Krank

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John pov

Müde komme ich in die Küche getappt. Von Sherlock keine Spur. Naja, vielleicht hat er die Nacht ja ausnahmsweise mal zum Schlafen genutzt, anstatt Experimente zu machen oder in seinem Gedächtnispalast nach irgendwelchen Dingen zu suchen. Ich setze mich an den Küchentisch, schiebe ein Glas Augen zur Seite und schlürfe ein Schluck von dem Tee, den ich mir eben gemacht habe. Als ich mit meinem Frühstück fertig bin, mache ich mir noch einen zweiten Tee und beschließe dann, unseren letzten Fall aufzuschreiben. So lange Sherlock schläft, habe ich meine Ruhe und kann sehr viel produktiver arbeiten. Sherlock redet mir eh immer nur dazwischen und sagt mir, wie lächerlich mein Blog doch ist. 

Aber als ich den Fall fertig aufgeschrieben habe und mir noch einige Kommentare unter meinem letzten Post durchgelesen habe, ist Sherlock noch immer nicht aus seinem Zimmer gekommen. Langsam fange ich an, mir Sorgen zu machen. Ich erhebe mich aus meinem Sessel und gehe zu Sherlocks Zimmer. Leise klopfe ich an. Keine Antwort. Ich will die Tür öffnen, muss aber feststellen, dass Sherlock sie verschlossen hat. 

"Sherlock, bist du wach? Geht es dir gut?" rufe ich durch die Tür und klopfe erneut, dieses Mal lauter. Ich höre ein leises Brummen von der anderen Seite der Tür. Jetzt weiß ich immerhin, dass er zu Hause ist. Aber irgendwie habe ich jetzt das Gefühl, dass er vollkommen high ist. "Sherlock, mach bitte die Tür auf." Wieder nur ein leises Brummen. "Sherlock, wenn du nicht aufmachst, werde ich die Tür eintreten!" Nichts. Ich warte noch einen Moment, dann gehe ich zu meinem Portmonee und hole eine Karte heraus, mit welcher ich das Schloss öffnen will. 

Tatsächlich geht die Tür damit auf und ich muss sie nicht eintreten. Als ich das Zimmer betrete, erstarre ich kurz. Der Lockenkopf liegt eingehüllt in einen Haufen Decken in seinem Bett. Schnell gehe ich zu ihm und setze mich auf die Bettkante. "Sherlock, hast du was genommen?" frage ich und ziehe vorsichtig sein Augenlid nach oben. Sherlock dreht die Augen kurz zu mir und schließt sie dann wieder. Ich ziehe die Decken zur Seite. 

Die Sachen meines Mitbewohners sind vollkommen nassgeschwitzt und er zittert am ganzen Körper. Ich fasse in die Tasche seiner Jogginghose. Nichts. Ich drehe ihn vorsichtig und fasse in die andere Tasche. Als ich dort einen Zettel spüre, setzt mein Herzschlag für einen Moment aus. Ich ziehe ihn hervor und entfalte ihn schnell. 

Milch
Bohnen
Nudeln
!!! keine Zigaretten, Sherlock !!!

Erleichtert atme ich auf. Es ist nur die Einkaufsliste, die ich ihm geschrieben habe. "Sherlock, was hast du? Hast du was genommen?" frage ich. Sherlock schüttelt leicht den Kopf. Ich decke ihn wieder zu und gehe schnell aus dem Zimmer, um meine Arzttasche zu holen. 

Als ich wieder bei Sherlock bin, messe ich sofort Fieber bei ihm. 39,5°C. Besorgt streiche ich durch seine verschwitzten Haare. "Nur Fieber oder ist noch mehr?" frage ich sanft. Sherlock schüttelt leicht den Kopf. "Ist gut." sage ich sanft. Ich suche kurz in meiner Tasche und gebe Sherlock dann eine Tablette. Der presst allerdings nur die Lippen aufeinander, wie ein kleines Kind und zieht seine Decken hoch bis zur Nase. "Komm schon, Sherlock, du musst was nehmen." Sherlock schüttelt den Kopf. Seufzend lege ich die Tablette auf dem Nachttisch ab und entscheide mich, ihm erstmal Wadenwickel zu machen. 

Das lässt Sherlock auch sehr problemlos mit sich machen. Als ich es danach erneut mit der Tablette versuche, schüttelt er wieder den Kopf und presst die Lippen zusammen. "Komm schon, Sherlock. Es soll dir doch besser gehen." "Nein... Will das nicht nehmen." nuschelt er. "Warum denn nicht?" seufze ich. "Will nicht." wiederholt er nur. "Na komm, Sherlock, ich bin dein Arzt. Ich weiß, was gut für dich ist, vertrau mir." "Nein, will nicht." Seufzend streiche durch die Locken. "Okay, ich mache dir erstmal was zu essen. Dann sehen wir weiter." murmle ich. 

Als ich die Tür seines Zimmer hinter mir zuziehe, habe ich bereits mein Handy in der Hand und suche einen Kontakt heraus. 

"Was hat er genommen und wo seid ihr?" meldet sich Mycroft keine zehn Sekunden später. "Hallo. Sherlock hat nichts genommen und das ist gerade sozusagen das Problem." "Wie bitte?" "Sherlock hat hohes Fieber, weigert sich aber Medizin zu nehmen. Weißt du, wie ich ihn dazu bekomme, das Zeug zu nehmen?" "Er macht das immer noch?" "Ähm... Ja. Wieso? Warum macht er das?" "Wir hatten früher mal eine Nanny, die Sherlock zu aufgedreht und seltsam fand. Irgendwann hat sie angefangen, ihm Beruhigungsmittel zu geben. Allerdings haben diese abhängig gemacht - das war seine erste Drogenabhängigkeit. Seitdem hat er immer Angst, wenn ihm jemand Medizin geben will." "Und was kann ich machen?" seufze ich, während ich versuche diese Geschichte zu verarbeiten. 

"Oh! Keine Ahnung. Er hat nie wieder etwas genommen. Zumindest nichts, was für seinen Körper gut gewesen wäre. Halt mich auf dem Laufenden, wie es ihm geht." Damit legt er auf. Ich seufze. Wenn man ihn einmal braucht...

Ich gehe in die Küche und mache Sherlock Toast. Zwar bezweifle ich, dass er was essen will, aber trotzdem. Wieder bei ihm setze ich mich auf die Bettkante: "Hast du Hunger?" Sherlock reagiert nicht. Ich rüttle leicht an seiner Schulter. Er erschreckt und sieht mich panisch an. "Tut mir leid, tut mir leid! Ich dachte, du wärst vielleicht bewusstlos oder so. Schlaf weiter." Sherlock schließt die Augen wieder und lässt sich in sein Kissen sinken. Auf einmal nimmt er meine Hand und hält sie vorsichtig fest. Ruhig bleibe ich neben ihm sitzen und lasse ihn meine Hand halten. 

~*~*~

"John! John!" Ich schrecke hoch. Sherlock sieht mich ängstlich an, Tränen laufen über seine Wangen. "Sh~! Was ist denn los?" rede ich beruhigend auf ihn ein. "Fieber..." "Ja, ich weiß, Sherlock. Es wird wohl auch noch eine Weile dauern, bis es sinkt, es tut mir leid." "Mein Kopf! Meine Gedanken! Es geht alles viel zu schnell! Ich..." "Sh~! Ganz ruhig, komm her. Du musst jetzt über nichts nachdenken, ich bin ja hier. Ich weiß, es macht dir Angst, wenn du nicht klar denken kannst, aber ich verspreche dir, du bist sicher bei mir." Zwar noch immer irgendwie panisch, aber dennoch schon ruhiger, lässt er sich in meine Arme sinken. Sanft streiche ich durch seine Locken.

Auf einmal greift Sherlock nach der Tablette. Er steckt sie in den Mund und trinkt das ganze Wasserglas, welches ich dazugestellt hatte, leer. Ich lächle. Scheint als müsste man ihm nur zeigen, dass man bei ihm ist und dass man ihn kennt, damit er seine Medizin nimmt. 

Ich ziehe vorsichtig mein Handy hervor und tippe eine Nachricht an Mycroft: "Noch nicht besser... Er hat Angst, weil er nicht klar denken kann, aber er hat die Medizin genommen. Es sollte also bald besser werden. -JW" Ich schicke die Nachricht ab und widme mich dann wieder vollkommen dem jüngeren Holmes. Vorsichtig gebe ich ihm einen Kuss auf die Locken, was Sherlock kurz schnurren lässt, als wäre er eine Katze. Naja aufgrund der Tiefe des Schnurrens wohl eher eine Großkatze. Aber es ist irgendwie wirklich süß. 

"Bald geht es dir besser." flüstere ich. "Versprochen?" "Ja, versprochen." sage ich lächelnd. "Und dann kriege ich einen richtigen Kuss." Kurz sehe ich ihn verdutzt an, dann kann ich aber nicht anders als wieder zu lächeln. "So viele du willst." Zufrieden brummend kuschelt Sherlock sich an mich und schläft schon bald wieder ein. 

Johnlock OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt