Mehr als nur eine College-Liebe

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Sherlock pov

Mit einem sehr mulmigen Gefühl im Bauch, bezahle ich den Taxifahrer und steige aus. "Sherlock, was ist los mit dir?" fragt John und schultert seinen Seesack. Ich zucke mit den Schultern. "Na komm, lass uns nach drinnen gehen." John nimmt meine Hand und zieht mich mit sich in den Flughafen. "Okay, ich melde mich sobald ich kann. Ich werde dich vermissen, Sherlock." John nimmt meine Hände und gibt mir einen Kuss. Ich umarme ihn. Dann gibt John mir noch einen Kuss. "Geh nicht weg." sage ich und halte sein Handgelenk fest. "Ich werde dich sehr vermissen, Sherlock! Aber ich muss jetzt gehen." "Nein, ich meine, geh nicht weg. Auf keinen Fall. Niemals. Lass mich bitte nicht allein." "Was? Sherlock! Du hast dich doch so gefreut, dass ich die Chance bekommen habe!" "Ja, aber ich will nicht, dass du draufgehst, verdammt! John, ich liebe dich und ich will dich auf keinen Fall verlieren, bitte bleib hier!"

"Sherlock, das ist so verdammt egoistisch von dir! Du weißt genau, dass das schon ewig mein Traum ist! Ich wollte schon immer Militärarzt werden. Es ist so verdammt egoistisch von dir, zu verlangen, dass ich hier bleibe!" "Aber-" "Sherlock, mir reicht's! Ich weiß, du bist es gewohnt, dass immer alle nach deiner Nase tanzen, aber mir reicht es jetzt! Ich will nicht, dass du mit deinem verdammten Egoismus meinen Traum zerstörst! Das war's mit uns, es ist vorbei. Auf Wiedersehen, Sherlock." Damit dreht er sich um und geht zu den anderen Soldaten, die ihr Gepäck aufgeben.

Mein Herz bricht und ich beginne mitten in der Flughafenhalle zu weinen. John ist die Liebe meines Lebens und er hat gerade mit mir Schluss gemacht.

John pov

Als ich mich wegdrehe, zersplittert mein Herz in eine Millionen Teile. Wehe du heulst jetzt, John! Du wirst jetzt nicht heulen!

Ich liebe Sherlock über alles! Mit ihm Schluss zu machen, war so verdammt schmerzhaft. Schließlich will er mich doch nur nicht verlieren. Und ich will ihn auch nicht verlieren. Ich greife in meine Tasche und ziehe das Foto hervor, das Sherlock mir zum Abschied geschenkt hat.

Mike hat es von uns gemacht, als wir uns noch nicht besonders lange gedatet haben. Damals hatte Sherlock noch nicht sein Faible für diesen Mantel und den Schal entdeckt. Aber auch schon damals konnte ich ihn nicht davon überzeugen mit dem Rauchen aufzuhören.

"Dein Freund?" reißt mich auf einmal eine Stimme aus meinen Gedanken. "Ex-Freund." murmle ich und wieder bricht mein Herz. "Oh... Tut mir leid. Habt ihr euch getrennt, weil du jetzt..." Ich nicke, will die Geschichte nicht erklären und auch nicht erzählen müssen. Schon jetzt bereue ich es, mit meinem Sherlock Schluss gemacht zu haben. Aber den Krieg hätte unsere Beziehung sicher nicht überstanden. Ich werde Jahre weg sein.

~*~*~

"Danke, Harry." sage ich und nehme die Kiste mit meinen letzten Sachen entgegen. "Ich hab noch ein paar Sachen von Sherlock gefunden, als ich deine Sachen zusammengepackt habe. Ich wusste nicht, was ich damit machen soll und hab sie einfach mit in die Kiste gepackt. Sherlock wird sie nicht vermissen, du kannst die Sachen sicher auch einfach wegwerfen, wenn du sie nicht brauchst." Ich nicke nur und halte mit einem Arm den Karton fest, stütze mich mit dem anderen Arm auf die Krücke. Blödes Humpeln!

Ich verabschiede mich von Harry und fahre dann mit einem Taxi zurück in meine Wohnung. Dort packe ich den Karton aus und durchwühle ihn, bis ich auf einen Plastikbeutel stoße. Sherlock hat alles, was er mir mitgebracht hat, immer steril eingepackt. Im Falle der Pullis hat mir das aber auch immer gut gefallen, da so der Geruch nicht verfliegt. Als ich die Tüte aufreiße, schlägt mir sofort der vertraute Geruch von Sherlock und Sherlocks Parfum, das er in der Küche selbst gebraut hatte, entgegen. Ich liebe den Geruch von seinen selbstgemachten Parfum. Und noch mehr seinen eigenen Geruch.

Ich vergrabe meine Nase in dem dunklen Hoody. Wie kann es sein, dass ich ihn nach all der Zeit noch immer so vermisse? Er war doch nur eine College-Liebe. Oder nicht? Okay, er war mein erster fester Freund und der erste Mensch, in den ich mich Hals über Kopf verliebt habe und mit dem ich von der ersten Sekunde an für immer zusammen sein wollte.

Okay, er war definitiv mehr als eine einfache College-Liebe.

Vielleicht sollte ich ihn anrufen. Aber ich habe seine Nummer ja gar nicht. Geschweige denn, dass er mit mir reden wollen würde. Bestimmt hasst er mich noch immer für das, was ich am Flughafen getan habe. Ich könnte es verstehen, ich war ein echter Arsch damals. Ich bin ausgerastet, weil ich mich selbst überzeugen musste, zu gehen. Natürlich war es mein Traum, Militärarzt zu werden, aber andererseits wollte ich einfach nur bei Sherlock bleiben. Er hat mit mir das gesamte Studium durchgehalten, hat nächtelang mit mir gelernt, Stunden damit verbracht, mir Dinge zu erklären, die er natürlich konnte, aber die ich einfach nicht in meinen Kopf bekommen habe. Er war die ganze Zeit für mich da. Und dann wollte er, dass ich für ihn da bin und stattdessen habe ich ihn verlassen. Er hätte wirklich jeden Grund, sauer auf mich zu sein. Er muss denken, dass ich ihn ausgenutzt habe, wie so viele Menschen, die ihn gezwungen haben, ihre Hausaufgaben zu machen; hätte er es nicht gemacht, wäre er verprügelt worden.

Oft habe ich Leute verprügelt, die ihm in meinen Augen zu nah gekommen sind oder die ihm gedroht haben. Was wohl aus Mycroft geworden ist? Wenn ich ihn erreichen könnte... Aber nein, er wird wissen, was ich Sherlock damals angetan habe und wird mich nicht mal in seine Nähe lassen. Er gibt es zwar nie zu, aber er hängt sehr an dem Jüngeren.

~*~*~

Ich sitze mit Mike auf einer Parkbank. Schließlich kann ich die Frage nicht mehr zurückhalten: "Weißt du, was aus Sherlock geworden ist?" "Mmh... Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht ganz genau. Wir sehen uns noch recht regelmäßig, aber du kennst ja Sherlock... Ich kann es nicht so richtig erklären." "Kannst du mir seine Nummer geben? Ich würde gerne mal wieder mit ihm sprechen, ich habe ihn seit Jahren nicht gesehen." "Ich muss eh zurück ins Barts, du kannst mitkommen und ich bring dich zu ihm." Sofort stimme ich zu und wir machen uns auf den Weg.

Als wir kurz darauf eins der Labore betreten, klappt mir der Mund auf. Sherlock sieht noch besser aus, als früher. Seine Locken sind ein klein wenig länger als früher, vielleicht war er länger nicht beim Friseur. Er trägt einen Anzug, in dem er einfach unglaublich aussieht. Als er mich ansieht, verliert er für einen Moment - nicht mehr als eine Sekunde - die Fassung. Dann setzt er die gleichgültige Miene auf, die ich noch von früher kenne. "Hey, Sherlock." sage ich sanft. "Ein psychosomatisches Hinken, hm? Wir entwickeln anscheinend alle unsere Macken." sagt er, während er wieder in das Mikroskop sieht.

"Ich habe dich vermisst." versuche ich es erneut. "Gefühle sind ein chemischer Defekt-" "Ich kenne die Rede, Sherlock. Aber du hattest mal deine Meinung darüber geändert, weißt du noch?" "Natürlich, aber du hast ja bewiesen, was ich immer sagte." "Es tut mir leid, dass ich dir weh getan habe. Es hat mir das Herz gebrochen, glaub mir." Kalt sieht er mich an. Trotz dieses vernichtenden Blicks, beginnt mein Herz schneller zu schlagen und ich spüre wieder diese Schmetterlinge im Bauch. "Ich lass euch beide dann mal allein." seufzt Mike und geht.

Als die Tür hinter ihm zufällt, hebt der Soziopath den Kopf und sieht mich an. Auf einmal meine ich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen zu erkennen. "Ich hab dich auch vermisst." sagt er schließlich leise. Ich hole meine Brieftasche hervor und nehme das Foto heraus, was Sherlock mir damals als Erinnerung mit zur Armee gegeben hat. "Ich trage es noch immer jeden Tag bei mir, es beschützt mich." sage ich lächelnd und schiebe ihm das mittlerweile sehr mitgenommene und ein wenig verblasste Foto hin. "Es ist Unsinn, dass dich ein Gegenstand beschützt - naja von Schusswesten und sowas mal abgesehen." Lachend zucke ich mit den Schultern: "Naja, auf jeden Fall habe ich es immer bei mir und bilde mir ein, dass es mich beschützt."

Sherlock nimmt das Foto und sieht es sich an. Dann greift er in die Innentasche seines Jacketts und zieht ein gefaltetes Blatt heraus. "Ich bin nicht sentimental oder irgendwas in dieser Richtung!" sagt er, dann schiebt er mir das Papier hin. Ich greife es und schaue darauf. "Ist das echt der Liebesbrief, den ich dir damals geschrieben habe?" Sherlock nickt.

Dann kommt er auf mich zu und legt sanft seine Hand an meine Wange. Ich lächle ihn an. Dann strecke ich mich zu ihm nach oben und küsse ihn sanft. Sherlock erwidert den Kuss sofort und drückt mich näher an sich. "Ja, definitiv mehr als eine College-Liebe." murmle ich gegen seine Lippen. "Was?" "Vergiss es." schmunzle ich. 

Johnlock OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt