Der Mann aus dem Bus

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Was wäre, wenn John Mike damals gar nicht getroffen hätte? Was wäre, wenn Sherlock und John nicht zusammen in die Baker Street gezogen wären, sondern sie sich gar nicht gekannt hätten? Was wäre, wäre es Sherlock gewesen, der John mit einer Blume im Haar im Bus getroffen hat?

John pov

Ich sitze im Bus auf dem Weg nach Hause. Als ich wie aus Reflex mit den Augen einer vorbeigehenden Person folge, fällt mein Blick auf einen dunkelhaarigen Mann, der mir schräg gegenüber sitzt. Sein Blick trifft meinen. Er zieht eine Augenbraue nach oben, lächelt dann aber leicht. Irgendwie kann ich nicht anders, als dieses - zugegeben wirklich hübsche - Lächeln zu erwidern.

Der Bus hält erneut, an dieser Station muss ich aussteigen. Als ich den Bus verlasse, sehe ich im Augenwinkel mein Spiegelbild in den Scheiben des Buses. Ich bleibe stehen und betrachte mich kritisch. Hinter meinem linken Ohr steckt eine Blüte. Ich kann mich erinnern, sie beim Spielen mit Rosie dorthin gesteckt zu haben. Das ist jetzt natürlich irgendwie peinlich. Und das Lächeln des Mannes aus dem Bus war wohl eher das Verhindern eines Lachanfalls, als ein ehrliches Lächeln. Naja, es kann ja mal vorkommen. Ich sehe ihn ja sowieso nie wieder. Und selbst wenn, ich bin verheiratet! Wieso mache ich mir überhaupt Gedanken darüber?

Ich pflücke die Blüte aus meinem Haar und wende mich zum Gehen. Dabei stoße ich aber fast mit jemandem zusammen. Der Mann, der mich im Bus angelächelt - naja ausgelacht - hat. "Hallo." sagt er, noch immer lächelt er. Sein Blick wandert einmal schnell über meinen gesamten Körper, dann wieder zu meinen Augen. Ich erwidere die Begrüßung freundlich, das peinlich berührte Lachen kann ich allerdings nicht unterdrücken. "Steht Ihnen gut." sagt der dunkle Lockenkopf mit Blick auf die Blume in meinen Händen. "Danke, ja, es passt aber nicht wirklich zu mir, glaube ich." "Nicht? Schade." Ich weiß nicht, was ich darauf noch antworten soll, will aber auch nicht schweigen, deswegen erwidere ich schließlich: "Nein. Nein, das ist zu blumig für mich. Ich bin eher so der Typ "gerädert mit dunklen Augenringen"."

Was genau tue ich hier? Flirte ich etwa mit diesem Mann? Gut, meine Bisexualität ist nichts Neues für mich, aber ich bin verheiratet! Ich habe eine Tochter und eine Frau, verdammt! Ich kann nicht einfach mit einem Mann flirten, den ich seit fünf Minuten kenne. Wobei kennen nicht das richtige Wort dafür ist.

"Ich finde sie schön." sagt der Mann, "Wobei Schönheit natürlich relativ ist und immer im Auge des Betrachters liegt, ganz davon abgesehen, dass es ein ausgemachtes Konstrukt der Gesellschaft-" Er bricht ab, als er meinen verwunderten Blick bemerkt. "Schöne Augen." sagt er dann kurz. Lachend bedanke ich mich. Irgendwie weiß ich nicht recht, wie ich mit der Situation umgehen soll.

"Ich... Ich tue sowas normalerweise nicht, aber..." "Aber jetzt schon." stelle ich fest, als der Mann einen Stift und einen Zettel aus seiner Tasche kramt und beginnt Ziffern darauf zu kritzeln. Er nickt nur. Ich lege den Kopf ein wenig schief, um mit auf sein Geschreibe zu sehen. "Was ist das?" frage ich. "Das... bin ich." sagt er und gibt mir den Zettel. Ein wenig überfordert bedanke ich mich. Er kratzt sich am Hinterkopf, dreht sich um und geht. Ich blicke auf den Zettel in meiner Hand, während ich mich auf den Weg nach Hause mache. Nur wenige Meter weiter allerdings, stelle ich meine Tasche auf den Boden und krame mein Handy hervor, um die Nummer des Blauäugigen einzuspeichern. Als ich mein Handy jedoch anschalte, fällt mein Blick auf ein Bild von Rosie, Mary und mir und irgendwas in mir verhindert, dass ich die Nummer eingeben kann.

Aber warum? Es ist nur eine Nummer! Ich will doch gar nichts von ihm! Ich muss ihn nicht mal anrufen oder mit ihm schreiben, es geht einzig und allein darum, eine Nummer in meinem Smartphone einzuspeichern.

Ich gehe zu einem Mülleimer, will den Zettel gerade wegwerfen, als mich auch hier mein Bauchgefühl aufhält. Ich will den Zettel nicht loslassen und ihn in dem Chaos von mit Ketchup verschmierten Chips-Papptellern und benutzten Fahrkarten und Zigarettenstummeln verschwinden lassen. Nein, ich möchte den Zettel, möchte die Nummer behalten.

Johnlock OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt