Kapitel 1 ✔️

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"Fünf, sechs, sieben, acht. Wow, mein Großer du hast ja schon ein gut ausgeprägtes Rhythmusgefühl. Ja genau, jetzt den rechten Arm. Nein, nicht das Bein. Hey, Kleiner sieh mich an, nicht deine Schwester nachmachen, die macht das falsch. NEIN, nicht das Bein, den Arm. JA, aber bitte den anderen!", schreit ein sehr motivierter Tanzlehrer durch mein Wohnzimmer.

Ich kam gerade von meiner Arbeit nach Hause und hatte mich schon auf einen entspannten Abend mit meiner Familie gefreut. Aber so wie es aussah wurde daraus leider nichts, weil ein gewisser Tanzlehrer, der gleichzeitig auch mein Bester Freund ist, mal wieder auf die Idee gekommen war, uns zu besuchen.

Ich zog leise meine Schuhe aus und lauschte der nun entstehenden Diskussion. "Du weißt aber schon, dass 20 Monate alte Kinder nicht tanzen können, geschweige denn richtig laufen!", hörte ich meinen Freund sagen. Oh nein, jetzt geht es los. "Nur weil die Kinder noch nicht das Stadium des Laufens erreicht haben, heißt das doch noch lange nicht, dass ich mit ihnen nicht tanzen üben kann.", stellt der Tanzlehrer seinen Standpunkt klar.

Ich musste mir das Lachen verkneifen und bereitete mich schon auf die Szene vor, die ich gleich zu Gesicht bekommen würde. Leise schlich ich mich an die Tür des Wohnzimmers und beobachtete die Diskussion weiter mit einem Lächeln im Gesicht. Auf der Decke in der Mitte des Zimmers saßen meine beiden Kinder, Zwillinge um genau zu sein. Vor ihnen im Schneidersitz saß mein bester Freund und schräg hinter ihm mein Freund.

Während die beiden Erwachsenen diskutierten, schaute mein Sohn ängstlich zu den beiden auf. Meine Tochter interessierte sich überhaupt nicht dafür, sie hatte sich den Hausschuh meines Freundes unbemerkt geklaut und kaute jetzt auf ihm herum. Toll. Da geht man einmal arbeiten und dann passiert das.

Wie aufs Stichwort hin fängt mein Sohn an zu weinen. Die Erwachsenen schauen sich erschrocken an und dann auf den brüllenden Jungen. Schnell bückte sich mein Freund zu ihm runter, nahm ihn hoch und versuchte ihn zu beruhigen. Dabei zischte er: "Wehe dir, dass Sayuri das mit bekommt."

"Da, da!", rief meine Tochter begeistert aus und zeigte dabei auf mich. Gut, mein Versteck ist hiermit aufgeflogen. "Yoongi war es!", verteidigt sich mein bester Freund sofort. Typisch. Während Yoongi ihn vorwurfsvoll anschaute und versuchte er immer noch meinen weinenden Sohn zu beruhigen.

Schnell ging ich auf ihn zu und nahm ihm meinen Sohn ab. "Hey Kleiner, Jimin und Yoongi haben das nicht so gemeint. Und jetzt bin ich ja auch da und kann sie ausschimpfen.", beruhigte ich meinen Sohn.

Wenig später hörte man nur noch das leise Hicksen von ihm. Als ich mir sicher war, dass er nicht mehr anfangen würde zu weinen, setzte ich ihn wieder auf die Decke neben seine Schwester.

Dann wandte ich mich an meinem Freund und gab ihm einen Begrüßungskuss. In der Zwischenzeit stand Jimin auf, um mich zu umarmen, was ich dann auch tat. "Seit wann standest du da?", fragte er dabei. Ich lachte einfach nur, was ihnen schon Antwort genug war. "Willst du noch mit essen Jimin?", fragte ich ihn. Er nickte und ich machte mich auf den Weg in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten.

Wenig später rollte mein Freund auch in die Küche. "Nur das du es weißt, ich habe ihn nicht eingeladen. Er stand heute Nachmittag einfach vor der Tür. Als er hörte, dass du nicht da bist, hat er entschieden hier auf dich zu warten.", erklärte er mir die Situation. Schmunzelt drehte ich mich um und schaute auf ihn runter während. "Etwas anderes hätte ich auch nicht erwartet."

Nach einer Weile war das Essen fertig und ich bat Yoongi, Jimin bescheid zu sagen, dass er Yoongi beim Tisch decken zu Hand gehen sollte. In einem Rollstuhl ist es schwierig an das Geschirr zu kommen. Außerdem hatte ich keine Lust, schon wieder einen kaputten Teller auf zu kehren.

Nach dem Essen und nachdem die Kinder im Bett schliefen, saßen wir noch zusammen und unterhielten uns. "Na, wie war die Arbeit?", fragte mich mein Freund. Seufzend kuschelte ich mich noch mehr an ihn heran. Er saß auch mit auf dem Sofa, er vertrat die Meinung, dass der Rollstuhl auf Dauer unbequem wurde. "Schrecklich, ich habe einen Patienten bekommen, der sogar noch schlimmer ist als du damals. Er übertrifft dich um Meilen in Griesgrämigkeit. Es ist einfach nur schrecklich anstrengend.", berichtete ich von meiner Arbeit.

"Hey, so schlimm war ich gar nicht!", regte sich mein lebendiges Kissen auf. "Ja ne, überhaupt nicht!", sagten Jimin und ich gleichzeitig, mit sehr viel Ironie in der Stimme. Lachend klatschten wir ab und Yoongi verschränkte beleidigt seine Arme vor der Brust. Das führte dazu, dass ich mir ein neues Kissen suchen musste und kurzerhand Jimin dafür auswählte.

"Soll ich deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen? Du hast nach dem Unfall gar nicht mehr mit uns gesprochen. Wir wussten gar nicht wie es dir geht. Zudem konnten wir dich nicht mehr erreichen. Du hättest sterben können und wir hätten es erst Monate später erfahren.", sagte das neue Kissen mit einem anklagenden Unterton in seiner Stimme.

"Ich habe doch super auf ihn aufgepasst. Außerdem muss man erst einmal damit zurechtkommen, dass man wahrscheinlich nie wieder richtig laufen kann.", verteidigte ich Yoongi. Nachdem ich das gesagt hatte, zog Yoongi mich wieder zu sich, was ich sehr begrüßte. Jimin war einfach nicht so bequem wie Yoongi.

Yoongi war der erster Patient den ich nach dem Mutterschutz bekam. Ich arbeitete mit Menschen zusammen, die durch einen Unfall Einschränkungen erlitten haben und bei denen noch eine Chance auf Besserung besteht. Es ist ein sehr anstrengender, gleichzeitig aber auch schöner Job. Man lernt es viel mehr zu schätzen, einfach loslaufen zu können und sich keine Gedanken darum machen müssen, ob seine Beine heute auch laufen wollen oder nicht.

Yoongi war ein sehr schwieriger Patient. Er war sehr tief in ein dunkles Loch hineingerutscht. Ich hatte versucht ihm zu helfen. Kam dann aber darauf, ihn mit seinen früheren Bandkollegen wieder zusammen zu bringen. Das hat, auch wenn er es nie zugeben würde, sehr geholfen. Eine weitere große Hilfe waren auch meine beiden Kinder, sie sind wahre Engel. Irgendwann kamen wir dann zusammen und sind dann später zusammengezogen. Jetzt ist er für die Kinder wie ein echter Vater.

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