Doch nicht asexuell

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John pov

"J-John?" Ich drehe mich um und sehe meinen Freund an. Der Lockenkopf steht in dem Durchgang zwischen Küche und Wohnzimmer, wie ein kleiner Junge, der eine Vase seiner Mutter zerbrochen hat und nicht weiß, wie er es gestehen soll. "Was gibt's?" frage ich und versuche zu überspielen, dass ich seine Unsicherheit bemerkt habe. Ich weiß, dass er es hasst, wenn man ihn durchschaut oder er sich versehentlich geöffnet hat. Zwar kenne ich ihn bereits so, aber er mag es trotzdem nicht. 

Sherlock sagt nichts, er geht einfach zu seinem Sessel und rollt sich darauf zusammen. "Sherlock? Bist du in Ordnung?" frage ich leicht besorgt und schiebe meinen Laptop ein Stück von mir weg. "Du hast mich doch gezwungen zu schlafen..." "Ja, und ich bereue es nicht. Hin und wieder musst du auch mal schlafen." "Ja, darum geht es ja auch gar nicht. Ich hab was Seltsames geträumt." Ich stehe auf und gehe zu ihm. "Was hast du geträumt, Schatz?" frage ich und setze mich hinter Sherlocks Kopf auf die Armlehne des Sessels. Sanft kraule ich durch seine Haare. 

"Sowas habe ich noch nie geträumt." "Für gewöhnlich schläfst du ja auch kaum, da hat man nicht so viele Gelegenheiten etwas Seltsames zu träumen." "Nein, John. Ich hab von uns geträumt." "Sahen wir gut aus?" schmunzle ich und gebe ihm einen Kuss auf die Haare. "Wir hatten Sex." Überrascht ziehe ich eine Augenbraue nach oben. "Und ich mochte es. Nicht nur im Traum." "Du hattest einen feuchten Traum?!" "Das klingt eklig." Ich schmunzle: "Ja, schon möglich." 

"Und es war nicht das erste Mal... Naja, doch. Es war das erste Mal, das ich sowas geträumt habe. Aber... Du.... Also..." "Ich errege dich. In sexueller Hinsicht." Sherlock nickt. Er wirkt verloren, verstört. Er kennt das Gefühl nicht, es macht ihm Angst. "Sherlock, das ist nichts Schlimmes. Du musst keine Angst davor haben." "Aber es ergibt keinen Sinn! John, es ergibt keinen Sinn! Ich... Erst verliebe ich mich in dich, obwohl ich das nie für möglich gehalten hätte und jetzt... jetzt das." "Sherlock, die meisten Menschen verspüren sexuelles Verlangen, das ist nichts wovor du Angst haben musst." "Aber ich bin asexuell, ich spüre kein sexuelles Verlangen! Ich fühle mich nicht auf diese Weise angezogen von Menschen. Aber auf einmal..." "Sherlock, hast du schon mal darüber nachgedacht, dass du nicht asexuell bist?" frage ich und setze mich in meinen Sessel. Sherlock richtet sich auf und sieht mich an. "Aber ich war immer asexuell! Ich wollte noch nie Sex mit irgendwem! Ich habe nie sexuelles Verlangen zu irgendwem gespürt, fand nie irgendwen heiß. Wieso jetzt? Wieso dich?" Beleidigt sehe ich ihn an. 

Dann stehe ich auf und gehe wieder zum Schreibtisch. "John, ich wollte nicht-" "Ist schon gut, ich will nur kurz etwas nachsehen." sage ich und setze mich an den Tisch. Ich tippe etwas bei Google ein und lese eine Weile. "Sherlock, hast du schonmal etwas von Demisexualität gehört?" Er hebt kurz den Kopf und sieht mich schweigend an. Dann lässt er den Kopf wieder auf die Rückenlehne seines Sessels fallen.

"Also nicht. Es ist ähnlich, wie Asexualität. Naja zumindest teilweise. Demisexuelle Menschen können sexuelle Lust empfinden, aber nur wenn sie eine enge emotionale Bindung zu dieser Person haben. Allerdings muss sich nicht aus jeder emotionalen Bindung sexuelle Lust entwickeln. Klingt doch nach deinem... Fall, oder nicht?" "Mmh... Irgendwie schon." sagt Sherlock, "Aber..." 

Ich stehe wieder auf und gehe zu meinem Freund. "Was Aber?" frage ich sanft und setze mich auf seinen Schoß, nachdem er sich gerade hingesetzt hat. "Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Das Gefühl ist einfach... Es ist so neu." Ich lächle: "Ja, ich weiß. Aber du wirst dich daran gewöhnen, Liebling. Daran hast du dich doch auch gewöhnt..." Ich gebe ihm einen liebevollen Kuss. 

Am Anfang unserer Beziehung hatte Sherlock Probleme mit jeglicher Art Körperkontakt. Nach und nach war dann Schlafen im selben Bett in Ordnung, später Händchenhalten und ab und zu eine Umarmung. Mit der Zeit war dann auch Kuscheln okay für ihn. Erst nach etwa einem dreiviertel Jahr durfte ich ihn zum ersten Mal auf den Mund küssen. Mittlerweile sind wir fast zwei Jahre zusammen und Sherlock hat es sehr gern, wenn wir uns küssen. 

"Müssen wir jetzt Sex haben?" Ich schmunzle: "Nein, Sherlock, natürlich nicht. Wenn du es möchtest, können wir es probieren, aber wenn du das nicht willst, dann werden wir das natürlich nicht tun. Sherlock, du musst nichts machen, was du nicht willst oder womit du dich unwohl fühlst. Ich werde dich niemals zu irgendetwas zwingen. Außer zum Schlafen und Essen, aber auf keinen Fall zum Sex." Der Lockenkopf lächelt leicht und murmelt ein leises Okay.

Ich gebe ihm einen Kuss und streichle seine Wangen. "Ich will nicht. Zumindest erstmal nicht. Vielleicht irgendwann." "Okay." sage ich lächelnd und gebe ihm noch einen sanften Kuss auf die Stirn. "W-Wirklich?" "Ja, natürlich. Ich liebe dich so wie du bist, Sherlock, und das wird sich niemals ändern." "Danke." "Du musst dich nicht dafür nicht bedanken." Unsicher lächelt Sherlock mich an und vergräbt sein Gesicht kurz darauf an meinem Hals. Ich umarme ihn und kraule sanft durch seine Locken, während ich mit der anderen Hand seinen Rücken streichle.

Johnlock OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt