Von Goldfischen und Igeln

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Sherlock pov

Ich sitze an meinem Laptop und lese Johns Blog. Er schreibt gut. Ab und zu könnten seine Formulieren besser sein und seine Titel sind auch nicht die Einfallsreichsten, aber ansonsten macht er das wirklich gut.

Die Tür öffnet sich und John kommt herein. Er hat seine Jacke in den Händen und ist klitschnass. Schnell wechsle ich den Tab auf meinem Laptop und drehe mich dann zu ihm. "Wie kommt es, dass du deine Jacke nicht trägst, wenn es doch so stark regnet?" frage ich. Ich betrachte John. Aber außer die üblichen Deduktionen, wie seine frische Rasur und die heute Morgen gewaschenen Haare und so etwas, kann ich nichts erkennen. Aber wieso grinst er denn dann so? Er hat keinen wirklichen Grund dafür. Er ist klitschnass, seine Sachen tropfen, so vollgesogen sind sie mit Wasser und  er zittert am ganzen Körper. Trotzdem grinst er, wie ein Honigkuchenpferd. Und warum er seinen Mantel im Knäul vor sich trägt, kann ich auch nicht herausfinden.

"Hier, nimm mal. Und setz ihn ins Warme, aber tu dir nicht weh. Ich werde schnell eine heiße Dusche nehmen und mich umziehen, bevor ich krank werde." meint mein Mitbewohner und streckt mir sein Jackenbündel hin. Ein wenig verwirrt nehme ich es entgegen. John verlässt den Raum und geht ins Bad. Ich schaue runter auf das Bündel. Darin eingekuschelt liegt ein kleiner Igel. Er ist durchnässt und zittert genauso sehr wie John. Ich nehme eine Kiste und lege sie mit Küchenrolle aus. Ich stelle eine flache Schale mit Wasser in den Karton. Dann setze ich vorsichtig den kleinen Igel hinein und stelle die Kiste auf Johns Sessel. Dort ist es nicht zu heiß, aber er ist in der Nähe des Kamins und hat es so schön warm. 

Nach einer Weile kommt John wieder aus dem Bad und geht nach oben, um frische Kleider anzuziehen. "Wo hast du den Igel her?" frage ich als er wieder nach unten kommt. "Hab ihn gefunden. Er ist in die Themse gefallen und das Ufer war zu steil, er kam nicht mehr raus. Er ist fast ertrunken, da habe ich ihn aus dem Wasser geholt und mit her gebracht. Du hast ihm ja ein nettes Zuhause gebaut." Ich zucke mit den Schultern. 

~*~*~

Ich sitze, den Igel in den Händen vor mein Gesicht haltend, in meinem Sessel und sehe den kleinen Kerl an. "Du hast dich ja richtig in ihn verliebt." lacht John. Ich sehe ihn nur kurz an. Dann schaue ich wieder auf das kleine Tier. John war mit ihm beim Tierarzt und wir haben uns geeinigt ihn bis zum Frühjahr zu behalten. Wir wollen ihn wieder freilassen, wenn es wärmer wird. Vielleicht bringen wir ihn aber auch in einen Zoo oder so etwas. Oder wir behalten ihn doch. Schließlich können wir nicht sicher sein, dass er wieder von selbst beginnt Nahrung zu suchen, wenn wir ihn freilassen. 

"Ich hätte nie gedacht, dass du ihn so ins Herz schließt." meint John. Ich antworte ihm nicht, sehe einfach weiter den kleinen Igel an. Wenn John nur wüsste, wie recht er hat. Zumindest teilweise. Ich habe mich wirklich verliebt, auch wenn ich das nicht erwartet hätte. Aber nicht in den Igel, sondern in ihn-John Hamish Watson. Und irgendwie erinnert mich dieser kleine Igel an ihn. 

"Können wir ihn Hamish nennen?" "Was?" fragt John, "Ich dachte, du magst ihn." "Tue ich." "Und warum willst du ihm das dann antun?" "Damit du eine schöne Erinnerung hast. Dann hasst du deinen zweiten Vornamen vielleicht nicht mehr ganz so sehr." "Warum so menschlich heute? Das kenne ich ja gar nicht von meinem Lieblingssoziopathen." "Ich bin der einzige Soziopath, den du kennst. Gut, abgesehen von meinem Bruder, aber da ihr ein kompliziertes Verhältnis habt-eigentlich kann man es nicht mal ein wirkliches Verhältnis nennen-würde ich ihn nicht als deinen Liebling bezeichnen."

John muss lachen. "Okay okay, nenn ihn Hamish, wenn es dich glücklich macht." sagt er dann. Ich sehe ihn an. Sein Lachen ist so wunderschön. Er sollte öfter lachen. Aber vermutlich sorge ich nicht gerade dafür, dass er oft einen Anlass hat, zu lachen. 

"Bist du glücklich, John?" frage ich dann und setze Klein-Hamish auf seinen Schoß. Wir haben uns an das Piksen von seinen Stacheln gewöhnt und so schlimm ist es nicht. "Wieso fragst du mich sowas?" "Bist du glücklich, John? Bist du glücklich mit mir?" "Sherlock, ich verstehe nicht..." "Mycroft sagte dir, dass man das Schlachtfeld sieht, wenn man an meiner Seite geht. Und er sagte dir, dass du den Krieg vermisst und dich nicht von ihm verfolgt fühlst." "Ja, na und? Wir haben doch schon festgestellt, dass wir beide vollkommen durchgeknallt sind. Was hat das mit deiner Frage zu tun?" "Ich möchte wissen, ob ich es bin, der dich glücklich macht oder ob du mich nur benutzt, um an das Schlachtfeld zu gelangen." 

"Ein bisschen von beidem. Aber vor allem du. Das Schlachtfeld ist ein nettes Extra." John grinst und hebt Hamish hoch. "Aber warum interessiert es dich auf einmal so sehr? Du hast mich noch nie gefragt, ob ich glücklich bin oder irgendwas dergleichen." Ich zucke mit den Schultern: "Das macht man doch so, oder nicht? Wir sind... Naja du bist mein Goldfisch." Ich habe meine Wortwahl bewusst geändert. So habe ich ihm in gewissem Maße gesagt, dass ich ihn liebe, ohne das er es verstanden hat. 

Auf einmal steht John auf und küsst mich. Verdutzt sehe ich ihn an, als er sich wieder von mir löst. "W-Warum?" ist schließlich alles, was ich herausbekomme. "Dein Bruder ist mit Greg verheiratet. Und ich gehe doch hin und wieder mit Greg etwas Trinken. Er hat mir die Sache mit dem Goldfisch erklärt. Da du das ja gerne mal erwähnst, habe ich Greg mal gefragt, ob Mycroft auch von sowas redet." "Oh... Ja, daran hätte ich denken müssen." 

John grinst mich an. Er setzt sich rittlings auf meinen Schoß und beginnt wieder mich zu küssen. Ich erwidere den Kuss liebevoll. "Ich mag dich auch, Goldfisch." meint John, bevor er mich wieder küsst. 

Johnlock OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt