Patenonkel

2.8K 120 37
                                    

John pov

"Du hast den Verstand verloren!" sagt Greg und legt mir die Hand auf die Stirn, als wolle er testen, ob ich Fieber habe. "Nein, habe ich nicht." erwidere ich und drücke seine Hand weg. "Wie sonst erklärst du dir, dass du Sherlock Holmes zum Patenonkel eines unschuldigen kleinen Babys machen willst? Hör zu, John: Ich habe einen Holmes geheiratet, ich kann dir also aus erster Hand sagen, dass das die dümmste Idee deines Lebens ist." "Gut, ich gebe zu, dass die Holmes-Brüder wirklich nicht die umgänglichsten Menschen sind, aber Sherlock würde schon jetzt sein Leben für sie lassen. Ich weiß, dass sie bei ihm immer sicher sein wird. Weißt du noch, der Mann, den er fast umgebracht hat, weil er Mrs Hudson angerührt hat?" Greg nickt: "Ich verstehe deinen Punkt und ich weiß, Sherlock ist dein bester Freund, aber diese Idee ist trotzdem verrückt. Und das wird er auch so sehen. Er wird nicht zustimmen." 

In dem Punkt hat Greg vermutlich recht. Zwar glaubt Sherlock, dass er so eine Art Gott oder sowas ist, aber auf ein Baby oder Kleinkind aufzupassen wäre wohl nicht so sein Ding. Aber ich würde es ihm zutrauen. Ich glaube wirklich, dass er auf meine Tochter aufpassen und sich um sie kümmern wird. Vielleicht wird er mit ihren Puppen hin und wieder Tatorte nachbauen, aber was macht das schon? Daran wird sie sich eh gewöhnen müssen mit mir als Vater und Sherlock als... naja wir werden sehen. 

"Ich werde ihn trotzdem fragen." entschließe ich dann. "Und was sagt Mary dazu?" "Sie wird damit leben müssen. Sagen wir einfach, sie schuldet mir was." Greg zuckt ergeben mit den Schultern und trinkt einen Schluck Bier. Sein Handy beginnt zu klingeln. Ich sehe auf sein Display. "Mycroft Holmes-Lestrade? Du hast nicht irgendeinen Kosenamen für ihn?" "Doch, aber er verbietet es und speichert immer wieder seinen Namen ein." "Und hat er einen Kosenamen für dich?" frage ich grinsend und stelle mir vor, wie Mycroft Holmes-Lestrade irgendwas wie Hasi sagt. "Ja, Gregory." Ich ziehe scharf die Luft durch die Zähne: "Heiß." "Ach halt den Mund!" Greg gibt mir einen Stoß gegen die Schulter und ich beginne zu lachen. 

~*~*~

Ich drücke auf den Namen Sherlock und halte mir das Handy ans Ohr. "John, mir geht es gut. Ich bin am Leben und du kannst jederzeit vorbeikommen, um dich zu versichern. Vermutlich wird das Yard eh morgen wieder einen Fall für uns haben." Ich lächle. Seit ich Sherlock ein-, zweimal - vielleicht auch zehn-, zwanzigmal - mitten in der Nacht angerufen habe, um mich zu versichern, dass er auch wirklich am Leben ist, weil ich wieder mal von seinem Sprung vom Barts geträumt habe, sagt er das immer, wenn ich ihn zu ungewöhnlichen Zeiten anrufe.

"Ich bin Vater." sage ich lächelnd. "Ja, ich weiß, ich habe es dir schließlich gesa- Oh! Du meinst, sie ist da? Sie ist auf der Welt?" "Ja, Sherlock, ich habe eine Tochter. Kommst du? Ich will, dass du sie kennenlernst." "Bin so gut wie unterwegs." Im Hintergrund höre ich bereits das bekannte Rascheln seines Mantels. 

Keine halbe Stunde später rennt Sherlock an mir vorbei, klammert sich an meinem Arm fest, um zu bremsen und reißt uns beide auf den Boden. Überrascht sehen wir uns an, als wir beide auf dem Boden liegen und beginnen schließlich beide zu lachen. Sherlock steht auf und reicht mir seine Hände. Er zieht mich hoch. Ich stolpere beim Aufstehen und pralle gegen ihn. Auf einmal sind wir uns so unglaublich nah. 

Ich kann seinen Atem auf meinem Gesicht spüren und sein Parfum steigt mir in die Nase, vermischt sich mit seinem vertrauten Eigengeruch. Ich mag seinen Geruch, er erinnert mich an zu Hause. Nein, halt! Nicht zu Hause, die Baker Street 221B. Dort wohne ich nicht mehr. Es ist nur noch Sherlocks zu Hause. Ich bin schließlich verheiratet und lebe schon seit einer ganzen Weile nicht mehr in der Baker Street. 

"Entschuldige." sage ich schnell und trete von ihm zurück. Dann greife ich seine Hand und ziehe ihn mit mir, um ihm endlich meine Tochter vorzustellen. Wir bleiben vor einer Glasscheibe stehen, hinter welcher viele Babys in kleinen Betten liegen. Ich zeige auf eins der Bettchen. "Das ist Rosamund Mary Watson." "Rosie..." Ich lächle zu Sherlock hoch. Eine ältere Dame kommt zu uns. 

"Welches ist Ihrs?" fragt sie. Ich zeige erneut auf Rosie. "Sie haben wirklich ein hübsches Mädchen adoptiert." Ich sehe kurz zwischen Rosie, Sherlock und der alten Dame hin und her. "Wir sind kein Paar." sage ich dann. Die Dame lächelt nur und geht dann. 

"Kann man denn nicht mal mehr nebeneinander stehen, ohne für ein Paar gehalten zu werden?" beschwere ich mich murmelnd. Sherlock räuspert sich und hebt eine Hand. Dabei fällt mir auf, dass unsere Finger ineinander verschlungen sind. Wir halten Händchen. "Warum hast du-" "Du, nicht ich. Du hast sie genommen, mich her geschleppt und unsere Finger verflochten. Dann hast du nicht mehr losgelassen. Ich wollte den Moment nicht kaputt machen und habe nichts gesagt." Ich will loslassen, kann mich aber irgendwie nicht überwinden. Seine Hand ist ein wenig größer, als meine. Sie ist kalt-Sherlock hat eigentlich immer kalte Hände. 

Seine Hand einfach weiter festhaltend, frage ich: "Wirst du ihr Patenonkel?" Sherlock sieht mich stumm an. Jetzt guckt er wieder so, wie an dem Tag, als ich ihn fragte, ob er mein Best Man werden würde. "Hältst du wieder eine Rede, von der du nichts laut sagst?" "N-Nein, ich kann es nur einfach nicht glauben. Das ist die dümmste Idee, die du je hattest, John Watson." "Nein, es ist die beste. Nun sag bitte ja." "Ja, in Ordnung. Ich werde ihr Patenonkel." Sherlock lächelt. Er wirkt wirklich glücklich. Ich umarme ihn. Ein wenig versteift und überfordert, erwidert er die Umarmung. 

Johnlock OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt