", fragte Kai.

"Doch. Das schaff ich schon."

"Nein. Also versteh mich nicht falsch, nicht dass ich dir das nicht zutrauen würde, aber ich will nicht, dass du das alleine durchstehen musst. Ich werde dich begleiten. Punkt."

"Kai, du musst das wirklich nicht tun. Du solltest dein letztes freies Wochenende genießen", versuchte ich ihn zu überzeugen, doch er ließ nicht locker.

"Glaub mir, ich würde ansonsten nur alleine zu Hause rum hocken und mich langweilen."

"Egal was ich jetzt noch sage, ich werde dich sowieso nicht mehr los, oder?"

"Korrekt", stellte Kai klar.

"Na gut, ich nehme dich mit. Danke, dass du das für mich tust, das ist echt nicht selbstverständlich."

"Für dich doch immer."

Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie kamen mir in diesem Moment die Tränen. Dass er mich nach Stuttgart begleitete, bedeutete mir mehr als Kai sich wahrscheinlich vorstellen konnte. Auch wenn ich das nicht zugegeben hätte, war mir bei dem Gedanken die Reise alleine zu überstehen etwas flau im Magen geworden. Ich hätte mir keinen besseren Begleiter als Kai vorstellen können. 

Kai räusperte sich kurz und erklärte dann: "Ich würde dann am Freitagabend, wenn ich in Aachen angekommen bin, kurz bei dir vorbeischauen. Dann können wir auch planen, wann wir am Samstag losfahren und so."

"Ja, klingt gut."

"Okay, bis dann!"

"Tschüss!", verabschiedete ich mich.

Nachdem ich aufgelegte hatte, ließ ich mich auf mein Bett fallen. Ich würde endlich wieder in mein geliebtes Stuttgart kommen. Und das gemeinsam mit Kai. Das einzige Problem war, dass ich nicht wusste, wie mein Körper reagieren wird, wenn ich wieder vor Janas Grab stehen werde. Das letzte Mal ist schon eine ganze Weile her und sobald ich dort auf dem Friedhof stehe, kommen all die Erinnerungen wieder hoch.

Werde ich in Tränen ausbrechen?

Werde ich wie gelähmt sein?

Wird mein Kopf plötzlich abschalten?

Ich wusste nicht, ob ich wollte, dass Kai mich so sah. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob ich ihn mit so einer Situation konfrontieren könnte. Am Ende würde er es bestimmt bereuen mit mir gekommen zu sein.

Ich durfte mir nicht so viele Gedanken deswegen machen, das war mir sehr wohl bewusst, doch ich hielt mich nie daran. Mein Kopf tat immer was er wollte und am Ende hatte ich mir unzählige Horrorszenarien ausgedacht, bei denen eine übertriebener und unrealistischer war als die andere. 

Auf einmal viel mir wieder etwas ein. Kai wollte sich doch eigentlich am Samstag mit mir treffen, um ein Gespräch zu führen, das anscheinend dringend war und nicht mehr länger warten konnte. Sofort begann ich wieder verschiedenste Theorien auszuarbeiten, über was er wohl mit mir sprechen wollte. 

Oh Mann, warum gab es keinen Schalter mit dem ich mein Gehirn abschalten konnte? Den könnte ich gerade sehr gut gebrauchen!

Aber ich verstand das nicht wirklich. Ich dachte Kai und ich hatten beschlossen einfach Freunde zu sein und diese Ereignisse von unserem letzten Treffen einfach zu vergessen. Worüber wollte er dann jetzt auf einmal sprechen?

Vielleicht hatte er es sich ja doch anders überlegt und fand es unmöglich jetzt noch Freunde zu sein. Was ist wenn er den Kontakt abbrechen will? Das würde ich nicht überleben. Kai war mein bester Freund und ohne ihn wäre mein Leben so viel langweiliger. Auch wenn ich ihn eigentlich noch gar nicht so lange kannte, konnte ich mir dennoch ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Kai war einfach ein wichtiger Teil davon geworden.

Aber wenn er noch am Samstag mit mir nach Stuttgart fahren will, wird es das wohl eher nicht sein. Dieses Szenario macht mit Blick auf unseren geplanten Ausflug nicht so viel Sinn. Ich bezweifle, dass er mich zuerst noch bei so einem schweren Schritt begleitet, nur um mir danach zu sagen, dass er keinen Kontakt mehr zu mir möchte.

Die andere Möglichkeit wäre, dass er realisiert hat, dass er doch mehr für mich empfindet als nur Freundschaft. Das hörte sich schon besser an. Doch ich durfte mir jetzt nicht unnötig Hoffnungen machen, denn sonst wäre ich am Ende nur noch enttäuschter, wenn es dann anders käme als gedacht. 

Egal was es war, ich würde mich wohl gedulden müssen...

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Hallöchen!

Wie ist das Wetter so bei euch? 🌞🌧

Bei mir regnet es nur noch die letzten Tage und es soll die restliche Woche nicht anders aussehen 😫☔

Naja, wenigstens perfektes Wetter, um drinnen zu hocken und zu schreiben 😇

Ich wünsche euch eine schöne Woche!

Bis bald,

eure Laura 🥰

Just a fence between us | Kai HavertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt