Ich brauchte einen Moment, um den Kommentar zu finden, den Lena meinte. Doch dann sah ich es. Schwarz auf weiß.
"Oh je... Ich hoffe du behandelst dieses Mädchen besser als Jana, denn wir wissen alle was mit ihr wegen dir geschehen ist..."
Nachdem sie auf all meine Storys reagiert hat, hätte ich eigentlich ahnen müssen, dass sie etwas kommentieren würde. Clara kann einfach nicht locker lassen. Sie würde mir auf Ewig das Leben zur Hölle machen.
Während mir langsam Tränen in die Augen schossen, zückte ich mein Handy, um diesen Kommentar so schnell wie möglich zu löschen. Ich hätte sie schon viel früher blockieren sollen.
Was denken denn diese ganzen Fangirls von Kai, wenn sie das lesen?
Oh Gott, was ist wenn Kai das liest?
Lena musterte mich von der Seite. "Tara? Tara, was ist los?"
Doch ich reagierte nicht. Der Kommentar war genauso schnell verschwunden wie er aufgetaucht war, doch ich starrte immer noch auf das Display. Vor meinem geistigen Auge erschienen Erinnerungen, die ich eigentlich schon vor langer Zeit verbannt hatte.
Lena versuchte es erneut: "Tara, bitte rede mit mir! Was hat es mit diesem Kommentar auf sich?"
Ich hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können. Mir war bewusst, dass ich Lena nun alles erzählen müsste. Die ganze dreckige Geschichte. Ich hatte gehofft, ich könnte sie für immer vor ihr verstecken, doch Clara hatte mir mal wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Es war plötzlich viel zu stickig in der Bar. Meine Atmung begann immer hektischer zu werden.
"Ich muss hier raus", krächzte ich. Lena schaute mich besorgt an, dann nickte sie und half mir beim Gehen.
Als die kühle Luft mir ins Gesicht wehte, wurde auch sofort mein Kopf wieder klarer.
Ich atmete ein paar Mal tief durch, dann begann ich: "Diese Jana, um die es in dem Kommentar ging, war meine beste Freundin." Ich merkte wie mir schon wieder die Tränen kamen. Ich hatte noch nie jemandem, die Geschichte erzählt. Die meisten Leute, auch meine Eltern, hatten es so irgendwie erfahren. Es hatte sich ja damals relativ schnell rumgesprochen.
"Jana und ich waren seit dem Kindergarten befreundet. Wir waren wirklich unzertrennlich. Irgendwann nahm mich mein Dad dann mal mit ins Stadion in Stuttgart und ich wurde riesiger Fan. Ich schaute jedes Spiel vom VfB, ich verpasste kein einziges. So oft es ging war ich im Stadion. Immer wieder musste ich Treffen mit Jana absagen, weil ich wegen einem Fußballspiel keine Zeit hatte. Ich stellte all das damals über unsere Freundschaft."
Ich musste einen Moment pausieren, um wieder durchzuatmen.
"Du musst es mir nicht erzählen, wenn es dir zu schwer fällt", erklärte Lena besorgt.
Doch ich schüttelte nur den Kopf.
"Du hast das Recht darauf, diese Geschichte zu erfahren", antwortete ich, "Also wo war ich stehen geblieben? Ich bekam nicht mit, dass es Jana immer beschissener ging. Ihre Eltern ließen sich scheiden und wollten, dass sie sich für eine Seite entschied. Es kam immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen deswegen. Die einzige Person, die sie hatte, um darüber zu sprechen, war ich. Doch wie gesagt, hatte ich kaum noch Zeit für sie. Außer mir hatte sie nicht wirklich Freunde. Sie hatten niemanden, der sie tröstete oder sie unterstützte. Sie bekam immer mehr das Gefühl, dass sie jedem komplett egal ist. Ihre Eltern stritten sich nur und dachte nie an ihre Tochter und ich war nur beim Fußball. Eines Tages kam dann plötzlich der Anruf, dass Jana Selbstmord begangen hatte." Ein lautes Schluchzen verließ meine Kehle, beim Gedanke an diesen Moment. Lena legte einen Arm um mich und sah mich traurig an.
"Jana hatte einen Abschiedsbrief hinterlassen. In dem sie unter anderem schrieb, dass ich einen Teil zu ihrem Tod beigetragen hatte, da ich nie für sie da war. Sie hätte ihre beste Freundin gebraucht, doch diese kümmerte sich nicht um sie. Das hatte sich schnell rumgesprochen. Am Anfang bedauernten mich noch alle dafür, dass ich meine beste Freundin verloren hatte. Doch irgendwann begann die Wut. In der Schule machten mich alle für Janas Tod verantwortlich. Jeder redete mir ein, ich hätte es verhindern können. Keiner wollte mehr irgendetwas mit mir zu tun haben. Das Einzige, was mir noch blieb, war der Fußball und ich fokussierte mich noch mehr darauf als zuvor. Ich richtete mein ganzes Leben auf diesen Sport. Viele konnten das nicht verstehen, weil sie meinten, dass doch gerade mein übertriebenes Fansein zu Janas Selbstmord geführt hatte, doch für mich war es wie eine Therapie. Ich wurde in der Schule zur Einzelgängerin und hatte mit niemandem etwas zu tun, doch sie ließen mich immer wieder wissen, dass sie mich hassten. Deshalb war ich dann über den Umzug kurz darauf nicht ganz so traurig, jedoch hätte mir nur ein Schulwechsel innerhalb der Stadt auch gereicht. Und jetzt bin ich hier, aber wie du siehst, können sie mich trotzdem nicht in Ruhe lassen."
Lena schloss mich in eine feste Umarmung.
"Diese Geschichte ist schrecklich. Ich wünschte ich könnte irgendetwas für dich tun!"
"Du verachtest mich nicht dafür?", fragte ich.
Lena sah mich geschockt an.
"Natürlich nicht! Eine Person, die fest entschlossen ist, sich ihr Leben zu nehmen, kann man meist nicht mehr davon abbringen. Ich bezweifle, dass du irgendetwas hättest tun können. Der Tod ist auf keinen Fall deine Schuld!"
"Danke Lena."
"Gerne. Du kannst mir alles anvertrauen, ich bin für dich da."
Ich holte mein Handy hervor.
"Ich denke als erstes sollte ich jetzt endlich damit abschließen und die alle blockieren, bevor sie wieder auf die Idee kommen irgendetwas zu kommentieren."
Lena nickte. "Das musst du auf jeden Fall machen. Solche Menschen solltest du nicht in deinem Leben haben. Und danach gönnen wir uns noch ein paar Cocktails und lenken dich ab!"
"Einverstanden", antwortete ich und schaffte es sogar wieder zu lächeln.
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Hello!Wie versprochen, habe ich mich mit diesem Kapitel beeilt. Ich hoffe es ging schnell genug 😅
Jetzt kennt ihr Taras Vergangenheit. Hättet ihr soetwas erwartet? 🧐
Schönes Wochenende euch allen!
Eure Laura 💗P.S. Keine Sorge, im nächsten Kapitel kommt dann auch wieder Kai 😉
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Just a fence between us | Kai Havertz
FanfictionAufgrund eines Jobwechsels ihres Vaters muss Tara ihr geliebtes Stuttgart verlassen und nach Aachen ziehen. Auch wenn sie nicht so erfreut darüber ist, sieht sie darin eine Chance endlich mit ihrer Vergangenheit abzuschließen und in Aachen neue Freu...